Nach meinem Kino-Besuch von „Barbie“ wurde aufgeregt diskutiert: Wie gut hat Greta Gerwigs neuer Film unterhalten? Holzhammer-Feminismus ja oder nein? Warum gab es nicht mehr Musical-Einlagen? Diese und ähnliche Fragen hallten durch den Saal und viele davon haben wir in unserem Leinwandliebe-Podcast, den ich euch unten auch noch einmal eingebunden habe, bereits ausgiebig diskutiert. Ich finde Greta Gerwigs Feminismus-Komödie durchaus gelungen – doch bis heute beschäftigt mich eine Frage: Warum ist Barbie (Margot Robbie) nicht die Hauptfigur in ihrem eigenen Film?
Zugegeben, Barbie mag mehr Leinwandzeit haben als alle anderen Figuren. Die eigentlich spannende Figur ist jedoch eine andere Puppe – und zwar der von Ryan Gosling großartig verkörperte Ken.
Über ihn können wir lachen, mit ihm dürfen wir fühlen, er wird von der Gesellschaft in Versuchung geführt und erliegt der Verlockung des Patriarchats. Nur um dann letztlich doch einzusehen, dass nicht sein Stellenwert, Vermögen und Ansehen seinen gesellschaftlichen Wert definieren, sondern er diesen aus sich selbst und seinem Können ziehen kann. Er ist sich selbst (K)enough.
Ken durchlebt eine persönliche Entwicklung
Ken erlebt dabei eine Reise voller Versuchungen, Irrungen und Wirrungen. Und trotz aller falschen Entscheidungen bleibt er doch ein wahnsinnig sympathischer Kerl, der sein eigenes Fehlverhalten erkennt und dem gesellschaftlichen Patriarchat und damit auch dem Kampf um Macht und Ansehen abschwört.
Eine solche Erkenntnisreise bleibt Barbie in ihrem eigenen Film verwehrt. Sie muss die Fehler nicht in sich selbst, sondern in der Gesellschaft suchen. Dabei war ja – und das deutet der Film im ersten Drittel unterschwellig an – auch im Barbieland vor der Ken-Revolution nicht alles perfekt und es herrschten deutlich wahrnehmbare Missstände.
Barbie muss gesellschaftliche Hürden überwinden
Der Grund dafür, dass Barbies Probleme nicht aus ihr selbst entspringen, sondern durch äußerliche Faktoren bestimmt werden, liegt in der Self-Empowerment-Botschaft des Films. Und so ist auch für die Hauptfigur kein selbstbezogener Erkenntnisgewinn notwendig, da der Fehler in einem äußerlichen Faktor, in diesem Fall dem gesellschaftliche Patriarchat, begründet liegt.
Das ist zwar richtig und im Kontext des Films (und leider auch der realen Umstände) durchaus nachvollziehbar, dennoch darf diese Aussage auch kritisch hinterfragt werden. Wer alle Fehler nur in äußeren Umständen verortet, weist den Möglichkeit einer persönliche Entwicklung von sich. Doch wer kann schon behaupten, ein perfekter Mensch (bzw. eine perfekte Puppe) zu sein und sich nicht mehr entwickeln zu müssen?
Zudem wirkt Barbie im Gegensatz zu Ken, der eine Achterbahnfahrt der Figurenentwicklung durchlebt und sich im Film vom Sidekick zum schurkischen Ober-Macho und letztlich zum geläutertem Mann entwickelt, dadurch relativ eindimensional. So wird Barbie leider letztlich in ihrem eigenen Film zur Nebenfigur degradiert. Gegen so viel (K)energy kann selbst Margot Robbie nichts mehr reißen.
Wer sich derweil einmal die Gedanken der FILMSTARTS-Redaktion zur knallpinken Satire anhören möchte, der sollte in unsere oben eingebettete Leinwandliebe-Podcast-Folge zu Greta Gerwigs Kassenschlager reinhören. In diesem sprechen Sebastian Gerdshikow, Annemarie Havran und Stefan Geisler über den ungewöhnlichen Sommer-Blockbuster, der momentan die Kino-Charts dominiert und schon jetzt zu den größten Erfolgen des aktuellen Kino-Jahres zählt.
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