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    Das erste verfilmte Drehbuch von Quentin Tarantino habt ihr garantiert noch nicht gesehen – dabei ist der Thriller-Geheimtipp richtig gut!
    Oliver Kube
    Oliver Kube
    -Freier Autor und Kritiker
    Oliver Kubes bevorzugte Filmemacher sind David Fincher, David Lynch, Martin Scorsese, Paul Thomas Anderson, Christopher Nolan, Stanley Kubrick, Quentin Tarantino, Joachim Trier sowie Steve McQueen.

    Tarantino-Fans wissen, dass ihr Idol an deutlich mehr Filmen beteiligt war als nur an den bisher neun von ihm inszenierten Werken. Den Titel, um den es in diesem Artikel geht, dürften allerdings nur die wenigsten von euch kennen. Was schade ist.

    „Sie muss sich entscheiden – zwischen dem, was sie fürchtet, und dem, was sie fühlt“, sagt die dramatische Voiceover-Stimme im Trailer zum 1991 gemachten Thriller-Drama „Ohne jede Reue“ (Originaltitel: „Past Midnight“). Gemeint ist die von Natasha Richardson („Manhattan Love Story“) gespielte Figur Laura Mathews, die engagiert als Sozialarbeiterin arbeitet. Ihre Aufgabe ist es, auf Bewährung freigekommenen Straftätern dabei zu helfen, einen Job und somit einen Weg zurück in die Gesellschaft zu finden.

    Lauras neuester Klient ist der von „Blade Runner“-Bösewicht Rutger Hauer verkörperte Ben Jordan. Er ist ein hochintelligenter, sehr charmanter, aber auch ziemlich undurchsichtiger Mann, der 15 Jahre im Knast saß, nachdem er für den Mord an seiner schwangeren Frau verurteilt wurde – unschuldigerweise, wie er steif und fest behauptet. Laura beginnt Nachforschungen anzustellen und kommt zu dem Schluss, dass er wirklich zu Unrecht eingekerkert worden sein könnte. Währenddessen beginnt sie romantische Gefühle für Ben zu entwickeln. Doch ist das klug? Denn selbst wenn er es nicht getan haben sollte, wäre der eigentliche Killer ja noch auf freiem Fuß und könnte zur Gefahr für sie werden…

    „Ohne jede Reue“ wurde 1991 vom kalifornischen Indie-Studio CineTel für relativ kleines Geld produziert. Bevor die Dreharbeiten unter der Ägide der primär als Serien-Regisseurin tätigen Jan Eliasberg („Navy CIS: L.A.“, „Supernatural“ etc.) starten konnten, gab es allerdings ein Problem. Der ebenfalls beteiligte, damals noch unabhängig vom Warner-Konzern operierende Verleih New Line Cinema („Der Herr der Ringe“) verlangte nämlich eine Überarbeitung des Drehbuchs von Frank Norwood („Survival Of Dana“). Wurde dieses von den Verantwortlichen doch als zu zahm und altmodisch erachtet.

    Zu dieser Zeit jobbte der junge Quentin Tarantino für CineTel als sogenannter Skriptdoktor, also jemand, der von anderen Autoren verfasste Drehbücher nach den Wünschen der Regisseur*innen, Produzent*innen oder Stars umschrieb. Von den diversen TV- und Kino-Projekten, an denen das spätere „Pulp Fiction“-Mastermind zu dieser Zeit feilte, ist „Ohne jede Reue“ das einzig bekannte, das dann auch wirklich realisiert wurde.

    Ohne jede Reue
    Ohne jede Reue
    1 Std. 40 Min.
    Von Jan Eliasberg
    Mit Paul Giamatti, Rutger Hauer, Natasha Richardson
    User-Wertung
    3,0

    Knackiger und bissiger dank Tarantino

    Tarantino veränderte hauptsächlich den Storyfluss und die Dialoge. Letztere sollten auf Wunsch seiner Auftraggeber*innen deutlich flotter, knackiger und bissiger werden – eine Disziplin, für deren virtuose Beherrschung der Mann heute von Millionen Fans verehrt wird. Als er seine zudem mit ein paar seiner üblichen Popkultur-Referenzen an unter anderem „Nightmare - Mörderische Träume“ und „Augen der Angst - Peeping Tom“ gespickte Version ablieferte, war New Line Cinema ebenso happy mit den Veränderungen wie Regisseurin Eliasberg. Überhaupt nicht damit zufrieden war allerdings der Star des Films, an dessen Beteiligung die komplette Produktion hing.

    Rutger Hauer hatte einfach keine Lust auf die teilweise sarkastischen, hippen Sprüche, die Tarantino für ihn geschrieben hatte. Er bestand auf die von Norwood erdachten Dialoge für seine Figur und drohte mit seinem Ausstieg. Schließlich kam man zu der Übereinkunft, dass Hauer in der Tat die Dialoge aus dem Originalskript sprechen durfte, während der Rest des Films nach Tarantinos Version gedreht wurde. Zudem lehnte der ebenfalls nicht gerade begeisterte Norwood es ab, sich die Credits mit seinem jungen Kollegen zu teilen. So wurde er im Abspann als alleiniger Autor aufgeführt, während Tarantino darin als Associate Producer auftaucht.

    Aufgrund der Querelen mit Hauer und Norwood verlor New Line Cinema irgendwann wohl den Glauben an den kommerziellen Erfolg des Films. Jedenfalls entschied man sich, „Ohne jede Reue“, entgegen der ursprünglichen Pläne, nicht in die Kinos zu bringen, sondern ihn an den TV-Kabelsender USA Network abzugeben. In dessen Programm debütierte das Werk im Dezember 1992, bevor es Ende des Folgejahres in Nordamerika auf VHS-Kassette und Laserdisc erschien.

    Natashs Richardson in Sony Pictures Home Entertainment
    Natashs Richardson in "Ohne jede Reue".

    "Ohne jede Reue" ist ein guter Film

    Angesichts einer solchen Entstehungsgeschichte ist es verwunderlich, dass aus dem mit Neo-Noir-Anflügen versehenen „Ohne jede Reue“ ein durchaus ansehnlicher und unterhaltsamer Thriller geworden ist. Das kann der Autor dieser Zeilen, der den Streifen zu Beginn des neuen Jahrtausends mal im TV-Nachtprogramm gesehen hat, guten Gewissens bestätigen.

    Auch wenn Hauers Figur aufgrund der oben beschriebenen Umstände im Vergleich zu den restlichen Charakteren etwas befremdlich wirkt, trägt gerade dies zu einem gewissen Teil auch zu ihrem Charme bei. Die Story, bei der es sich im Grunde um einen recht konventionellen Whodunit-Krimi handelt, ist spannend aufgebaut und als Zuschauer rätselt man gern mit Natasha Richardsons Protagonistin mit. Neben ihr und Hauer traten auch noch „Highlander“-Fiesling Clancy Brown und Tom Wright („Mord im Weißen Haus“) in größeren Rollen auf. Zudem gab „Billions“-Star Paul Giamatti hier sein Spielfilmdebüt.

    Leider ist „Ohne jede Reue“ in Deutschland nur als schon seit Ewigkeiten vergriffene VHS-Kassette erschienen. Auf DVD oder gar Blu-ray schaffte er es hierzulande nie und keiner der Streaming-Services und Video-on-Demand-Anbieter hat den Film im Programm. Solltet ihr aber – vielleicht als VoD bei einem Auslandsaufenthalt, als Import oder dank einer Second-Hand-Börse – die Chance haben, euch den Thriller zu einem annehmbaren Preis zuzulegen, dann tut es ruhig. Natürlich dürft ihr dabei keine Wunderdinge á la „Reservoir Dogs“ oder „Once Upon A Time... In Hollywood“ erwarten, aber es gibt deutlich schlimmere Wege, um 100 Minuten totzuschlagen.

    In Berichten und Büchern wird „Ohne jede Reue“ übrigens oft als Tarantinos erster professioneller On-Screen-Credit bezeichnet. In Bezug auf eine Tätigkeit als Autor und Produzent ist das auch korrekt. Seine erste namentliche Nennung im Abspann eines Hollywood-Projekts konnte der spätere Meisterregisseur allerdings schon weit vorher, nämlich 1987, verbuchen. Im folgenden Artikel klärt euch FILMSTARTS-Autor Sebastian Groß darüber auf, wie es damals dazu kam und was er dafür tun musste. Zudem könnt ihr euch an selber Stelle auch das komplette Werk inklusive des Abspanns mit QT-Nennung anschauen:

    "Ein beschissener Job": Quentin Tarantino spricht über seinen Karriere-Start – bei "The Expendables"-Star Dolph Lundgren!
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