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    "Sie haben den Film in der Luft zerrissen": Nach diesem 3-Stunden-Epos wollte einer der größten Regisseure aller seine Karriere beenden
    Michael Bendix
    Michael Bendix
    -Redakteur
    Schaut pro Jahr mehrere hundert Filme und bricht niemals einen ab. Liebt das Kino in seiner Gesamtheit: von Action bis Musical, von Horror bis Komödie, vom alten Hollywood bis zum jüngsten "Mission: Impossible"-Blockbuster.

    David Lean schuf 3 Kino-Epen hintereinander, die bei Kritik und Publikum gleichermaßen erfolgreich waren und insgesamt 19 Oscars gewannen. Doch sein nächster Film wurde so negativ aufgenommen, dass er seine Karriere an den Nagel hängen wollte...

    Warner Bros.

    David Lean war zweifellos einer der größten Regisseure überhaupt. Seinen ersten großen Erfolg in Großbritannien hatte er 1945 mit dem Melodram „Begegnung“ (das der Autor dieser Zeilen zu seinen absoluten Lieblingsfilmen zählt), bekannt ist Lean aber vor allem für drei legendäre Epen, die zwischen 1957 und 1965 direkt hintereinander entstanden sind: „Die Brücke am Kwai“, „Lawrence von Arabien“ und „Doktor Schiwago“.

    Die Messlatte lag im Anschluss denkbar hoch: „Die Brücke am Kwai“ war nicht nur der umsatzstärkste Film des Jahres, sondern gewann auch sieben Oscars, darunter für den Besten Film und die Beste Regie. „Lawrence von Arabien“ war in kommerzieller Hinsicht zwar nicht ganz so erfolgreich, konnte aber ebenfalls sieben Academy Awards einstreichen – davon ebenfalls je eine Statue in den beiden Königskategorien. „Doktor Schiwago“ erhielt bei 10 Nominierungen zwar „nur“ fünf Oscars, und das vor allem in Nebenkategorien – dafür zeichnete David Lean erneut für den größten Kassen-Hit des Jahres verantwortlich.

    Nach diesem Hattrick hatte David Lean endgültig den Status einer lebenden Regie-Legende inne. Dementsprechend hart hat es ihn getroffen, als er mit seinem nächsten 3-Stunden-Werk nicht mehr an diese Höhen anknüpfen konnte...

    "Ryans Tochter" wurde von der Kritik zerrissen

    1970 drehte Lean mit Robert Mitchum („Die Nacht des Jägers“) und Sarah Miles („Blow Up“) das lose an Gustave Flauberts „Madame Bovary“ angelehnte romantische Drama „Ryans Tochter“. Vor dem Hintergrund des irischen Aufstandes gegen die englischen Kolinialherren im Jahr 1916 erzählt der Film von der tragischen Liebe zwischen einer verheirateten irischen Frau und einem britischen Offizier.

    Mit einem Einspielergebnis von 31 Millionen US-Dollar konnte sich „Ryans Tochter“ immerhin auf dem achten Platz der Jahrescharts platzieren, womit er sicherlich kein Misserfolg war. Auch bei den Oscars ging er nicht leer aus: John Mills bekam eine Trophäe als Bester Nebendarsteller, daneben wurde Leans Stamm-Kameramann Freddie Young prämiert.

    Doch die Kritiker*innen gingen hart mit dem Film ins Gericht: Kritiker-Papst Roger Ebert war nur einer von vielen Rezensenten, die das Drehbuch und die Figurenzeichnung bemängelten. Gene Siskel von der Chicago Tribune schrieb etwa: „Schlechte Besetzung, eine schwerfällige Regie […] und leere Charaktere machen ‚Ryans Tochter‘ zu einer epischen Enttäuschung.“

    Auch Pauline Kael lehnte den Film ab und gab im New Yorker zu Protokoll: „Es gibt keine künstlerische oder moralische Begründung für diesen Film – nur Zweckmäßigkeit. Die Leere von ‚Ryans Tochter‘ zeigt sich praktisch in jedem Bild.“

    So hart wurde David Lean von den negativen Reaktionen getroffen

    David Lean war von den mehrheitlich negativen Reaktionen derart vor den Kopf gestoßen, dass er kurz davor war, seine Regie-Karriere vorzeitig an den Nagel zu hängen: „Sie haben den Film einfach in Stücke gerissen“, erinnerte er sich in einem Gespräch mit Moderator Melvyn Bragg. „Das hatte wirklich mehrere Jahre lang einen schrecklichen Effekt auf mich. Man beginnt zu denken, dass sie vielleicht Recht haben. Warum in aller Welt mache ich Filme, wenn ich es nicht muss? Das erschüttert das Selbstvertrauen ungemein.“

    Tatsächlich drehte der „Traum meines Lebens“-Schöpfer 14 Jahre lang keinen weiteren Film, bis er es schließlich doch noch einmal wagte: Mit „Reise nach Indien“ kam im Jahr 1984 seine letzte Regiearbeit in die Kinos, die größtenteils begeistert aufgenommen wurde.

    Zu dieser Zeit hatte Lean übrigens mehrere Projekte im Blick, zu denen auch ein Abenteuerfilm gehörte, bei dem er die Regie aber schließlich an Roger Donaldson abgab. Warum sowohl Mel Gibson als auch Anthony Hopkins mit dem Ergebnis unzufrieden waren, erfahrt ihr im folgenden Artikel:

    "So eine verpfuschte Arbeit": Diesen starbesetzten Abenteuerfilm hält Anthony Hopkins für ein "trauriges Durcheinander"
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