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    Alles Lug und Trug: Donald Duck wird heute gar nicht 90 – und klingt auch nicht wie eine Ente!
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Für Sidney besteht kein Zweifel: Donald Duck ist die beste Schöpfung in der Geschichte der Fiktion. Ob als Comic-, Kurzfilm- oder Langfilm-Held.

    Alles Gute zum Leinwand-Jubiläum, Donald Duck! Der beliebte Wüterich im Matrosenanzug macht die Welt bereits seit den 1930er-Jahren zu einem schöneren Ort. Und er ist nicht nur älter, als die meisten denken – sein Quaken ist ganz und gar unentlich.

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    Der Verfasser dieses Artikels ist sich sicher: Donald Fauntleroy Duck ist die Krönung der Fiktion. Doch selbst, wenn man für den cholerischen Matrosenanzugträger nicht exakt so viel Passion aufbringt: Es lässt sich nicht bestreiten, dass die berühmtesten Ente der Popkultur schon viele Generationen beglückte und noch viele erfreuen wird.

    Worüber sich dagegen fürstlich streiten ließe, ist das Alter dieser Ikone aus Entenhausen. Denn obwohl gerade groß Donalds „90. Geburtstag“ gefeiert wird, ist es dafür streng genommen zu spät. Und auch sein unvergessliches Schnattern ist nicht das, wofür wir es halten: Donalds Stimme war für ein anderes Tier vorgesehen!

    Es begann mit einer seltsamen Ziege

    Von seinem Matrosenanzug kann Donald Duck sich ohne Probleme lösen. Schwieriger verhält es sich mit seinen anderen Markenzeichen: Sein sprichwörtliches Pech kann er ebenso schlecht abschütteln, wie er sein Temperament unter Kontrolle kriegt. Ebenso ist seine unverkennbare Stimme mit ihm verwachsen: Ein heiseres, kratziges Genuschel. Jahrzehntelang gab es in mehreren Sprachen nur einen Mann, der dafür verantwortlich war – Clarence Nash!

    Inspiriert wurde der 1904 geborene Sohn eines Farmers aber nicht von einer Ente, sondern von einer Ziege namens Mary, die er erhielt, als er zwölf Jahre alt war. Im Wuterpel-Standardwerk „Donald Duck: 50 Jahre und kein bisschen leise“ erklärt Nash, wie sie sich als Ziegenbaby in sein Herz meckerte: „Ich musste sie mit einer Babyflasche füttern, und wenn ich aufhörte [...], schrie sie wie ein erschrecktes kleines Mädchen.“

    Das verängstigte Klagen nach Futter faszinierte Nash – und da er sich eh im Imitieren von Tierstimmen übte, beschloss er, auch Marys sonderbares „Wah, wah, wah!“ nachzumachen. Somit wurde er zum Star auf seinem Pausenhof, und als es ihm gelang, in Marys Stimme den Kinderreim „Mary hatte ein kleines Lamm“ zu rezitieren, war ihm tosender Applaus bei einer Schultalentshow sicher.

    Marys Stimme begleitete Nash noch lange nach ihrem Ableben. So trat er später als Mandolinenspieler und Komiker im Radio auf, wo er gelegentlich seine „Mary hatte ein kleines Lamm“-Nummer hervorkramte. Ebenso bespaßte er damit während seiner Tätigkeit als Milchmann ihm entgegenkommende Kinder. Als ihn Freunde überzeugten, bei den Disney-Studios vorzusprechen, erregten Nashs handelsüblichen Tierstimmen wiederum keine Reaktion.

    Er imitierte Küken, Truthähne, Hunde, Vögel – ja sogar Waschbären und Kojoten. Leider gab es für Nash keinen überwältigenden Beifall“, heißt es in „Donald Duck: 50 Jahre und kein bisschen leise“. Erst, als Nash auf seinen bewährten Klassiker zurückgriff, leuchteten die Augen seines Gegenübers – wer genau es war, ist nach jahrzehntelanger Legendenbildung indes unklar.

    Manche Quellen sprechen von einem namentlich nicht verbrieften Castingmanager, andere wiederum von Cartoonregisseur Wilfred Jackson. Einigkeit besteht aber darin: Nashs als Ziegenmädchen gesprochener Kinderreim sorgte dafür, dass Walt Disney via Gegensprechanlage dazugeschaltet wurde. Der Produzent gesellte sich begeistert zum Vorsprechen, auch wenn Nashs Ziegengejammer vor seinem geistigen Auge ganz andere Bilder hervorrief.

    Disney proklamierte triumphal: „Das ist unsere sprechende Ente!“ Nashs erster Auftrag folgte dennoch erst rund ein Jahr später: Er wurde als freier Künstler angeheuert, um Vogelgeräusche für einen Micky-Maus-Cartoon zu machen. Wenige Monate danach, am 2. Dezember 1933, machte es das Studio endlich offiziell: Clarence Nash wurde Disneys 125. Angestellter sowie zu Donald Ducks Sprecher.

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    Im Kurzfilm „Die Kindervorstellung“ von 1934 durfte Clarence Nash erneut „Mary hatte ein kleines Lamm“ rezitieren – nun als zorniges Federvieh Donald Duck statt als verschrecktes Zicklein Mary

    Dass aus der Stimme eines Ziegenmädchens ein ungezogener Erpel wurde, nahm Nash eingangs „mit Wehmut und Vergnügen“ auf. „Er war zwar beleidigt, dass seine ,Mary‘-Stimme für eine Ente benutzt wurde, aber er freute sich umso mehr, dass er Arbeit bekam“, heißt es in „Donald Duck: 50 Jahre und kein bisschen leise“.

    Allerdings steigerte sich Nash passioniert in seine Rolle als sprechender Enterich hinein und sprach ihn lange Zeit auch in vielen internationalen Synchronfassungen. Eine forderte ihn besonders heraus, wie er von D23 zitiert wird: „Aus irgendeinem Grund war Deutsch am schwersten.“

    Donald Ducks erster Auftritt liegt über 90 Jahre zurück!

    Nicht nur, dass Donalds Schnattern das Gejammer einer Ziege sein sollte – auch sein großer Ehrentag ist nicht das, was er zu sein scheint: Zwar wird der 9. Juni 1934 als Geburtstag des Wüterichs zelebriert. Doch dieses Datum wird mehr aus Gewohnheit gefeiert und weniger, weil es den Fakten entspricht.

    Es stimmt, dass United Artists, Disneys einstiger Vertriebspartner, in seinen Unterlagen den 9. Juni 1934 als Veröffentlichungstermin des ersten Donald-Cartoons „Die kluge kleine Henne“ nennt. Allerdings ereignete sich die erste (verbuchte) öffentliche Vorführung von „Die kluge kleine Henne“ laut Cartoon Research bereits am 3. Mai 1934.

    Und der allererste Auftritt von Donald Duck liegt mittlerweile 93 Jahre zurück: Er kam anno 1931 im Kinderbuch „The Adventures Of Mickey Mouse“ vor, in dem er als einer von Mickys Bauernhof-Kumpanen benannt wird – und eher bayerisch-ländlich angehaucht aussah als maritim!

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    Donald Duck anno 1931: So hat er es nicht zum großen Ruhm gebracht!

    Das dürfte erklären, weshalb Walt Disney beim Klang einer ungewöhnlich meckernden Ziege an einen Erpel dachte: Die Idee, Micky Maus einen schnatternden Weggefährten an die Seite zu stellen, kursierte bereits, bevor Clarence Nash durch die Eingangstür der Disney-Studios schritt.

    Es benötigte nur noch die richtige Kombination aus Tier und einprägsamer Stimme, um ein bis heute nachhallendes Kreativecho in Gang zu setzen. In diesem Sinne: Alles Gute, du zickiger Erpel mit gestaffeltem Geburtstag! Auf die nächsten 90+ Jahre!

    Habt ihr euch eigentlich schon mal gefragt, warum Goofy sprechen kann, Pluto aber nicht? Die Antwort bekommt ihr im folgenden Artikel:

    Warum kann Goofy eigentlich sprechen und Pluto nicht? Synchronsprecher löst eines der größten Disney-Mysterien

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