Polizeigewalt ist leider nach wie vor ein aktuelles Thema: George Floyd und Rayshard Brooks gehörten zu den US-amerikanischen Fällen, die die Welt bewegten und auch in Deutschland gibt es aktueller Forschungen der Universität Bochum zufolge 12.000 Fälle von unrechtmäßiger Gewalt ausgehend von der Polizei pro Jahr.
Auch der vor gut 30 Jahren, 1995 gedrehte „La Haine” von Mathieu Kassovitz lehnt sich an ein solches Ereignis an: 1993 wurde der 16-jährige Makomé Bowolé durch die Waffe eines Polizisten getötet. „La Haine” wurde damals in Cannes gefeiert und ist mit einem großartigen Vincent Cassel in einer seiner ersten Rollen besetzt. In eindringlichen schwarz-weißen Bildern versetzt der Film einen mitten in die Banlieues – an den Rand der französischen Gesellschaft.
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Brodelnde Gewalt unter der schwarz-weißen Oberfläche
Es sind 24 Stunden im Leben von Vinz (Vincent Cassel), Saïd (Saïd Taghmaoui) und Hubert (Hubert Koundé), um die „La Haine” kreist - 24 Stunden, die gefristet werden mit durch die Straßen ziehen, rumhängen und derben Sprüchen. Wie eine graue Wolke überschattet ein Ereignis den Tag: Am Abend zuvor war ihr Freund Abdel bei einer Polizeikontrolle lebensgefährlich verletzt worden und liegt nun im Krankenhaus. Das ganze Viertel scheint zu brodeln, und auch Vinz, der eine Waffe gefunden hat, scheint nur auf den richtigen Moment zu warten, diese einzusetzen …
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„La Haine”, „Der Hass” - doch wer hasst hier wen? In einem Krieg zwischen hoffnungsloser Perspektivlosigkeit und vermeintlicher Rechtschaffenheit kann es nur Verlierer geben. Gleichwohl beschwingt wie bedrückt stromern die Jugendlichen, jeder ein Repräsentant einer Randgruppe, quasi in einem permanenten Drahtseilakt durch die aufgeladenen Betonschluchten Paris’.
Jeder Konflikt beinahe ein Sturz, das Pulverfass stets kurz vor dem Überlaufen – doch ist die Fallhöhe nicht allzu hoch im sozialen Brennpunkt, und überhaupt, wie es im Voice-Over zu Beginn heißt, „wichtig ist nicht der Fall, sondern die Landung”. Und weiche Landungen, die gibt es hier nicht.
Milieustudie mit Augenzwinkern
Vincent Cassel als latent cholerischer Vinz ist bis heute eine Wucht, und die Weitwinkelaufnahmen bringen einen beim Zuschauen auch beinahe 30 Jahre nach Erscheinen des Films nach wie vor in Bedrängnis. Wie zeitlos, brisant und auch relevant „La Haine” bis heute ist, zeigt ein Blick in David Wnendts „Sonne und Beton”, der Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Felix Lobrecht. Nur allzu verwandt sind die beiden Filme, und wen wundert es auch – entstammen sie doch beide einem ähnlichen Milieu.
Dabei gelang es Kassovitz weit mehr zu inszenieren als ein Sozialdrama: „La Haine” ist gespickt von Dialogen und Momenten, die das Unerträgliche ein klein wenig erträglicher machen. Surreale Momente (eine Kuh) gibt es hier ebenso wie einen aberwitzigen Monolog eines Kriegsveteranen, der so auch bei Tarantino hätte stehen können. Der Film schafft, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt – und lässt einen am Ende sprachlos zurück.
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