Große Geschichten und komplexe Figuren brauchen oft ganz einfach Zeit, um sich zu entfalten – sei es nun ein Gangster-Epos wie „Es war einmal in Amerika“, ein spektakuläres Fantasy-Abenteuer wie „Der Herr der Ringe“ oder Superhelden-Showdowns wie „Avengers 4: Endgame“. Bei diesen Filmen kann man allein aufgrund ihrer Laufzeit auch schon mal für ein paar Sekunden wegdriften, egal wie gut man sie am Ende findet. Bei „The Wolf Of Wall Street“ ist das irgendwie anders.
Das für fünf Oscars nominierte Biopic von Meister-Regisseur Martin Scorsese („GoodFellas“, „Taxi Driver“) entwickelt bereits mit der ersten Szene einen unfassbaren Drive, dem man sich kaum entziehen kann – und hat einen der zügellose Mix aus Drogen, Sex und Geld erst einmal berauscht, dauert es auch die vollen 180 Minuten, bis sich irgendwann mal langsam Ernüchterung einstellt. Ich sitze jedenfalls selbst nach mehrmaligem Schauen immer wieder ganz verdutzt da – das sollen wirklich drei Stunden gewesen sein? Unmöglich!
„The Wolf Of Wall Street“ ist in Sachen Kurzweiligkeit kaum zu übertreffen. Wer dem Film bislang womöglich gerade wegen seiner üppigen Laufzeit aus dem Weg gegangen ist, sollte dieses Meisterstück der Kino-Unterhaltung unbedingt noch nachholen. Auf Netflix habt ihr allerdings nur noch bis zum 9. Juli die Gelegenheit dazu, dann verschwindet der Film von der Plattform.
Alternativ könnt ihr auf RTL+* und WOW* ausweichen, wo der Film im Streaming-Abo enthalten ist.
DiCaprio & Scorsese in Bestform
Wie eine Studie im Jahr 2016 ergab, hielt sich Martin Scorsese mit seinem Film über den Anlagebetrüger Jordan Belfort zu knapp 75 Prozent an die Wahrheit – das ist mehr als etwa bei Clint Eastwoods „American Sniper“ oder Tom Hoopers „The King’s Speech“.
Dass das 3-Stunden-Biopic über den zwielichtigen Börsenmogul trotzdem nie trocken wird und eher einem wilden Ritt in einer Achterbahn gleicht, liegt vor allem auch an Scorseses Ansatz, die Abzock-Satire hemmungslos zu überzeichnen – und natürlich auch an einer ganzen Reihe von wahnwitzigen Szenen, die einfach nachhaltig im Gedächtnis bleiben. Andere Filmemacher wären froh, nur eine Sequenz solchen Kalibers in ihrer Geschichte zu haben.
Angefangen von Jonah Hills strahlend weißem Gebiss bis hin zur großartigen Margot Robbie, deren Baby-Cam-Szene direkt zum Meme-Kult wurde, wusste Scorsese seinen durch die Bank famosen Cast außerdem auch einfach verdammt gut einzusetzen – und dabei nicht nur total irre Geschehnisse wie die Helikopterlandung im eigenen Garten humorvoll zu inszenieren, sondern selbst schockierende Ereignisse wie etwa einen Selbstmord mit einer unglaublichen Lockerheit zu erzählen, die einen köstlich amüsiert. Bis man mal kurz nachdenkt und einem bewusst wird: Da ist gerade ein Typ abgekratzt!
Und genau das macht „The Wolf Of Wall Street“ aus: Der Film erzählt die eigentlich schreckliche Geschichte eines schrecklichen Menschen, bei der unzählige Menschen auf verschiedenste Weisen zu Schaden kamen – nur hat man eben gar keine Zeit, sich darüber einen Kopf zu machen. Während Scorsese den selbstgefälligen Titelhelden bis zum Exzess und darüber hinaus inszeniert, trägt vor allem auch die Spiellaune von Leonardo DiCaprio dazu bei, dass einen „The Wolf Of Wall Street“ so spielerisch um den Finger wickelt, dass man es noch nicht mal merkt.
Mein Fazit:
„The Wolf Of Wall Street“ ist ein Film wie ein ungezügelter Rausch, der einen den Ernst der Lage einfach mal vergessen lässt und der besonders dann einen Heidenspaß macht, wenn man sich ihm einfach hingibt – der Realitäts-Kater kommt ohnehin früh genug (nämlich spätestens dann, wenn der Abspann läuft). Bis dahin ist „The Wolf Of Wall Street“ für mich allerdings der unterhaltsamste 3-Stunden-Film, den es gibt!
Wie Leonardo DiCaprios persönliche Geschichte mit Batman verlief, könnt ihr indes im folgenden Artikel nachlesen:
"So arbeiten wir nicht": Leonardo DiCaprio sollte Batman-Bösewicht spielen – doch Christopher Nolan war dagegenDies ist eine aktualisierte Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.