Der Herzensbrecher aus „40 Tage und 40 Nächte“ und „Pearl Harbor“ spielt 25 Jahre später den sadistischen Serienmörder Cooper, der mit seiner Tochter eigentlich nur ein Popkonzert besuchen will, aber sich dann plötzlich in einer Arena-großen Falle wiederfindet, als 300 Cops das Gebäude umstellen. Schon die Prämisse von M. Night Shyamalans „Trap: No Way Out“ macht unglaublich neugierig. Aber erst die grandiose Performance von Josh Hartnett als perfekter Familienvater und zwangsgestörter Psycho-Killer ist das das Tüpfelchen auf dem i. Ein Fun-Thriller, der einfach mächtig Laune macht – und es war genau diese schwarzhumorige Seite des Stoffes, die auch den Hauptdarsteller überhaupt erst für das Projekt begeistert hat:
FILMSTARTS: Wie hat dir M. Night Shyamalan mitgeteilt, dass er dich für den perfekten Serienkiller hält?
Josh Hartnett: So war es gar nicht. Ich und mein Team haben uns bei M. Night gemeldet, weil wir gehört haben, dass er einen Film castet. Aber er ist, wer er ist – und deshalb gibt er keine Skripts raus, bevor er nicht das Gefühlt hat, dass es tatsächlich passen könnte. Wir hatten dann ein Gespräch per Zoom und am Ende meinte er: „Ja, okay, ich glaube, ich könnte mir das vorstellen.“ Erst dann hat er mir das Drehbuch geschickt. Es ist offensichtlich sehr komplex und der Charakter ist sehr dunkel, aber ich habe auch eine Menge Humor darin entdeckt. Als wir dann über das Skript gesprochen und ich gesagt habe, dass ich die Figur so kühn und dreist wie möglich spielen will, um diesen Humor noch zu unterstreichen, war seine Reaktion: „Ja, das ist genau das, was ich will. Der Ton soll vergnüglich sein.“
FILMSTARTS: Nach dem Poster und dem Thriller hatte ich einen düsteren Thriller erwartet – und deshalb war für mich das Überraschendste an „Trap: No Way Out“ auch keiner der Shyamalan-Twists, sondern wie viel Spaß der Film macht…
Josh Hartnett: Ja? Gut so!
FILMSTARTS: War das denn alles schon von Anfang an im Skript – oder habt ihr euch in Sachen dunkelschwarzem Humor gegenseitig gepusht?
Josh Hartnett: Für mich war es schon im Skript, ich fand es einfach sehr lustig. Ich weiß nicht, wie der Film mit anderen Schauspielern geworden wäre, aber aus meiner Perspektive musste er so werden. Ich meine, es ist ja auch eine verdammt bizarre Situation, wenn sich dieser Typ endlich seiner dunklen Seite stellen muss – und das ausgerechnet während eines Popkonzerts.
FILMSTARTS: Bizarr ist da glaube ich ein ganz gutes Wort. Und das gilt ja auch für die Gefühle des Publikums: Wenn er merkt, dass er in der Falle sitzt, dann fühlt man richtig mit ihm mit – wie damals, als man als Kind etwas angestellt hat und wusste, dass einem in der Situation keine noch so gute Notlüge mehr heraushelfen wird. Man ist also erst mal auf seiner Seite, bevor man kurz darüber nachdenkt, mit was für einem Monster man sich hier eigentlich gerade identifiziert…
Josh Hartnett: Das ist eine ziemlich schwierige Aufgabe, wenn wir dem Publikum erzählen, dass er ein Serienkiller ist – und dann trotzdem wollen, dass es für einen Teil des Films auf seiner Seite steht. Ich denke, M. Night hat da einen exzellenten Job gemacht.
FILMSTARTS: Ja, wir haben 140 Jahre lang gelernt, welche Filmtechniken wie auf das Publikum wirken – und nun können wir sie für ziemlich bizarre Dinge verwenden. Man kann die Sympathien der Zuschauer*innen lenken, wohin man will – und „Trap“ macht das wirklich ziemlich perfekt.
Josh Hartnett: Oh, danke.
FILMSTARTS: Kommt man denn trotzdem kurz ins Nachdenken, wenn einen jemand ausgerechnet als Serienkiller besetzen will?
Josh Hartnett: Ich glaube, M. Night hat mich weniger als potenziellen Serienkiller gesehen, sondern vor allem als Schauspieler, der die verschiedenen Seiten des Charakters spielen kann, die Figur ist schließlich unglaublich komplex. Ich habe schon immer versucht, bei meiner Rollenauswahl auch mal zu experimentieren. Ich habe schon einige dunkle Charaktere verkörpert, aber ich sehe es auch gar nicht als Frage von guter Typ oder böser Typ. Da stelle ich mir eher die Frage, ob es etwas an der Figur gibt, das mich herausfordert. Gibt es etwas, mit dem ich das Publikum überraschen kann. Und wenn ich solche Rollen finde, dann will ich der Herausforderung auch gerecht werden.
FILMSTARTS: Das Allerwichtigste für Cooper ist ja, seine zwei Welten als Serienkiller und Familienvater so getrennt wie möglich voneinander zu halten. Hast du Cooper immer als eine Person gesehen – oder hast du zwei Rollen parallel entwickelt, die dann erst im Laufe des Films zunehmend miteinander verschmelzen?
Josh Hartnett: Für mich war er immer eine Person. Ein wenig gilt es ja für uns alle, dass wir nicht in jeder Situation alle Seiten unserer Persönlichkeit repräsentieren. Wenn wir das täten, dann würden viel mehr Leute bei der Arbeit heulen. Stattdessen behalten wir Dinge für uns selbst, und das hier ist eben die extreme Version davon. Für mich ist Cooper ein totaler Psycho-Killer. Aber zugleich hat er ein Leben für sich entwickelt, mit dem er mitten in der Gesellschaft steht und niemand ihn so richtig bemerkt. Vielleicht ist es für ihn sogar ein wenig zu einfach und womöglich bringt er deshalb den Schmuck seiner Opfer als Geschenk mit nach Hause, um ein wenig mit dem Feuer zu spielen. Und dann, mitten während des Konzerts, muss er damit klarkommen, dass seine zwei Welten plötzlich miteinander kollidieren. Seine Fassade bekommt erste Risse, er will auf keinen Fall, dass seine Tochter etwas davon mitbekommt. Zugleich fühlt er sich aber auch geehrt, denn er ist ein totaler Narzisst: „All dieser Aufwand hier nur für mich? Großartig!“
FILMSTARTS: Es gibt eine Szene, die die beiden Welten für mich besonders gut auf den Punkt bringt: Cooper steht vor der Konzertbühne – links von ihm seine begeisternd kreischende Tochter, rechts ein möglicher Ausweg aus seiner Bredouille. Und jedes Mal, wenn er den Kopf von einer Seite zur anderen dreht, ändert sich seine komplette Mimik, von liebevoll-stolz zu eiskalt-berechnend. Ist das für dich etwas technisches, wo du alles vorab einstudierst, oder folgst du einfach deiner Intuition?
Josh Hartnett: Intuition. Wenn ich drehe, ist es immer intuitiv. Ich hoffe, dass ich all die nötige Charakterarbeit bereits im Vorfeld erledigt habe, sodass ich dann im Moment selbst einfach nur noch reagieren kann. Da ist dann im Augenblick der Dreharbeiten nichts Geplantes mehr, es soll möglichst natürlich kommen. M. Night hat mir schon früh gesagt, dass ich eher wie ein Theaterschauspieler arbeite, mehr dem Moment folge, statt etwas mit aller Kraft zu forcieren.
FILMSTARTS: M. Night Shyamalan absolviert berühmterweise in jedem seiner Filme einen Cameo-Auftritt, und so nun auch in „Trap“. Du musst seiner Figur eine besonders abgründige Lüge erzählen, wahrscheinlich ist das sogar der bösartigste Moment des ganzen Films. Wie war das Zusammenspiel mit deinem Regisseur?
Josh Hartnett: Ja, es scheint so leicht für Cooper, einfach jemandem vorzulügen, dass seine Tochter Leukämie hat. Als wir den Film mit einem Publikum in New York gesehen haben, haben sich die Leute weggeschmissen vor Lachen, weil der Moment einfach so total drüber ist. Es macht aber auch einfach Spaß, mit M. Night zu arbeiten, weil er es versteht, den Humor der Szene, er hat sie schließlich geschrieben.
FILMSTARTS: Du sprichst von der Premiere in New York. Ich glaube, gerade bei einem Film wie „Trap“ konnte sich vorab niemand zu 100 Prozent sicher sein, wie das Publikum in bestimmten Situationen reagieren wird. Gab es Momente, wo du von den Reaktionen der Zuschauer*innen besonders überrascht wurdest?
Josh Hartnett: Quasi von Beginn an. Als sich die ersten Risse in Coopers Fassade aufgetan haben und seine dunkle Seite zum Vorschein kam, sind die Leute regelrecht ausgerastet. Aber ich war sowieso die ganze Premiere über so nervös, dass ich kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Ich sehe mich selbst eh schon ungern, und dann auch noch mit einem solch großen Publikum: Was passiert, wenn die Performance nicht funktioniert? Es ist etwas total anderes, einen Film wie „Trap“ alleine oder in der Gruppe zu sehen – die Leute lassen sich von der Energie des Films mitreißen. M. Night ist eben der letzte arbeitende Regisseur, der große Filme mit großen Kinostarts dreht, die jedes Mal wieder komplett originell sind. Natürlich ist es einfacher, nur noch mehr Sequels und IP-Verfilmungen zu drehen. Da weiß jeder, was er zu erwarten hat. Aber bei „Trap“ weiß niemand, was genau auf ihn zukommt, und das macht für mich den Spaß aus!
„Trap: No Way Out“ läuft ab dem 1. August 2024 in den deutschen Kinos. Und mit Regisseur M. Night Shyamalan, der seine Projekte schon seit einer ganzen Zeit vollständig aus eigener Tasche zahlt, um eine größtmögliche kreative Freiheit zu genießen, haben wir ebenfalls ein umfangreiches Interview geführt:
"Ich will Dinge tun, die noch niemand probiert hat": Das große FILMSTARTS-Interview mit "Trap"-Regisseur M. Night Shyamalan