Nach einem langen regnerischen Drehtag (--> zum ausführlichen Setbericht) am Set des zerstörten Dale nehmen sich Peter Jackson und Philippa Boyens trotz Nässe und Dunkelheit die Zeit, um mit uns über die Aufteilung des Buches in drei Filme, die titelgebende Schlacht der Fünf Heere und den Dreh mit 48 Bildern pro Sekunde zu sprechen.
FILMSTARTS: Peter, du hast vor dem Beginn der Arbeiten an der „Hobbit“-Trilogie geglaubt, dass die neuen Filme gegen die „Herr der Ringe“-Filme antreten werden müssen. Wie denkst du darüber, nun da die Arbeiten langsam zu Ende gehen?
Peter Jackson: Mir ging es vor allem darum, mich nicht einfach nur zu wiederholen. Und obwohl ich es genieße, gewisse Dinge aus den beiden Trilogien miteinander zu verknüpfen, fühlen sich viele Elemente aus „Der Hobbit“ für mich absolut frisch an: Die meisten Charaktere sind neu und die Story ist im Kern eine ganz andere. Es freut mich auch, dass wir die Filme in dieser Reihenfolge gedreht haben, denn hätten wir „Der Hobbit“ zuerst verfilmt, hätte es natürlich nahegelegen, einen Kinderfilm zu drehen, es ist schließlich ein Kinderbuch. Und hätte man sich erst danach an „Herr der Ringe“ gemacht, hätte es zwischen den Filmen einen großen Bruch gegeben. Aber so herum konnten wir „Der Hobbit“ zwar im ersten Film mit einem märchenhafteren Ton beginnen, aber während die Handlung voranschreitet, wird er sich nun immer mehr zu einem natürlichen Nachfolger der „Herr der Ringe“-Trilogie entwickeln.
FILMSTARTS: Letztes Jahr hieß es noch, es würde zwei „Hobbit“-Filme geben, nun werden es doch drei. Was ist in der Zwischenzeit geschehen?
Philippa Boyens: Es ist ein trügerisch simples Buch! Man kann leicht auf die Idee kommen, dass sich auch alles in einem Film erzählen ließe, aber dann müsste man schwere Entscheidungen treffen, was man alles weglässt. Professor Tolkien hat ein sehr episodisches Buch geschrieben und als solches würde es fast besser zu einer TV-Serie passen. Aber wir haben uns nicht nur dazu entschieden, nichts wegzulassen, wir wollten auch all die extra Elemente einbauen, die sich aus dem Bezug zu „Herr der Ringe“ ergeben. Also standen wir auf einmal vor der Entscheidung: „Behalten wir die Spinnen? Was ist mit den Adlern?“ Zudem ist jede Sequenz sehr visuell, es gibt einfach so viel zu zeigen. Zum Beispiel umfasst die Szene mit den Steinriesen im Buch gerade einmal zwei Zeilen, aber wenn man Peter kennt, dann weiß man, dass er sich eine solche Möglichkeit nicht entgehen lassen wird. Das ist unsere Ausrede und zu der stehen wir! Ganz ehrlich, wir wollten einfach noch mehr von dieser Story erzählen und es war für uns eine schreckliche Vorstellung, etwa Gandalf nicht folgen zu können, wenn er die Gruppe verlässt.
FILMSTARTS: Wie schwer war es denn, einen passenden Ausgangspunkt für den dritten Teil zu finden? Der erste Film ist die Einführung, der zweite der Drache – und der dritte dann die große Schlacht?
Philippa Boyens: Ja, die Schlacht steht im Zentrum. Außerdem geht es darum, all die Fäden zusammenzubringen, die während der Reise gesponnen wurden. Wenn man das Buch gelesen hat, dann ist der natürlich Endpunkt für ein Kinderbuch eigentlich der Tod des Drachen: Die Zwerge bekommen ihren Berg zurück und alle leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Aber Tolkiens Geschichte endet nicht so, sie geht weiter und ein düsterer, sehr tragischer Ton schleicht sich immer mehr ein. Das Finale ist fast wie ein extra Akt und natürlich haben wir so die Chance, diese riesige Schlacht umsetzen zu können – und sie wird wahrhaft riesig werden!
FILMSTARTS: Peter, du nutzt in deinen Filmen oft aufwendige Kamerafahrten, so auch bei den Aufnahmen, die wir vorhin am Set beobachtet haben. Was ist deine Inspiration für diese Art des Geschichtenerzählens?
Peter Jackson: Jeder Regisseur ist natürlich verschieden und hat seine eigenen Sensibilitäten. Aber mich hat schon immer die Idee fasziniert, wie die Kamera in einer Szene selbst ein Schauspieler werden kann. Für mich ist die Kamera ein Werkzeug, mit der sich eine unterschwellige Nachricht an das Publikum übermitteln lässt. Der Zuschauer realisiert es gar nicht, aber wenn ein Schauspieler in einem emotionalen Moment ganz ruhig bleibt, während die Kamera an ihn heranfährt, dann wird er in die Performance des Schauspielers regelrecht hineingesogen. Und ansonsten will ich die Dinge eben einfach möglichst lebhaft gestalten. Gerade bei einer solch großen Schlacht, bei der sich die Charaktere plötzlich in diesem chaotische Durcheinander wiederfinden, hilft es natürlich, auch die Kamera herumzuwirbeln. Wenn ich mir eine Szene anschaue, dann denke ich immer darüber nach, wie ich die Kamera zu einem Teil des Casts machen kann – und dann muss ich entscheiden, welche Rolle sie spielen und wie sie in dieser agieren soll.
FILMSTARTS: Du drehst „Der Hobbit“ nicht nur in 3D, sondern auch mit 48 Bildern pro Sekunde – geht es dir dabei auch ein Stück weit darum, die Filmgeschichte weiterzuschreiben?
Peter Jackson: Wir befinden uns jetzt im Jahr 2013 und wenn man ins Jahr 1913 zurückschaut, dann waren Filme nicht nur schwarz-weiß, sondern auch stumm. Sie waren meist nicht länger als 20 Minuten und wurden mit 16 Bildern pro Sekunde gedreht. Jetzt sind wir 100 Jahre weiter, der herkömmliche Film ist fast ausgestorben, alles ist digital und die Projektionen werden immer hochauflösender. Schauen wir jetzt noch einmal 100 Jahre weiter, dann kann ich euch garantieren, dass es 2113 nicht nur ein superhochauflösendes Format geben wird, es wird auch niemand mehr mit 24 Bildern pro Sekunde drehen. Irgendwann auf diesem Weg müssen wir also Technologien einsetzen, die diese Entwicklung vorantreiben. Außerdem sollte ein Kino technisch immer mehr anbieten, als man es sich zuhause jemals erträumen könnte – nur so bekommen wir die Leute dazu, wieder mehr ins Kino zu gehen.
FILMSTARTS: Peter, wie sieht für dich eigentlich ein typischer Tag am Set aus?
Peter Jackson: Die meiste Zeit verbringe ich damit, mir über darüber Sorgen zu machen, wie wir alles rechtzeitig gedreht bekommen. Denn als Regisseur habe ich nur eine bestimmte Anzahl an Tagen und wenn die um sind, muss ich alles abgedreht haben, was im Skript steht. Wenn ich also morgens aufstehe oder sogar noch im Bett liege, dann denke ich darüber nach: „Okay, wie viele verschiedene Shots brauchen wir für diese oder jene Szene unbedingt?“ Denn abhängig von der Location und den Bedingungen können wir an einigen Tagen überhaupt nur sieben oder acht Shots drehen. So weiß ich dann zum Bespiel schon am Morgen, wie weit ich bis 15 Uhr gekommen sein müsste und kann dementsprechend mein Tempo anpassen. Ein wenig Folter ist das aber auch, denn man schaut die ganze Zeit auf die Uhr und denkt: „Oh, mein Gott, damit hätten wir schon vor 20 Minuten durch sein sollen.“
FILMSTARTS: Philippa, du hast vorhin angemerkt, dass ihr den „Hobbit“ in drei Filme aufteilen wolltet, weil ihr all diese Storys all dieser Charaktere erzählen wolltet. Aber es gibt da ja noch andere Geschichten, etwa im „Silmarillion“. Gibt es bei euch also Pläne, noch tiefer in die Welt von Tolkien vorzudringen…
Philippa Boyens: Nein, mit allem Respekt, aber ich glaube, das war’s jetzt. Ursprünglich sollte ja schon „Der Hobbit“ von Guillermo del Toro inszeniert werden und ich würde immer noch sehr gerne sehen, was er daraus gemacht hätte. Diese Welt gehört nicht uns, gar nichts darin gehört uns. Ich würde mich also freuen, wenn andere kreative Filmemacher nach Mittelerde kommen. Außerdem bin ich mir sehr, sehr sicher, dass dies nicht die letzte Version von „Herr der Ringe“ oder „Der Hobbit“ sein wird, jemand anderes wird diese Geschichten auch in der Zukunft noch erzählen.
„Der Hobbit: Die Schlacht der Fünf Heere“ startet am 10. Dezember in den deutschen Kinos!