Neben vielen Bioläden bieten inzwischen sogar die Billig-Discounter Bio-Produkte an, was an sich eine positive Entwicklung sowohl für Anbieter als auch für Kunden darstellt. Die Produkte sind nämlich zum einen gesund und viel schmackhafter, und zum anderen die Gewinnspannen um ein Beträchtliches höher. Ab jetzt gibt es Bio auch im Kino. Taggart Siegels „Mit Mistgabel und Federboa – Farmer John“ porträtiert einen der ersten Biobauern, der im Mittleren Westen Amerikas seine Farm betreibt. Ähnlich wie Unser täglich Brot oder We Feed The World hat der Film die Produktionsverhältnisse unserer Lebensmittel zum Thema. Dabei wird dieses Hauptthema durch die ins Bild gesetzte Persönlichkeit des Farmers John bereichert. Damit stellt der Film leicht verdauliche Kost dar und kann mit gutem, ökologischem Gewissen konsumiert werden.
Die Farm von John ist seit drei Generationen im Besitz der Familie Peterson. Der Betrieb florierte im Lauf der Jahre zusehends, brachte einen guten Ertrag und bot die Lebensgrundlage für eine Großfamilie. John sollte in die Fußstapfen seines Vaters treten und die Farm für die kommenden Generationen erhalten. Allerdings führte der frühe Tod Johns Vater dazu, dass er noch als Jugendlicher für die Farm verantwortlich wurde. Während seiner Collegezeit hatte dieser dann nicht nur die gesellschaftlichen Entwicklungen der 70er Jahre zu verarbeiten, sondern musste sich zudem um die Farm kümmern. In der Folge entdeckten seine Freunde, die Anhänger der Flower-Power- und „Make-love-not-war“-Bewegung waren, die Farm als idealen Ort, an dem man den Weg zurück zu Mutter Natur beschreiten kann. Dies stellte jedoch das erste Todesurteil für die Farm dar, da die friedliebenden Menschen zwar zu sich selbst fanden, aber an ernsthafter Landwirtschaft kein Interesse hatten. Farmer John blieb aus jener Zeit lediglich die Exzentrik, was sich in seiner Vorliebe für verrückte Verkleidungen und Aktionskunst äußert. Das wirtschaftliche Debakel veranlasste ihn jedoch nicht die Farm aufzugeben und anstatt dessen sein Glück in der weiten Welt zu suchen.
Gerade die starke Bindung zu seiner Mutter und die Verpflichtung zur Tradition bringen ihn dazu, sein Scheitern zu akzeptieren und einen Neubeginn zu wagen. Während einer Orientierungsphase in fremden Ländern, in denen er erfährt, wie die Menschen, die dort die Erde bearbeiten, um Pflanzen anzubauen, in Verbundenheit mit Mutter Natur leben und arbeiten, reift in ihm die Vorstellung, wie Landwirtschaft für ihn in Zukunft aussehen könnte. Konfrontiert mit der Wirklichkeit schien das Ideal erneut zum Scheitern verurteilt zu sein. Zu hart sind die Gesetzte der Marktwirtschaft. Erst als sich im Laufe der Zeit beziehungsweise der Naturkatastrophen und düsteren Zukunftsprognosen in Form eines Angebotes der Firma CSA, die Naturprodukte in großen Mengen abzunehmen, ein Paradigmenwechsel ankündigte, keimte Hoffnung in John Peterson auf. Inzwischen ist seine Farm sprichwörtlich die aus dem Bilderbuch und deswegen zur Attraktion für gesundheits- und umweltbewusste Familien geworden. Freiwillige und Praktikanten aus aller Herren Ländern kommen wie damals die Hippies zu John, um ihre Arbeitskraft im Gegenzug für die aufschlussreichen Erfahrungen anzubieten.
Das dokumentarische Material, das den Lebensweg von John Peterson bezeugt, liegt im Film in zwei unterschiedlichen Formen vor: Selbstredend besteht es aus aktuellen Aufnahmen von John, der in Interviewszenen Rede und Antwort steht, sowie Aufzeichnungen des Ist-Zustandes. Ein glücklicher Zufall, und höchstwahrscheinlich auch der Grund, weshalb gerade John Peterson sich als zu Porträtierender hervorragend anbot, ist durch die Tatsache gegeben, dass Familie Peterson sich ungewöhnlich früh dazu entschlossen hat, die Familiengeschichte nicht nur in Form von Fotografien für die Ewigkeit zu konservieren, sondern auch durch Filmaufnahmen. Die Filmkamera dokumentierte nahezu alle wichtigen Ereignisse der Vergangenheit oder gibt Anlass darüber zu sprechen. Diese Aufnahmen machen gut ein Drittel des Films aus. John Peterson selbst gesteht: „Ohne Frage – während der vergangenen Jahre wurde mein Leben verfilmt. Und mein Leben wurde ein Film. Noch mehr als es jemals der Fall war.“ Regisseur Taggart Siegel ist für Peterson auch keine völlig unbekannte Figur gewesen, als die beiden auf die Idee kamen, einen Dokumentarfilm über seine kleine Farm zu machen. Bereits in den 80er und 90er Jahren war Siegel mit der Kamera bewaffnet, damals für ein Projekt das „Bitter Harvest“ hieß und die Lage der Landwirte im Mittleren Westen schilderte, dabei als sich wichtige Geschehnisse um die Farm von John ereigneten. Der Hauptteil der Aufnahmen entstand in den vergangenen Jahren, in denen Siegel dauerhaft auf dem Bauernhof gelebt hat, um einen tief greifenden Einblick in das Ökobauerntum zu gewinnen.
Die vielfältige, bunte Mischung der verschiedenen Materialien macht durchaus einen Reiz des Films aus. Ergibt sich doch daraus eine panoptische Situation, anhand derer man die sozial-gesellschaftlichen, politischen und teils auch künstlerischen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts bis heute schlaglichtartig und bebildert, gespiegelt auf der Figur eines Bauern verfolgen kann. Die Anordnung der Episoden im Schnitt, gepaart mit den asynchronen Erläuterung und Reflexionen von John, ergeben ein Narrativ, das mehr als nur einen Höhepunkt im Spannungsbogen aufweisen kann, da sich vieles erst im Laufe des Films erschließt. Dabei ist die kantige Persönlichkeit von John Peterson und dessen kurvige Fahrt durchs Leben ein Pluspunkt, der eigentlich keiner besonderen Regieleistung mehr bedürfte, um sie richtig zur Geltung bringen zu lassen. So sind von Taggart Siegel zwar kaum schwerwiegende Fehler bei der Gestaltung und den Aufnahmen unterlaufen, zählen aber auch nicht zum Besten, was im Dokumentationsgenre momentan gängig ist.
Im Vergleich zu anderen Dokumentationen, die sich dem Thema annehmen, unterscheidet sich „Mit Mistgabel und Federboa“ doch sehr deutlich. Nicht dass die Themen, die aktuell von Interesse sind, weniger zur Sprache kämen, so liegt doch der gefühlte Schwerpunkt auf dem Menschen John Peterson. Eine ungewöhnliche Komponente stellt dennoch die Art und Weise dar, wie mit der Farm umgegangen wird. Es wird kein Hehl daraus gemacht, dass diese ein Schauplatz, eine Bühne also ein Ort der Inszenierung ist. Verkaufen uns doch andere Filme wie „Unser täglich Brot“ die Wahrheit, dass es den märchenhaften Bauernhof, wie wir ihn aus Kinderbüchern kennen, nicht gibt. Hier jedoch wird genau ein solcher als funktionierender Betrieb dargestellt. Sei es ein Ausnahmefall oder nicht, so ist es doch interessant, dass die Grenzen verschwimmen und man manches Mal auch das Gefühl bekommt, es könnte doch nur ein Fake, alles nur für die gute Sache als Werbung inszeniert worden sein. Die interessantesten Szenen dabei sind diejenigen, in denen John Peterson quasi als Clown in der Arena seine Auftritte feiert. Anscheinend braucht es aber gerade eine solche Inszenierung, um eine andere, viel größere Kluft überzeugend zu überwinden. Der eigentliche Konflikt, der in allen kritischen Dokumentationen zu dem Themenkomplex im Hintergrund schwelt, ist der von der Entfremdung des Menschen in der Moderne. Dass Harlekine im Allgemeinen die Sprachrohre der Wahrheit sind, trifft auf Farmer John nicht nur sprichwörtlich zu.
Taggart Siegels Produktion konnte sich bereits bei einigen Festivals verdient machen. Dabei ist zu bemerken, dass die Festivals, auf denen der Film gewonnen hat zum einen spezifisch auf das Thema der ungewissen Entwicklung der Umwelt im globalen Raum ausgerichtet waren, und zum anderen viele Publikumspreise unter den Trophäen zu verzeichnen sind. Letzteres erklärt sich, wie bereits erwähnt, aus den enormen Sympathiepunkten, die John Peterson für sich verbuchen kann. Erstgenannte Preise sind durchaus zu rechtfertigen, genügen jedoch nicht, um „Mit Mistgabel und Federboa“ zu einem filmischen Meisterwerk werden zu lassen. Eine bewegende, skurrile Lebensgeschichte, in gut konsumierbarer Form ist es dennoch geworden und kann gerade im Vergleich punkten, da die Dokumentation eine der wenigen ist, die versucht, in Zeiten, die gerne schlecht geredet werden, in aufmunternder Weise Mut und Hoffnung zu machen.