Manche (Film-)Mythen halten sich anscheinend ewig. Der Star-Wars-Mythos begann 1977 und geht nicht zu Ende. Doch kaum jemand hat es so weit gebracht wie der im blau-rot-gelben Flugdress dahinfliegende Superman. Das hatten seine Erfinder Jerry Siegel und Joe Shuster 1938 sicherlich nicht geahnt, als sie die Rechte an der Figur für gerade mal 130 Dollar verkauften und an einem Millionengeschäft schnurstracks vorbei schlitterten. Den ersten Episodenfilmen mit einer Länge von 20 Minuten, die 1948 und 1950 gedreht wurden, folgte 1951 der erste Spielfilm mit George Reeves sowie 1953 eine Fernsehserie mit 104 Episoden und Reeves wiederum in der Hauptrolle. Erst 1978 folgte der hier besprochene Film, der 1980, 1983 („Superman II und III“, Regie: Richard Lester) und 1989 („Superman IV – The Quest for Peace“, Regie: Sidney J. Furie) Kino-Fortsetzungen fand. Zwischen 1993 und 1997 folgten Fernsehauftritte unter dem Titel „Lois & Clark – The New Adventures of Superman“ und 2001 „Smallville“ mit 13 geplanten Episoden.
Auf dem Planeten Krypton ist die Hölle los. Die Auseinandersetzungen zwischen Jor-El (Marlon Brando) und seinen Feinden führen zur Zerstörung des Planeten. Doch zuvor wird sein Sohn Kal-El als Baby in einer Raumkapsel auf eine lange Reise geschickt – zur Erde. Als er dort ankommt, sind gerade Mr. und Mrs. Kent (Glenn Ford und Phyllis Thaxter) mit ihrem Auto unterwegs. Da kommt ihnen der inzwischen zum Jungen herangewachsene Kal-El (Jeff East) gerade recht, denn sie sind kinderlos geblieben. Als Clark Kent (Christopher Reeve) wächst Kal-El heran. Die Kents machen sich wenig Gedanken um die Herkunft ihres angenommen Sohnes, auch nicht um seine enormen Kräfte, die ihn schon als kleinen Jungen dazu befähigen, einen Wagenheber zu ersetzen oder enorme Sprints zu absolvieren. Mr. Kent sorgt lediglich dafür, das Clark seine Fähigkeiten vor allen anderen verheimlicht.
Als sein Pflege-Vater an einem Herzanfall stirbt, muss Clark seiner Mutter gestehen, dass er die Farm nahe Smallville verlassen wird. Er will wissen, woher er kommt, wandert nach Norden, immer weiter bis ins Eis, wo er mit Hilfe eines in der Raumkapsel mitgeführten Kristalls einen gläserner Palast entstehen lässt. Sein Vater Jor-El erscheint Kal-El in einer holographischen Projektion und verkündet, was seine Berufung ist: „der Gute“ zu sein und die Menschheit auf den rechten Pfad zu führen. Jor-El unterweist ihn im Fliegen, Kal-El lernt den Röntgenblick und einiges mehr zur optimalen Nutzung seiner Kräfte, auch, wie man die Geschichte verändert. Und er bekommt seinen blau-weiß-roten, aus unzerstörbarem und kugelsicherem Stoff bestehenden Anzug.
Zurück aus der Eiswüste wird Superman als Clark Reporter beim „Daily Planet“, lernt die hübsche und ehrgeizige Reporterin Lois Lane (Margot Kidder), seinen harten, aber ehrlichen Chef Perry White (Jackie Cooper) und den auf seine große Chance wartenden Praktikanten Jimmy Olsen (Marc McClure) kennen. Natürlich verliebt sich Clark in Lois, und bald bekommt er die Gelegenheit, sie samt Hubschrauber zu retten, der von einem Wolkenkratzer stürzt. Da Clark zu Höherem berufen ist, sind seine ersten Einsätze bei Handtaschendiebstählen oder Einbrüchen nur ein schaler Vorgeschmack auf das, was wirklich wichtig ist: Die Welt vor dem größenwahnsinnigen Lex Luthor (Gene Hackman) zu retten, der die amerikanische Westküste versenken will, um eine „Costa del Lex“ zu errichten und zu bewirtschaften. Und dann spielt da noch die Wunderwaffe aus einer Substanz namens Kryptonit eine Rolle, die Superman fürchten muss ...
War Superman in seiner Entstehungszeit – den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts – so etwas wie eine „un“-menschliche Führerfigur voll Adel und Edelmut, die der im wirtschaftlichen und politischen Chaos versinkenden Welt den Fantasy-Retter bescherte – eine geradezu unreligiös-religiöse Figur mit Jor-El als Quasi-Gott und Kal-El als Quasi-Jesus –, so wird in Donners Superman-Adaption die Geschichte vom blau-rot-gelben Weltenretter bereits deutlich in Ironie getaucht. Allein die „praktische“ Persönlichkeitsspaltung zwischen Kal-El als nicht-rauchendem, perfekt aussehendem und gesinnungsethisch einwandfreien Helden hier, und Kal-El als dem unbeholfenen, tollpatschigen, mit scheußlicher Brille und ebenso grauslichem Haarschnitt werkelnden Clark als Repräsentant einer hilfebedürftigen, unvollkommenen, sich immer wieder in Katastrophen stürzenden Menschheit nimmt Donner zum Anlass deutlicher satirischer Verzerrung des Originals.
El-Kal muss seine Unfehlbarkeit als Superman vor den anderen verbergen, weil er als Tadelloser nicht offen in einer Welt seinen Platz finden kann, die so weit entfernt von der Unfehlbarkeit lebt. Er schwebt im wahrsten Sinn des Wortes „über“ der Menschheit, wenn er Superman ist, und kehrt als Tollpatsch auf den Boden der Realitäten zurück, wenn er Clark ist. Beide Figuren(-teile) werden einer Art bodenständig-trockenem Humor unterzogen. Als Superman Lois samt abstürzendem Hubschrauber gerettet hat, bemerkt er: „Fliegen ist statistisch gesehen noch immer die sicherste aller Fortbewegungsarten“ – so, als ob er ein Statement über Verkehrsmittel in einer langweiligen TV-Sendung abgeben würde. Oder wenn er „am Rande“ bemerkt: „Ich trinke nie, wenn ich fliege.“ Das klingt zwar wie die Verkündung eines sich selbst für unfehlbar haltenden Menschen, der nach außen Selbstsicherheit en gros demonstriert und bei dem man nur darauf wartet, dass aus dem 150%igen Anti-Alkoholiker ein Säufer wird. Doch bei Donners Superman sind Perfektion, Moral, Souveränität, Integrität, Liebe zu Kindern usw. derart über alle Maßen hinaus und unumstößlich entwickelt, dass jede Demonstration dieser Tugenden die Lachmuskeln reizen muss.
Während beim Original-Superman das Doppelleben kein Problem zu sein schien, gerät der Kino-Superman in einen tragischen Konflikt zwischen seiner sozialen Isolation als Ersatz-Messias und seiner irdischen Existenz als Clark mit allen Schwächen, Gefühlen, Leiden. Insbesondere als Lois sich in den Helden verliebt, aber den verliebten Clark links liegen lässt, wird diese Tragik vollends sichtbar. In der satirischen Ausschlachtung dieser Tragik kündigt sich die Demontage der Figur bereits deutlich an.
An vielen Stellen wirkt Donners starker Adaption des Stoffes – vielleicht nur aus der rückblickenden Perspektive – etwas hausbacken und fast schon provinziell. Ich hatte jedoch eher das Gefühl, dass gerade dies zur Demontage des Helden gehört – vergleichbar in gewisser Hinsicht mit „Pleasantville“, einem Film, in dem die unschuldige, heile Welt einer Fernsehserie durch Eindringen zweier lebendiger Menschen aufgebrochen wird.