Wieso mit den Themen eines Filmes hinterm Berg halten, wenn man sie auch nachdrücklich und nervenaufreibend dem Publikum (und der Hauptfigur) ins Gesicht reiben kann? Der Folk-Horror „Men - Was dich sucht, wird dich finden“ von Regisseur Alex Garland behandelt Schuldgefühle und Traumata, vor allem aber dreht sich der visuell sowie klanglich extrem eindringliche Horror-Thriller um eines: Männer. Übergriffige Männer, das Frauen erstickende Patriarchat, und Jahrhunderte an männlich gesteuerten, verwachsenen Strukturen, die Männer in schädliche Rollen und Frauen in unbequeme Lagen drängen.
Das klingt so zusammengerafft vielleicht überoffensichtlich und moralinsauer, ist jedoch in Garlands Umsetzung wahrlich unvergessliches Horrorkino geworden. Leider ging der aufregende Film an den Kinokassen brutal unter – global nahm er weniger als zwölf Millionen Dollar ein! Nun besteht jedoch Hoffnung, dass er sich endlich sein Publikum erschließt: Ab sofort ist „Men“ bei Amazon Prime Video im Abo enthalten!
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"Men": Trauma, Kerle und traumatisierende Kerle
Erst kürzlich hat Harper (Jessie Buckley) in ihrer Heimat London einen grauenhaften Vorfall durchgemacht – nun muss dringend Urlaub her! Also fährt sie allein in die Idylle der englischen Provinz, wo sie ein altes Herrenhaus mietet. So bildschön die Landschaft auch sein mag, verderben die sonderbaren Herren des Ortes (allesamt gespielt von Rory Kinnear) ihr alsbald jegliche Aussicht auf Seelenbalsam. Als Harper auch noch von einem nackten Mann verfolgt wird, kommen all ihre Ängste wieder hoch...
Alex Garland hält mit den Themen seines Films nicht zurück – ein Horrorthriller namens „Men“, in dem die weibliche Hauptfigur wenige Minuten nach Beginn genüsslich in einen Apfel beißt, gibt schon sehr deutlich eine Richtung vor. Allerdings ist „Men“ nicht etwa platt und monoton, sondern in seiner Deutlichkeit zugespitzt sowie umfassend:
Was auf Storyebene eine mitreißend erzählte Geschichte einer Frau ist, die im Urlaub vor sattgrün-hübscher Kulisse verfolgt, bedrängt und nicht ernst genommen wird, ist auf thematischer Ebene deutlich facettenreicher. Garland nutzt ein Dauerfeuer an symbolisch aufgeladenen Bildern und doppelbödigen Interaktionen zwischen Harper und den Titelfiguren, um die Ursprünge dessen, was Harper plagt, aus zahlreichen Blickwinkeln und Argumentationslinien zu erörtern.
Das mündet in ein Ende, das in seiner Konsequenz und Kompromisslosigkeit selbst unter Horror-Fans äußerst kontrovers diskutiert wurde (und sicher noch für lange Zeit diskutiert wird). Aber das heißt nicht, dass man nach „Men“ zwingend mit anderen Filmfans einen Stuhlkreis bilden und sämtliche Interpretationsansätze ausdiskutieren muss:
„Men“ ist dank einer ausdrucksstarken, dabei dennoch nuanciert spielenden Jessie Buckley, zahlreichen auf unterschiedliche Weise abstoßenden Rory Kinnears und seiner unterschwellig beunruhigenden Bildsprache vor allem ein Nervenkitzel-Trip. Ein Trip über Traumata, eingeredete Schuld und belastende Menschen, der sein Publikum erschöpft und dezent genervt zurücklässt. Und das ist hier als Kompliment gemeint: Nach „Men“ fühlt man sich der Protagonistin ganz nah, und zwar nicht so, wie Rory Kinnear, Rory Kinnear und Rory Kinnear das gerne wollen!
Heute Abend streamen: Diesen bildgewaltigen Kriegsfilm von Steven Spielberg müsst ihr gesehen haben – intensiv, berührend & völlig unterschätzt!Dies ist eine überarbeitete Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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