2008 sollte „96 Hours“ das klassisch-niedertriebige Vergeltungskino à la Charles Bronson („Ein Mann sieht rot“) zurück ins Leben rufen – und damit eine bis heute anhaltende Welle von Rache-Thrillern lostreten, die mal mehr, mal weniger packende Genre-Vertreter vorzuweisen hat. Was „96 Hours“ noch heute so stilprägend wie effektiv gestaltet, ist seine zielgerichtete Kaltschnäuzigkeit. Liam Neeson walzt durch Paris und legt alles um, was sich seiner von Rachedurst angetriebenen Rettungsmission in den Weg stellt. Punkt.
Falls ihr genau an dieser unbarmherzigen Geradlinigkeit Gefallen gefunden habt, solltet ihr euch unbedingt „Catch The Fair One – Von der Beute zum Raubtier“ anschauen. Der ungekünstelte Rache-Thriller mit der großartigen Kali Reis (die zuletzt in der vierten Staffel „True Detective“ an der Seite von Jodie Foster glänzte) in der Hauptrolle lief 2023 im Kino. Die Beachtung, die sich der Film verdient hätte, wurde ihm hier aber leider nicht zuteil. Höchste Zeit also, ihn so schnell es geht nachzuholen. Aktuell könnt ihr das im Abo von Amazon Prime Video.
Darum geht’s in "Catch The Fair One"
Kaylee (Kali Reis) hat als Boxerin in ihrer Blütezeit durch ihre Explosivität für Angst und Schrecken im Ring gesorgt. Die amerikanische Ureinwohnerin war aber nicht nur wegen ihrer Gewalttätigkeit gefürchtet, sondern auch aufgrund ihrer eisernen Disziplin. Diese hat sie sich über Jahre angeeignet und machte sie so nicht nur für viele ihrer Gegnerinnen unüberwindbar, sondern führte sie am Ende auch zum Weltmeistertitel.
Inzwischen ist Kaylee im Ruhestand, doch der schwerste und wichtigste Kampf ihres Lebens steht ihr noch bevor: Sie muss sich in einen gefährlichen Menschenhändlerring einschleusen, um die Entführer ihrer Schwester schnellstmöglich aufzuspüren. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, bei dem Kaylee die Kampferfahrungen aus ihrem Dasein als Profisportlerin nur zu gut gebrauchen kann...
Roh & ungefiltert
Dass sich Liam Neesons Rachefeldzug in „96 Hours“ so ungemein unterhaltsam gestaltet, lag auch daran, dass es hier offenbar keine moralischen, administrativen oder gesetzlichen Einschränkungen zu geben scheint, die seinem Bryan Mills irgendwie den Wind aus den Segeln nehmen könnten. Stattdessen darf diese Abrissbirne auf zwei Beinen überall dort wüten, wo es nach roher Gewalt verlangt. „Catch The Fair One“ ist, wie gesagt, ähnlich zielgerichtet-konsequent wie der längst zum Genre-Klassiker avancierte „96 Hours“, entfaltet das aber in einem anderen Kontext.
Regisseur und Drehbuchautor Josef Kubota Wladyka setzt auf eine grimmige Nüchternheit, die zu einem durch und durch realitätsnahen Naturalismus führt. Die Welt, in der „Catch The Fair One“ spielt, ist die unsere, obgleich das Geschehen natürlich auch dem vertrauten Genre-Regelwerk unterliegt. Allerdings ist Kali Reis' Pfad der Rache ein deutlich zermürbender, weil sie nicht der Übermensch ist. Drei gezielte Handgriffe reichen eben nicht immer aus, um sein Gegenüber aus dem Weg zu räumen. Da geht es dann vielmehr darum, wer einfach mehr Schmerz ertragen kann.
Die wahre Sensation dieser mit 80 Minuten Laufzeit angenehm knackig bemessenen Genre-Perle ist ohne Frage Hauptdarstellerin Kali Reis. Durch ihre schiere, oftmals naturgewaltig-einschüchternde Präsenz reißt sie jede Szene an sich. Dabei ist aber nicht nur die drahtig-muskulöse Physis gemeint. Reis ist auch in der Lage urwüchsige, hintergründige Emotionen zum Ausdruck zu bringen und das zuvorderst durch subtile Gesten und eindringliche Blicke, die mehr sagen, als 1000 Worte. In einer gerechten Welt würde es jedenfalls nicht mehr allzu lange dauern, bis mehr Leute erkennen, dass sie DER weibliche Action-Star unserer Zeit ist (und auch hochkarätige Filmprojekte mit ihr folgen).
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