Terry Gilliam war schon immer ein Regisseur, an dem sich die Geister schieden. Entweder Du bist gegen ihn oder Du liebst ihn. Die internationale Presse zerstritt sich 1991 hitzig um die Bedeutung seines Films "Der König der Fischer" und Filmstarts.de kann nicht anders, als sich noch heute auf die Seite der Liebhaber stellen. Denn, seien wir mal ehrlich: Mit Jeff Bridges am Start, ungeschlagen einer der besten Darsteller seiner Generation, und mit einem Drehbuch, welches die schwierige Gratwanderung zwischen Tragödie und Komödie mit Bravour meistert, ist und bleibt der Streifen ein stiller Klassiker, der immer und immer wieder nichts anderes tut, als verzaubern. Ob nun ein modernes Märchen über die Suche nach Liebe, dem Verstand und nicht zuletzt nach dem Heiligen Gral oder eine gute alte Geschichte über Armut, Liebe, Verrücktheit und eine kostenlose Videoclub-Mitgliedschaft – "Der König der Fischer" hat alles, was das Filmbuff-Herz erfreut und zählt deshalb zu den ungeschlagenen Meisterwerken der frühen 90er Jahre.
Der Film beginnt mit der Radioshow von Jack Lucas (Jeff Bridges), einem selbstgefälligen, über-zynischen Yuppie, der eines Abends einen folgenschweren Fehler begeht, als er einem seiner Zuhörer überheblicherweise und wenig einfühlsam rät, seine Probleme mit einem Amoklauf zu lösen - nichtsahnend, dass der verzweifelte Anrufer genau dies wenig später in einem Restaurant irgendwo in New York tun wird. Nachdem die Tat nicht nur das Leben von sieben Menschen gekostet hat, sondern auch das des Täters selbst, ist Jacks Karriere am Ende. Drei Jahre später treffen wir ihn wieder. Noch immer vollkommen paralysiert von dem Vorfall, hat Jack sich bei seiner Freundin Anne (Mercedes Ruehl) eingenistet, die eine eigene Videothek besitzt und den Gefallenen mit versorgt. Mercedes Ruehl, die bis heute sträflich unterbesetzt wurde, liefert hier eine oscarreife Darstellung ab (Oscargewinnerin als Beste Nebendarstellerin), die so lebhaft und clever ist, dass sie locker über die Schwächen ihrer eigentlich klischeehaften Figur hinwegtäuscht. Obwohl sie Jack liebt, geht ihr sein Pessimismus und seine Antriebslosigkeit, die er seit dem schicksalhaften Tag vor sich her trägt, ziemlich auf die Nerven. Ihr Ärger ist stets präsent und die Beziehung von Anne und Jack scheint nur noch ein Arrangement zu sein. Als Jack sich eines Abends betrinkt und ernsthaft beschließt, sein Leben im Hudson River zu ersaufen, wird er zunächst von Straßenkids überfallen und zusammengeschlagen. Zu seiner Rettung kommt ihm der Obdachlose Parry (Robin Williams), ein verrückter Vogel, der mit der Agilität eines Robin Williams in Höchstform ausgestattet ist. Jack möchte sich am nächsten Tag bei seinem Retter mit 50 Dollar bedanken und besucht ihn erneut. Doch Parry, der nicht mehr alle Tassen im Schrank zu haben scheint und an kleine Elfen glaubt, will Jacks Geld nicht - er bittet ihn stattdessen, sich mit auf die Suche nach dem Heiligen Gral zu begeben...
Die Geschichte von "Der König der Fischer" ist so komplex und verzwickt, dass es zu schade ist, sie hier voll aus zu erzählen. Es gibt noch jede Menge Plotwendungen, interessante und farbenfrohe Nebenfiguren und ein feuerspeiender roter Reiter darf natürlich auch nicht fehlen. Alle Figuren sind traurig und witzig zugleich und wirken keinesfalls als reine Drehbuchideen. Der merkwürdige Humor von Gilliam sowie das abenteuerliche Set bilden die Schienen, auf denen "Der König der Fischer" ein rasantes Tempo hinlegen kann. Dennoch bleibt Zeit für Romantik und so nimmt sich Gilliam dann auch viel davon für die Entwicklung seiner Figuren. Der zweite Teil des Films ist deshalb Jack und Anne gewidmet, die, angetrieben von Parrys unerschütterlicher, fast kindlichen Liebe ("I have a hard-on for you the size of Florida!") zu der verdrehten Lydia (Amanda Plummer) wieder zueinander finden. Hut ab vor Jeff Bridges, der es schafft, sowohl die liebenswerten, wie auch dunklen Aspekte von Jack glaubhaft zu einer lebendigen, atmenden Figur zu entwickeln und dabei alle Zügel fest in der Hand zu behält, obwohl Williams an seiner Seite umherspringt. Robin Williams wurde zwar für den Oscar nominiert und sahnte einen Golden Globe ab, doch wir alle wissen, dass sämtliche Award Shows gerne den buntesten Pfau belohnen. Was in diesem Fall nicht heißt, dass bunt schlecht ist. Michael Jeter ("The Green Mile", "Fear and Loathing In Las Vegas") sei an dieser Stelle noch zu erwähnen. Der leider viel zu früh verstorbene Schauspieler liefert hier eine umwerfende Darstellung als obdachloser Cabaretsänger, welche in einer Showeinlage in einem Großraumbüro gipfelt und bis heute seines Gleichen sucht.
Gilliams New York ist märchenhaft und doch ein Spiegel der Zeit. Verwunschene Figuren kombinieren sich mit konsumwütigen Bauten, als Symbol für die Yuppie-Gesellschaft der 80er Jahre, die sich eindeutig zu wichtig genommen hat. Deshalb bringt Gilliam sie auch zu Fall. Was er dabei aufdeckt, sind die Lebenslügen der anscheinend Normalen und die Normalität und Lebensfreude der anscheinend Verrückten. Bilder findet er dafür viele: tanzende Menschen in Grand Central Station, die Romantik bei Nacht allein im Central Park die Sterne zu beobachten oder auch der Rote Reiter, der durch New York tobt und jeden mit in den Abgrund reißt, der an ihn glaubt.
Bei einem Film, der so außergewöhnlich daherkommt und jenseits aller Mainstream-Regeln entlang existiert, fällt es schwer, ein einhelliges Urteil zu fällen. Man kann nicht alle retten. Doch selbst wer den Film vor langer Zeit mal gesehen hat und nicht viel damit anfangen konnte, dem sei "Der König der Fischer" erneut besonders ans Herz gelegt. Vor allem im Detail überzeugt Gilliam und reißt, trotz einiger Klischeefallen die Märchenliebhaber unter den Zuschauern konsequent mit. Unterhaltsam und besonders wertvoll.