Vor etwa einem Jahr feuerte Oscar-Preisträger Damien Chazelle in „Babylon“ mit einem Superstar-Ensemble ein Feuerwerk der Passion für vergangene Kino-Epochen ab. Damit reihte er sich in eine lange Riege an Filmschaffenden ein, die ihrem Publikum aufzeigen, dass Filme nicht erst mit der Einführung einer synchronen Tonspur zu purer Magie wurden.
Rund 30 Jahre vor dem exzessiv-wild-lauten „Babylon“ näherte sich ein deutscher Film viel leiser und ehrfürchtiger, aber mit vergleichbarer Passion diesem Thema. Doch erst jetzt gibt es ihn in ansprechender fürs Heimkino: Diese Woche ist „Der Kinoerzähler“ erstmals auf Blu-ray erschienen!
Parallel zur HD-Heimkino-Premiere des Dramas gibt's eine DVD-Neuauflage*. Die war längst überfällig, denn bisher war „Der Kinoerzähler“ ausschließlich in einer 2011 veröffentlichten Sammelbox verfügbar. Die ist jedoch schon seit Jahren nur noch gebraucht zu hohen Preisen erhältlich. Und falls ihr „Der Kinoerzähler“ nicht auf Disc benötigt: Er ist auch als VOD via Amazon Prime Video* verfügbar.
"Der Kinoerzähler": Bevor die Bilder von alleine sprachen
Im kleinen Apollo-Lichtspieltheater hat der Kinoerzähler (Armin Mueller-Stahl) einen selbsterklärenden Beruf: Er verleiht den stummen Filmen eine Stimme. Er spricht aber nicht nur die Texte, sondern untermalt das Geschehen auch Geige spielend mit eigener Musik.
Doch als die 1930er-Jahre hereinbrechen, wird nicht nur sein berufliches Leben bitter umgekrempelt: Der Tonfilm ist da und macht seine Profession überflüssig. Zudem macht die Weimarer Republik allmählich Platz für den Faschismus – den er vorerst naiverweise als Rettung für seine Passion missversteht...
Regisseur Bernhard Sinkel, der zuvor dem Neuen Deutschen Film mit seinem Kino-Regiedebüt „Lina Braake oder Die Interessen der Bank können nicht die Interessen sein, die Lina Braake hat“ einen denkwürdig betitelten Kassenerfolg bescherte, verfasste bei diesem Drama auch das Drehbuch. Das basiert wiederum auf einem Roman des mehrfach ausgezeichneten Schriftstellers Gert Hofmann.
In Hofmanns Vorlage ist der Untergang des Stummfilms eine vordergründige Tragödie. Hinzu kommt eine unterschwellige, intensive Tragik um die Hauptfigur, die als liebevoller Kauz etabliert wird, sich aber letztlich als bedauerliche Figur abzeichnet, die sich vom Stummfilm abhängig macht, um sich die Welt zu erklären. Diesen charmante Sprüche klopfenden, doch begriffsstutzigen Typ lernen wir wiederum durch die Augen des Erzählers kennen – seinen Enkel.
In Sinkels Adaption bleibt der Enkel eine relevante Figur, und die dramatischeren Seiten der Titelfigur werden nicht getilgt. Jedoch werden sie dezenter, weshalb die kritischen Passagen, in denen sie kurzzeitig mit dem NS-Regime sympathisiert, mit ihrer mangelnden Drastik sauer aufstoßen können.
Dass Sinkel gleichwohl die Titelfigur noch stärker als im Roman in den Fokus rückt, und der Kinoliebe viel mehr Gewicht gibt, ist aber vollauf nachvollziehbar: Der Regisseur verschob den Fokus der Geschichte getreu des Medienwechsels von Buch zu Film und erzeugt eine intensive, magische Hommage an die Kraft der Bilder und des gemeinschaftlichen Kino-Aspekts.
Das ist zwischendurch zwar leicht spießig, oft aber authentisch passioniert – und findet einen Dreh ins Mahnende: „Der Kinoerzähler“ wird auch zu einem Film darüber, wie fatal es ist, sich passiv hinzugeben, statt die Kulturtechnik Kino dafür zu nutzen, sich weiterzuentwickeln.
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