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    Heute Abend streamen: Dieses harte Boxer-Meisterwerk ist noch viel besser als "Rocky"
    Monta Alaine
    Monta Alaine
    Bereits jung von ihrem Vater an Klassiker wie "Taxi Driver" und "Clockwerk Orange" herangeführt stand fest: Film sollte es sein. Nach diversen Stops in der Branche gilt ihre Liebe auch heute noch Hollywood-Kino à la Nolan und raffinierten Arthouse-Filmen.

    Der Boxfilm bietet seit jeher zahlreiche Möglichkeiten der filmischen Auseinandersetzung. Eine nicht immer leicht zugängliche, dafür meisterhaft inszenierte empfiehlt euch heute unsere Autorin Monta Alaine.

    Wohl kaum eine Sportart lässt sich für den Film fruchtbarer nutzen, als der Boxkampf. Bereits in den 1920er bis 1930er Jahren und später auch im Film Noir boten Boxer*innen und ihre Kämpfe einen Nährboden, um Geschichten zu erzählen: Geschichten von Boxern, die aus dem Nichts aufsteigen, nur um wieder zu fallen; Geschichten vor allem von Männern in moralischen Dilemmas. Und in Verbindung dazu wird immer auch ein Stück amerikanischer Geschichte erzählt, die der Gangster, des dreckigen Geldes, das da durch den Ring fließt.

    Der Kampf selbst dient dabei der Dramaturgie gleichwohl wie dem Schauwert: Die Zuschauenden steigen quasi mit in den Ring und sind hautnah dabei, wenn sich jemand die Nase zertrümmern lässt. Die meiste Zeit eines Boxfilms ist der Boxer nicht viel mehr als sein Körper: Beim Training, beim Kampf, beim Verarzten seiner Verletzungen danach.

    Gleichzeitig birgt der Boxer über seinen Körper hinaus Reflexionsmöglichkeiten über Männlichkeit durch Einblicke in sein Privatleben. All dies vereint Martin Scorsese in seinem Boxer-Biopic „Wie ein wilder Stier” und geht virtuos darüber hinaus – indem er uns mit Jake LaMotta eine Figur vorsetzt, der man einen Triumph nur schwer gönnen möchte.

    Bis heute zählt der Film, der aufgrund seiner Gewaltdarstellung und Sprache scharf kritisiert wurde, zu den wichtigsten amerikanischen Filmen und ist bei der Liste der „Greatest American Films of all Time" des American Film Institute auf Platz 4. Aktuell könnt ihr das Meisterwerk auf Amazon Prime Video streamen.

    Ganz nah mit im Ring

    Jake LaMotta (Robert De Niro) und sein Bruder Joey (Joe Pesci) haben sich in den Kopf gesetzt, Jake zum Weltmeistertitel im Boxen zu bringen. Durch den Kontakt zum Mafiaboss Tommy Como (Nicholas Colasanto) gelingt ihm der Einstieg mittels eines Wettbetrugs. Während er im Ring immer weiter aufsteigt und 1949 den Titel erringt, wird es privat immer enger für ihn: Schon die Vorbereitung für den Kampf stellte ihn vor eine Herausforderung, da er zugelegt hatte. Seine rasende Eifersucht gegenüber seiner Frau Vickie (Cathy Moriarty) lässt den Bullen zuletzt Rot sehen und auf Frau und Bruder losgehen. Seine Karriere endet mit dem legendären Kampf gegen Sugar Ray Robinson im Jahr 1951, in dem er sich wehrlos massakrieren lässt.

    Ikonisch: De Niro als LaMotta. Twentieth Century Fox Film
    Ikonisch: De Niro als LaMotta.

    Allein der Inszenierung dieses letzten großen Kampfes wegen wäre „Wie ein wilder Stier” schon sehenswert: Viel näher, als es zur damaligen Zeit üblich war, ist die Kamera am Geschehen dran. Hier geht es in großen Nahaufnahmen Schlag auf Schlag. In schnellen Schnitten spritzt das Blut, schwillt LaMottas Gesicht bis zur Unkenntlichkeit. Neben einem Oscar für Robert De Niro für den besten Schauspieler ging eine weitere Trophäe auch an Thelma Schoonmaker für den besten Schnitt. Auf der Blu-ray findet ihr einen gemeinsamen Audiokommentar von ihr und Martin Scorsese mit noch weiteren Extras.

    Beinahe schon dokumentarisch anmutende Szenen aus der Mittelschicht treffen auf kühn inszenierte Schwarz-Weiß-Bilder des Kampfes. Doch hier gibt’s nicht nur was auf die Augen, sondern auch auf die Ohren: „Wie ein wilder Stier” ist geräuschintensives Kino vom Feinsten. Die Hiebe sind durch den Sound beinahe spürbar – und wurden vom Sound-Designer Frank Warner tatsächlich aus den Geräuschen von berstenden Wassermelonen und Gewehrschüssen abgemischt.

    Ein Charakter, der uns auf die Probe stellt

    „Character is plot and plot is character” sagte einst der amerikanische Schriftsteller F. Scott Fitzgerald („Der große Gatsby”*). Und mit dem „wilden Stier” LaMotta liefern Scorcese und De Niro eine Figur, mit der man sich nur schwer anfreunden kann. Jake LaMotta ist ein aggressiver, egozentrischer, aufbrausender Typ, der nicht gerade eine klassische Identifikationsfigur darstellt.

    De Niro verkörpert seinen LaMotta mit einer Inbrunst, mit einer vollkommenen Aufgabe, wie man es selten sieht: Und ja, hier wird Charakter zum Plot, wird Schauspieler zur Figur - allein seine optische Transformation und Gewichtszunahme ist beachtlich. Zuletzt ist LaMotta ein Mann, dessen Starrsinnigkeit ihn sein Glück gekostet hat – ein fetter Ex-Boxer, der Witze auf seine eigenen Kosten machen muss.

    „Wie ein wilder Stier” erzählt nicht den glorifizierten Werdegang eines Sportlers und zeigt auch sonst nur wenig Einsicht. Aber vielleicht ist gerade auch das die Stärke des Films: Nämlich seine Authentizität. Man halte nur einmal Sylvester Stallones Rocky Balboa dagegen, der kraftvoll aber doch sensibel, ja beinahe schon zart daher kommt. Adrianne auch nur ein Haar krümmen? Niemals.

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