John Wayne sollte in einem ikonischen Anti-Kriegsfilm mitspielen – nahm sich aber nicht einmal für eine Absage Zeit!
Sidney Schering
Sidney Schering
-Freier Autor und Kritiker
Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

Stanley Kubricks Polit- und Kriegssatire „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ ging in die Kinogeschichte ein – auch dank einer denkwürdigen Figur, die an John Wayne angelehnt ist und von ihm gespielt werden sollte...

Obwohl John Wayne und das Western-Kino eng verbunden sind, war der legendäre Schauspieler keinesfalls auf das Genre reserviert. So feierte er 1962 seinen größten kommerziellen Erfolg mit dem Kriegsfilm „Der längste Tag“ (mehr dazu). Und hätte der umjubelte Regisseur Stanley Kubrick seinen Willen durchsetzen können, wäre Wayne nur zwei Jahre nach diesem Hit erneut in einem einflussreichen Kriegsfilm aufgetaucht.

Denn John Wayne befand sich auf Stanley Kubricks Besetzungswunschliste für den satirischen Anti-Kriegsfilm „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“. Der Film erhielt vier Oscar-Nominierungen und wurde viele Jahre später vom American Film Institute zu einer der 100 besten US-Produktionen der Kinogeschichte gewählt.

John Wayne dagegen hatte keinerlei Interesse am Projekt, weshalb er Kubrick nicht einmal eine Absage erteilte, sondern seine Anfrage komplett ignorierte. Falls ihr entgegen Waynes Erwartungshaltung den Satire-Meilenstein sehen möchtet, könnt ihr ihn unter anderem via Amazon Prime Video als VoD beziehen:

"Dr. Seltsam": Der Kalte Krieg wird hitzig

US-General Jack D. Ripper (Sterling Hayden) dreht auf einem amerikanischen Atomwaffenstützpunkt völlig durch und schwadroniert von einer kommunistischen Weltverschwörung, in deren Zuge sämtliches Wasser vergiftet wurde. Also ordnet er den „Code Red“ an (ein Befehl, der eigentlich dem US-Präsidenten vorbehalten ist) und schickt somit B-52-Bomber mit einer Fuhre Nuklearbomben gen Sowjetunion. Auf weltpolitischer Ebene bricht Tumult aus, obwohl fast allen klar ist, dass sich die bevorstehende Katastrophe nicht mehr abwenden lässt...

Peter Sellers, seines Zeichens Schauspiel-Chameleon und personifizierter Wankelmut, verkörpert in Kubricks Klassiker sogleich drei Rollen: Den britischen Austauschoffizier Mandrake, den US-Präsidenten Muffley und den deutschen Wissenschaftler Dr. Seltsam, der zwar in die USA übersiedelte, aber immer noch so reflexartig Nazi-Gesten macht als sei er ein südafrikanischer Menschen- und Demokratiefeind ohne jeglichen Realitätsbezug, wohl aber mit viel zu viel Einfluss.

Es sollte ein Sellers-Quartett werden – mit John Wayne als Plan B

Ursprünglich sollte es nicht bei diesem Sellers-Hattrick bleiben: Das Produktionsstudio Columbia Pictures beteiligte sich unter der Bedingung an dem Film, dass Kubrick den Mimen in vier Rollen besetzt. Die vierte für Sellers angedachte Rolle war die des texanischen Majors Kong, mit der Sellers jedoch am meisten haderte, da er Probleme hatte, einen texanischen Akzent zu imitieren.

Als Hilfestellung nahm der in Texas aufgewachsene Drehbuchautor Terry Southern sämtliche Drehbuchzeilen Kongs auf Tonband auf, damit Sellers den Text mit Southerns Aussprache auswendig lernen konnte. Dieser Aufwand war vergebens: Kurz nach Beginn der Dreharbeiten im engen Flieger-Set, in dem sich Kong über weite Strecken des Films befindet, verletzte sich Sellers und war unfähig, diesen Part weiter zu spielen – so jedenfalls die offizielle Geschichte.

Seit Jahrzehnten halten sich aber Gerüchte, dass Sellers seine Verletzung bloß vorgetäuscht hat, um widerstandslos diese ungeliebte Rolle abgeben zu können. Eine These, der sich das von den „Avengers: Endgame“-Autoren Christopher Markus & Stephen McFeely verfasste, schräge Peter-Sellers-Biopic „The Life And Death Of Peter Sellers“ mit „Fluch der Karibik“-Star Geoffrey Rush in der Titelrolle anschließt:

Da das Autoren-Trio Kubrick, Southern und Peter Bryant Major Kong eh an John Wayne angelehnt hatten, kam Kubrick nach Sellers' Wegfall eine naheliegende Idee: Er kontaktierte einfach das leibhaftige Original! Wayne war von dem Projekt jedoch so wenig überzeugt, dass er selbst auf mehrere Nachfragen Kubricks nicht einmal reagierte, wie Mental Floss berichtet.

Als Wayne-Alternative stand eine andere einprägsame Western-Persönlichkeit auf dem Wunschzettel: Southern schlug „Bonanza“-Star Dan Blocker vor, der jedoch ebenfalls nicht angetan war. Wenigstens gab er dem „Dr. Seltsam“-Team mittels einer Nachricht seiner Agentur eine Absage. Laut Southern las sich die Abfuhr nur bedingt freundlich: „Danke sehr, aber das Material ist zu links-versifft für Dan – eigentlich sogar für jeden.“

Da verschätzte sich Blockers Agentur: Der ebenfalls viel Western-Erfahrung aufweisende Schauspieler Slim Pickens nahm die Rolle dankend an und wurde für seine Rolle nicht nur vielfach gelobt, sondern trug mit seinem Ritt auf der Atombombe zu einem der ikonischsten Bilder des Klassikers bei. Wie Wayne den fertigen Film fand, ist uns nicht bekannt. Wohl aber, wie sehr er ein anderes Meisterwerk mit gesellschaftskritischer Botschaft verachtete:

"Das Unamerikanischste, das ich in meinem ganzen Leben gesehen habe": John Wayne hasste diesen hochspannenden Western-Klassiker

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