Zeitlebens machte der schwedische Film- und Theaterregisseur Ingmar Bergman sich einen Namen mit seinen komplexen, psychologisch angehauchten, aber auch stilistisch herausragenden Werken. Er erlangte weltweiten Ruhm mit Filmen wie „Wilde Erdbeeren” oder „Das siebente Siegel”, gewann Goldene Bären, Oscars, und Palmen – 1997 sogar die „Palme des Palmes”, womit Cannes ihn als „besten Filmregisseur aller Zeiten” ehrte.
Viele seiner Filme beschäftigen sich mit Existenzialismus, mit der An- bzw. Abwesenheit Gottes und mit dem Wesen des Menschen selbst. Dabei ließ er nicht selten auch Autobiographisches in sein Werk einfließen. So auch in „Persona”, zu dem er bei einem Krankenhausaufenthalt inspiriert worden sein soll. „Persona” gehört zwar zu den kommerziell weniger erfolgreichen Filmen, da er aufgrund seines experimentellen Charakters weniger Zuspruch beim Publikum fand – über die Qualität sagt das aber natürlich nichts aus.
Insbesondere Fans von neueren „Mindfuck”-Filmen werden an „Persona” ihre Freude haben: Denn er gilt als Meisterwerk des psychologischen Films. Was in „Black Swan” oder „Mullholland Drive” später noch weiter getrieben wird, fand hier seinen Anfang: Der Film ist ein wahnwitziges Spiel mit Identitäten, Doppelungen, Licht und Schatten. Ihr könnt ihn aktuell im ARTHAUS+ Channel von Amazon streamen. Das Probeabo ist für 7 Tage kostenlos, danach kostet es nur 3,99 Euro im Monat und ist monatlich kündbar.
Allein der Vorspann ist ein experimentelles Fest
„Persona” ist ein Film, den man nicht nur immer wieder schauen kann, sondern vielleicht sogar immer schauen muss, da sich immer neue Sichtweisen und Details eröffnen. Allein der Vorspann ist ein illustres Sammelsurium an Filmmaterial: Zunächst einmal sieht man den Projektor und einen hindurch laufenden Filmfstreifen selbst, dann zusammenhangslose Sequenzen eines Schafes, das geschlachtet werden soll, Hände, die mit Nägeln durchbohrt werden, eine Leiche auf einer Bahre.
Fest verankert die Titelsequenz sich zwischen Film- und Menschheitsgeschichte, indem sie das viel zitierte Auge aus Bunuels und Dalís „Ein andalusischer Hund” und die Kreuzigung Christi aufruft. Das Werk wird in all seiner Selbstreferenzialität spürbar, indem die Kamera mit einbezogen wird – und gleichzeitig das Ganze unterwandert, mit, und hier werden „Fight-Club”-Fans sich freuen, einem kurz hinein montierten Penis. Und das alles, noch bevor der Film überhaupt losgeht.
Und damit sind wir erst in der Geschichte:
Die Schauspielerin Elisabeth Vogler (Liv Ullmann) verstummte plötzlich, während sie in „Electra” auf der Bühne stand und spricht seither nicht. Im Krankenhaus kann kein pathologischer Grund für ihre Stummheit festgestellt werden und so wird Elisabeth mit ihrer Pflegerin Alma (Bibi Andersson) ans Meer geschickt, um sich dort zu erholen.
Alma blüht in dem Sommerhaus am Meer immer mehr auf und erzählt der immer noch schweigenden Elisabeth intime Dinge von sich, da sie sich ihr sehr nahe, beinahe wie eine Schwester, fühlt. Doch als sie einen Brief von Elisabeth an ihre Ärztin liest, wird sie bitter enttäuscht. In diesem macht Elisabeth sich lustig über Almas Bekenntnisse und erzählt, ihr mache es Spaß, Alma zu beobachten. Alma ist hin- und hergerissen zwischen Wut, Lust auf Rache und dem Wunsch nach Nähe.
Wie viele Rollen spielt der Mensch?
Ingmar Bergmans „Persona” ist schwer zu fassen, und genau das macht auch seinen Reiz aus. Wahrscheinlich kann jede Person etwas anderes aus diesem Film ziehen. Der Titel „Persona” steht für Maske – die Maske des Schauspielers im antiken Theater, hier ist es die Maske der Schauspielerin im doppelten Sinne. Liv Ullmann spielt die Schauspielerin Elisabeth Vogler, die aber eben gar nicht mehr spielt.
Oder spielt sie doch, weil sie nicht redet? Und wenn ja, was ist das für ein Spiel? Es ist zumindest eines, auf das Alma voll einsteigt. Die Nicht-Kommunikation wird zur Projektion: „Du hast mich zum Reden verleitet“, sagt sie, obwohl sie in Elisabeth nur gesehen hat, was sie eben selbst sehen wollte. Die Rolle, die zur verstummten Oberfläche wurde, und später dann die Rolle der Mutter, die die Schauspielerin ebenfalls nie einnehmen wollte.
Wie auch in „Mullholland Drive” sind die Identitäten und Rollen hier am Ende fließend. Und die Psychologie eine, die auf Film- und vor allem Bildebene funktioniert: Etwa in der Mitte des Films gibt es eine Zäsur, der Film verbrennt sich selbst. Immer wieder werden wir als Zuschauer durch die vierte Wand fixiert – der Film scheint zu uns zu sprechen. Wie die „Cahier du Cinéma” damals schrieb, denkt das Kino hier über sich selbst nach. „Persona” ist großes Reflexionskino, dass wir jedem Filmfan, der gerne über Filme sinniert, empfehlen können.
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