Dem Massenpublikum dürfte Lucio Fulci nicht sonderlich geläufig sein. Doch für Horror-Fans der alten Videotheken-Schule ist der Kopf hinter zahlreichen Schockern und Reißern regelrechter Genrefilm-Adel. Während sich dieses Publikum hinter Fulci stellt, um seine Kompromisslosigkeit, seine handfest-blutige Effektarbeit und seine Verquickung aus Härte und beklemmend-surrealer Stimmung zu feiern, sorgte all dies auch dafür, dass Fulcis Schaffen überaus kontrovers debattiert wurde.
Dass Fulci für einen seiner Filme vor Gericht gezerrt wurde (wir berichteten), ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie sehr der italienische Regisseur aneckte. Viele seiner Filme wurden in Deutschland indiziert oder gar beschlagnahmt, darunter einer von Quentin Tarantinos liebsten Italo-Schockern: „Die Geisterstadt der Zombies“ (auch bekannt als „Über dem Jenseits“), ein desorientierender und rauer Zombie-Horror, der selbst in den USA lange Zeit aufgrund seiner Gewaltdarstellung nur gekürzt erhältlich war.
Ende der 1990er-Jahre halfen unter anderem Tarantino und „Doctor Strange In The Multiverse Of Madness“-Cutter Bob Murawski jedoch, „Die Geisterstadt der Zombies“ ungekürzt und restauriert in die US-Kinos zu bringen. In Deutschland sollte dagegen erst im Herbst 2024 die Beschlagnahmung des Films aufgehoben werden – und dennoch sahen sich Millionen von Menschen wenigstens eine Szene aus dem Film in den hiesigen Kinos an. Denn jemand hat eine Szene aus „Die Geisterstadt der Zombies“ in einen besonders erfolgreichen Marvel-Blockbuster gepackt: Sam Raimis „Spider-Man“!
"Die Geisterstadt der Zombies": Vom Lynchmob zur Superhelden-Sparmaßnahme
New Orleans, 1927: Ein Mob dringt in ein Hotel ein und lyncht einen Maler. Damit hat der Pöbel die Menschheit unwissend gen Untergang geschickt – denn der Maler sollte sicherstellen, dass die Pforten zur Hölle geschlossen bleiben! Als eine zynische New Yorkerin 1981 den Tatort des Lynchmords erbt, ist es dann so weit: Die Toten wollen das Diesseits für sich haben...
Was darauf folgt, ist ein in surrealistisch-bedrohlicher Stimmung getauchter Horrorfilm mit zahlreichen eindrucksvoll getricksten, grotesken Gewaltakten. So gibt es eine Szene, in der Spinnen einen Mann zerreißen. Genau diese Szene wurde in Raimis „Spider-Man“ zweitverwertet:
Nachdem der von Tobey Maguire gespielte Peter Parker von einer Spinne gebissen wurde, kommt er benebelt nach Hause und hat einen Albtraum. Raimi plante ursprünglich eine ausgewachsene Albtraumszene, die jedoch aus Budgetgründen gestrichen werden musste. Also beschlossen er und sein Cutter, aus altem Filmmaterial einen kurzen Fiebertraum zusammenzuschneiden.
Dabei griffen sie, wie Raimi im Audiokommentar zu „Spider-Man“ verrät, unter anderem auf Raimis Superhelden-Rachefilm „Darkman“ zurück – und auf „Die Geisterstadt der Zombies“. Schließlich war für den Schnitt von „Spider-Man“ Bob Murawski zuständig, Raimis mehrfacher Filmeditor und einer der US-Rechteinhaber des Fulci-Klassikers!
Falls ihr euch das Ergebnis vor Augen führen möchtet: Auf YouTube hat ein Fan den Audiokommentar-Ausschnitt, die entsprechende „Spider-Man“-Szene und den von Raimi sowie Murawski wiederverwendeten „Die Geisterstadt der Zombies“-Clip zwecks Vergleichsmöglichkeit zusammengeschnitten.
Auch einen anderen Fulci-Klassiker liebt Quentin Tarantino übrigens heiß und innig. So sehr, dass er ihn beim „Inglourious Basterds“-Dreh kurzerhand Brad Pitt gezeigt hat, wie ihr im folgenden Artikel nachlesen könnt:
Diesen lange verbotenen Horrorfilm mit Haien und Zombies muss man laut Quentin Tarantino gesehen haben: Er hat ihn sogar Brad Pitt gezeigt