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    Streaming-Tipp: Einer der außergewöhnlichsten Fantasy- und Monsterfilme der letzten 15 Jahre
    Oliver Kube
    Oliver Kube
    -Freier Autor und Kritiker
    Oliver Kube ist seit den 1990ern als Journalist/Kritiker in Sachen Film, TV, Musik, Literatur & Technik tätig. Für FILMSTARTS schreibt er seit 2018.

    Ihr findet das in Horrorfilmen einst so beliebte Found-Footage-Genre mittlerweile langweilig? Das geht FILMSTARTS-Autor Oliver Kube genauso – mit einer Ausnahme: Dieses humorvoll-spannende Fantasy-Monster-Abenteuer kann er sich immer wieder ansehen.

    Nach diversen „Blair Witch“-, „[REC]“-, „Paranomal Activity“-Parts und ihren Nachahmern ist die Luft aus der Found-Footage-Chose längst raus. Auch hält sich für mich der „Re-Watch“-Wert dieser Filme in sehr geringen Grenzen. Einen einzigen Found-Footage-Film gibt es allerdings, den ich mit großem Vergnügen immer wieder ansehe: Die Fantasy-Mockumentary „Troll Hunter“ von 2010 ist so einfallsreich, so – im besten Sinne – eigenartig und dazu umwerfend witzig, dass ich sie euch dringend ans Herz legen möchte.

    „Troll Hunter“ ist aktuell leider bei keinem der gängigen Streaming-Services im Flatrate-Programm enthalten. Für ein paar wenige Euro ist er aber bei unter anderem Apple TV, MagentaTV, GooglePlay oder Amazon Prime Video als Video-on-Demand zum Leihen oder Kaufen zu haben:

    Selbst wenn ihr „Troll Hunter“ bereits kennen solltet, fallen euch vermutlich selbst beim wiederholten Ansehen stets neue Feinheiten oder kleine Scherze in diesem kreativ gemachten und clever geschriebenen Film auf. Als Bonus wird für die Skandinavien-Liebhaber unter uns die faszinierende norwegische Landschaft mit jeder Menge Wald und monumentalen Bergen authentisch präsentiert – ergänzt durch die augenzwinkernd und doch treffend porträtierte, trockene Exzentrizität ihrer Bewohner. Letztere beinhaltet die nordische Mythologie mit für Außenstehende kurios anmutenden Riten und Fabelwesen, die bis heute den Alltag vieler Menschen dort zumindest mitbestimmt.

    Universal Pictures.
    Zwei der großen Attraktionen von "Troll Hunter": eines der Monster und die atemberaubende Landschaft in der sie sich bewegen.

    Darum geht es in "Troll Hunter":

    Eine norwegische Filmfirma veröffentlicht ein anonym eingeschicktes Video, das mit einer Handkamera gedrehtes Rohmaterial beinhaltet. Dieses ist offenbar von den Filmstudent*innen Thomas (Glenn Erland Tosterud), Johanna (Johanna Mørck) und Kalle (Tomas Alf Larsen) erstellt worden: Im Auftrag seiner Universität versucht das Trio für eine Doku einen angeblichen Bärenwilderer aufzuspüren, der in den abgelegensten Ecken des Landes sein Unwesen treibt. Wie ihnen lokale Jäger*innen berichten, gibt es im Umfeld der hier immer wieder aufgefundenen Tierleichen einige verdächtige Ungereimtheiten.

    Als die drei den Mann endlich gefunden haben, erleben sie eine riesige Überraschung. Denn Hans (Otto Jespersen) behauptet, von der Regierung angestellt zu sein. Er wäre ein Art Wildhüter, der die Grenzen der in menschenleeren Regionen errichteten Troll-Reservate überwacht und ausbrechende Exemplare erlegen müsse. Und zwar bevor die Bevölkerung von ihrer Existenz Wind bekommen und in Panik ausbrechen könne. Zunächst machen sich die jungen Leute über Hans lustig, halten ihn für einen Spinner. Doch dann stürmt plötzlich eines der von ihm beschriebenen riesigen Ungetüme aus dem Wald …

    Eine Hommage an klassische Monsterfilme

    Die Auseinandersetzungen des Jägers mit den hier streckenweise tatsächlich real wirkenden Fabelwesen machen filmisch einiges her und sehen teilweise wirklich spektakulär aus. Vor allem, wenn man bedenkt, dass den Machern hier nur ein Bruchteil des Budgets ihrer Kolleg*innen von US-Blockbustern zur Verfügung stand.

    Die Trolle sind in ihrer Vielfalt – es gibt diverse Spezies, dreiköpfig, reine Höhlenbewohner, von groß bis gigantisch, von harmlos und tölpelhaft bis extrem aggressiv. Obwohl sie ganz modern am Computer animiert wurden, erinnert die visuelle Umsetzung angenehm an klassische Monsterfilme. Die Optik und die Bewegungen der Kreaturen sind klar von den Schöpfungen des legendären Spezialeffekte-Gurus Ray Harryhausen („Das Grauen aus der Tiefe“, „Kampf der Titanen“) inspiriert.

    Universal Pictures
    Der coolste Typ von ganz Norwegen: Trolljäger Hans (Otto Jespersen)

    Eine Absurdität jagt die nächste

    Was mir schon damals auf der großen Leinwand am meisten Freude bereitet hat, waren die vielen liebevoll eingebauten Gags am Rande. Etwa das detailliert angeordnete Behördenformular, das Hans nach jeder Begegnung mit einer der Kreaturen auszufüllen hat. Man muss kein Norwegisch können, um die meisten der schrägen Punkte sofort zu verstehen.

    Auch im weiteren Verlauf übertrifft sich „Troll Hunter“ mit seinen kleinen und größeren Absurditäten mehrfach selbst. So reicht es nicht aus, dass Hans, um eine besonders seltene Troll-Untergattung anzulocken, ein paar blökende Ziegen auf einer Brücke im Wald als Köder anbindet. Er muss zudem noch einen Eimer Menschenblut auf dieser verschütten. Aber längst nicht irgendein Blut – es soll ausdrücklich der Lebenssaft gläubiger Christen sein. Ein Umstand, der zum Finale noch eine wichtige Rolle spielen wird.

    Damals wie heute sehe ich während solcher Comedy-Einschübe immer wieder den Regisseur und Autor des Films, André Øvredal („Scary Stories To Tell In The Dark“), vor mir. ich stelle mir vor, wie er sich beim Schreiben des Skripts vor Freude über einen weiteren gelungenen Scherz dieser Art kringeln musste. Eine Reaktion, die sich – zumindest bei mir – 1:1 auf den Zuschauer überträgt.

    Das Unglaubliche wirkt plausibel

    Trotz der einfallsreich gestalteten Trolle, der jeweils mit realistischen Charakterzügen ausgestatteten Studenten und eines von Hans Morten Hansen („Curling King“) schön zwielichtig verkörperten Regierungsbeamten, kann es nur einen Star des Films geben: Es handelt sich natürlich um den von Otto Jespersen („Asphalt Burning“) in seiner ersten Hauptrolle gespielten Titelhelden. Das nüchterne, oft extrem wortkarge, aber komplett selbstverständliche Auftreten des in seiner Heimat regelmäßig mit kontroversen Aktionen auf sich aufmerksam machenden Komikers ist einfach perfekt für den Part.

    Besonders befriedigend ist zudem die Integration realer Fakten in die abgefahrene Story. So verkauft uns Øvredal die auch in der echten Welt und selbst in entlegenen, menschenleeren Gegenden durchlaufenden Hochspannungsleitungen als Zäune, die die Trolle in ihren Reservaten halten sollen. „Die Bauern hassen die Dinger; ebenso das nationale Tourismusbüro“, lässt er Thomas im Voiceover zu einer Landschaftsszene feststellen. Gefolgt von der Ergänzung, dass Hans hingegen sie richtig schön fände.

    Wann immer ich mich seit dem ersten Genuss des Films in einem der nordischen Länder aufhalte und irgendwo einen Hochspannungsmast erspähe, muss ich automatisch an „Troll Hunter“ denken und lächeln. Kurz danach schaue ich mich aber auch erst einmal ausführlich um; nur um sicher zu gehen, dass nicht doch ein Troll hinter mir aus dem Wald kommt, der mich fressen will. Und dabei bin ich nicht einmal christlichen Glaubens …

    TV-Tipp: Dieser Fantasy-Horror mit Johnny Depp und einem "Wednesday"-Star sorgte für einen FSK-Skandal

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    Dies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.

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