Die Musik aus „Fluch der Karibik“ hat sich ins kulturelle Gedächtnis eingebrannt, wie es nur wenigen Filmkompositionen gelungen ist: Die epochalen, kraftvollen Klänge, zu denen sich Johnny Depp alias Käpt'n Jack Sparrow in den Kampf schwingt, erreichten ähnlichen Ruhm wie die Melodien aus „Star Wars“ oder den „Indiana Jones“-Teilen.
Dass es die unvergessliche Musik aus dem Disney-Blockbuster überhaupt gibt, ist allerdings ein mittelgroßes Kinowunder. Denn das, was wir in „Fluch der Karibik“ zu hören bekommen, ist eine hastig zusammengezimmerte Notlösung – was ihre Brillanz glatt noch beeindruckender macht!
Mit Käpt'n Jack zurück in die Zukunft?
Filmfans mit Sammelwut und auf Kuriositäten spezialisierte Spürnasen, aufgepasst: Es befinden sich „Fluch der Karibik“-Plakate im Umlauf, die Einblick in eine alternative Wirklichkeit gewähren. Denn die Promotion für das Big-Budget-Abenteuer lief an, bevor hinter den Kulissen ein musikalischer Kurswechsel vollzogen wurde!
Ursprünglich heuerte „Fluch der Karibik“-Regisseur Gore Verbinski als Komponisten Alan Silvestri an – der in dieser Funktion auf frühen Postern genannt wird. Silvestri ist für die Musik zur „Zurück in die Zukunft“-Trilogie und „Forrest Gump“ bekannt, zudem verfasste er (Jahre nach Erscheinen von „Fluch der Karibik“) das „Avengers“-Theme.
Ganz neue Töne: MCU-Verächter Christopher Nolan gerät über Marvel-Film ins SchwärmenVerbinski und Silvestri kannten sich durch die ersten Spielfilme des Regisseurs: Die rabenschwarze Slapstickkomödie „Mäusejagd“ und das Julia-Roberts-Vehikel „Mexican“. Die geplante Reunion trug allerdings keine Früchte: Wie Silvestri dem Fachportal Soundtrack.net verriet, kam es zu Dissonanzen zwischen seinen eigenen kreativen Impulsen und den Arbeitsprozessen des „Fluch der Karibik“-Produzenten Jerry Bruckheimer.
Laut Silvestri waren beide Seiten zwar respektvoll zueinander, erkannten allerdings, dass man lieber getrennte Wege gehen sollte. Daher verließ Silvestri das Projekt, nachdem er kaum etwas geschrieben hatte und bevor eine einzige Note aufgenommen wurde. Doch der geplante Kinostart von „Fluch der Karibik“ rückte unaufhaltsam näher. Nun war Not am Mann. Beziehungsweise: Not am Film!
Zimmer eilt zur Rettung
Nachdem Silvestri von Bord ging, richtete sich Verbinski an einen anderen Komponisten, mit dem er zuvor zusammengearbeitet hatte: Hans Zimmer, der die Musik zum Horrorfilm „Ring“ beisteuerte – und durch den Hilferuf des Regisseurs in einer Zwickmühle landete. Zimmer arbeitete nämlich gerade an der Musik zum Historienepos „Last Samurai“, das als 100. Soundtrack des Oscar-Preisträgers anvisiert war.
Regisseur Edward Zwick und Hauptdarsteller Tom Cruise hatten Zimmer ein Versprechen abgerungen: Er sollte parallel keine weiteren Jobs als Komponist annehmen. Trotzdem wollte er Verbinski aus seiner misslichen Lage befreien. Also versprach Zimmer, als Produzent der Filmmusik zu agieren und ein Heer an befreundeten Komponisten und Schützlingen auf „Fluch der Karibik“ anzusetzen.
Bei den Dreharbeiten zu "Last Samurai" wäre Tom Cruise fast der Kopf abgetrennt worden – es ging wirklich um Zentimeter!So ganz konnte der unter anderem für die Musik zu „Der König der Löwen“ berühmte Deutsche seine Finger aber nicht ruhen lassen: Er verfasste in einer Nachtschicht eine Demo mit möglichen Leitmotiven für „Fluch der Karibik“, die er am Synthesizer selbst einspielte. Damit gab Zimmer, der im Gegensatz zu Silvestri mehrfach erfolgreich mit Bruckheimer kollaborierte und daher sowohl seine als auch Verbinskis klangliche Vorlieben kannte, den tonalen Kurs für das Piraten-Abenteuer vor.
Badelt und Crew bringen das Schiff in den sicheren Hafen
Die Themen aus Zimmers Demo wurden von einer achtköpfigen (!) Crew erweitert, abgewandelt und um klanglich passende, neue Stücke ergänzt. In diesem „Rettungsteam“ befanden sich: Ramin Djawadi („Game Of Thrones“), Blake Neely („Arrow“), James Dooley („Pushing Daisies“) und James McKee Smith, der an der Musik zu „Shrek“ und „Ice Age 2“ mitwirkte, Zimmers „The Rock“-Kollaborateur Nick Glennie-Smith, Steve Jablonsky („Disturbia“), Geoff Zanelli („Disturbia“) und Klaus Badelt („Equilibrium“).
Letzterer erhielt aufgrund seines umfangreichen Einsatzes die Hauptnennung als Komponist im Abspann. Zudem steuerte, unabhängig von Zimmers Demo, Violinist Craig Eastman einen Jig bei, der in einer Szene im Hintergrund zu hören ist. Zanelli wiederum schuf unter anderem die Grundlage zur „Mondlicht-Serenade“, also die Begleitmusik der Szene, in der die von Keira Knightley gespielte Elizabeth Swann von verfluchten Piraten über das Deck der Black Pearl gescheucht wird. Die Intention hinter der Sequenz: Sie sollte klingen, als befände sich „Cinderella auf einem Metallica-Konzert“.
Dass sich so viele Komponisten am Score beteiligen, lag vor allem am enormen Zeitdruck: Für die Komposition und das Einspielen der Musik sowie sämtliche Postproduktionsschritte blieben gerade einmal drei Wochen Zeit! Das ist auch der Grund, weshalb die Titel auf dem Soundtrack wenig Sinn ergeben: Die Namen der Tracks mussten eingereicht werden, bevor die Stücke überhaupt feststanden.
So kommt es, dass sich auf dem „Fluch der Karibik“-Album beispielsweise hinter dem ein Schwertduell versprechenden Titel „Swords Crossed“ die Musik aus dem Aufeinandertreffen zwischen Elizabeth und den Skelettpiraten verbirgt. Ebenso wird die Szene, in der Käpt'n Jack seinen letzten Schuss abfeuert, kurioserweise nicht vom Track namens „One Last Shot“ begleitet.
Und das ikonische Stück „He's A Pirate“ erklingt mehrere Minuten, nachdem im Film das entsprechende Zitat fiel. Da dürfte selbst Jack Sparrow mit seinem magischen Kompass die Orientierung verlieren. Doch wen soll das stören, wenn die Musik derart überzeugt?
Dieses "Fluch der Karibik"-Prequel habt ihr garantiert nicht gesehen – dabei hat der Regisseur auch einen gefeierten Sci-Fi-Film gedreht!*Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.