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    Amadeus
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Amadeus
    Von Ulrich Behrens

    Lang ist’s her, als ich „Amadeus“ das erste Mal im Kino sah. Milos Forman („Einer flog über´s Kuckucksnest“, 1975; „Hair“, 1979; „Ragtime“, 1981) hat nun sein Epos in einem um 20 Minuten erweiterten Director’s Cut erneut in die Kinos gebracht. Der Film erhielt 1984 acht Oscars sowie weitere drei Oscar-Nominierungen – und das war in jeder Hinsicht verdient.

    In einer Winternacht im Jahr 1823 wird Antonio Salieri (F. Murray Abraham) in ein Krankenhaus eingeliefert. Er hatte lauthals, verzweifelt verkündet, er sei der Mörder von Wolfgang Amadeus Mozart. Einige Zeit später besucht ihn ein junger Pfarrer und fordert ihn auf zu beichten. Zunächst lehnt Salieri ab, doch dann sieht er die Chance, endlich über sein Leben Rechenschaft abzulegen, und erzählt dem jungen Pfarrer die Geschichte von sich und Mozart.

    Rückblende: 1781 – Salieri ist Hofkomponist Kaiser Josephs II. (Jeffrey Jones) – erscheint der 26jährige Mozart (Tom Hulce) in Wien. Schon als Kind war er von seinem Vater Leopold (Roy Dotrice) von einem Konzert ins andere geschleppt worden. Mozart ist jung, frech, albern, lüstern, lacht in einer Weise, die auf die adligen Herrschaften provozierend und abstoßend wirkt – vor allem aber will er beweisen, dass er der beste Komponist seiner Zeit ist. Auf einem Konzert im Palast des Salzburger Erzbischofs hört Salieri, der sich für den führenden Musiker am Hof hält, Mozart zum ersten Mal. Sein Leben verändert sich von diesem Moment an grundlegend. Diese Musik stammt nicht von ihm, aber von wem? Als er Mozart mit einer jungen Dame durch die Säle des Palasts kichern und albern sieht, kann er es nicht glauben, dass dieser Geck eine solche Musik geschrieben haben soll.

    Doch noch schlimmer: Mozart kommt nach Wien, wird dem Kaiser vorgestellt, verändert ein schnell hin geschriebenes Stück von Salieri in ein kleines Meisterwerk, das später in die „Hochzeit des Figaro“ einfließt, für dessen Hauptrolle er Katerina Cavalieri (Christine Ebersole) auswählt und verführt, Salieris Lieblingsschülerin, die der heimlich liebt. Doch Mozart verdient mit den Opern, die er jetzt schreibt, zu wenig Geld, bewirbt sich um eine Stelle als Musiklehrer für des Kaisers Nichte. Mozart hat inzwischen Constanze (Elizabeth Berridge) geheiratet, die Salieri Partituren von Mozart vorlegt, um ihn dazu zu bewegen, beim Kaiser für Mozart zu werben. Salieri ist immer mehr beeindruckt von der göttlichen Musik Mozarts. In seinem Leben sieht er nur noch einen Sinn: Er muss Mozart vernichten, den Gott statt seiner auserkoren hat, diese Musik zu komponieren. Salieri kämpft, intrigiert, nicht nur gegen Mozart, sondern auch gegen Gott, der sein Flehen nicht erhört hat, ihn zum Musiker Gottes auf Erden zu machen. Er verbrennt das Kreuz Jesus und setzt alles daran, damit Mozart endlich stirbt ...

    Mir ist nicht bekannt, welches zusätzliche Material Forman in diese Fassung des Films eingebaut hat. Doch es lohnt sich auf jeden Fall, dieses dreistündige Meisterwerk (nochmals) anzusehen und zu genießen. Forman inszenierte eine Geschichte des Wahnsinns – des Wahnsinns Mozarts und des Wahnsinns Salieris, die so gegensätzlich sind wie die beiden Figuren selbst. Auf der einen Seite der junge, agile, lebenslustige Mozart, der sich nicht nur für den besten Komponisten seiner Zeit hält, sondern dies auch in jeder Sekunde seines unermüdlichen Schaffens beweisen kann, ein Wahnsinniger, für den Komponist nicht ein Beruf ist, sondern sein Leben; der in der Musik lebt, der die Musik im Kopf fertig komponiert, hört, bevor er die Noten aufschreibt; ein Mensch, der versucht, von seinem dominanten Vater wegzukommen; einer der so unpraktisch dem Leben gegenübersteht, dass er das große Glück hat, in Constanze eine Frau zu finden, die ihn nicht nur bedingungslos liebt, sondern so weit es irgend geht, dafür sorgt, dass die Familie überleben kann. Tom Hulce und Elizabeth Berridge spielen in diesen ihren Traumrollen traumhaft schön und begeisternd.

    Auf der anderen Seite Salieri, ein von sich besessener Mann, der den gleichen Traum wie Mozart hat, innerlich aber an sich selbst zweifelt, Gott als Verbündeten verpflichtet, ihm den Traum zu erfüllen. Er bittet in Gebeten Gott, fleht ihn an, doch letztlich fordert er von Gott. Salieri lebt in einer Situation des erpresserischen, egozentrischen Wahnsinns. Er stellt für sich einen Absolutheitsanspruch. Und dann erscheint Mozart, dieser alberne Kasper, dieser lächerliche Pimpf. Der soll es sein, den Gott statt seiner auserkoren hat? F. Murray Abraham spielt den Salieri zwischen Hingerissensein von Mozarts Musik und rasender Eifersucht und Neid, Hass und Mordgedanken grandios.

    Bestechend ist z.B. die Szene kurz vor Mozarts Tod, in dem Mozart, im Bett liegend, ein Requiem „im Kopf“ komponiert und Salieri die Noten aufschreibt: hier der geniale Meister der Musik, dort sein zwischen Ehrfurcht, Bewunderung, Neid, Verzweiflung, Vernichtungsphantasien schwankender Notenschreiber, der das Werk in den Händen hält, die Noten sieht, die er aufgeschrieben hat, die aber nicht von ihm stammen, der sieht, wie Constanze sie am anderen Morgen, als Mozart stirbt, im Schrank verschließt, weil sie das Stück für Mozarts Tod verantwortlich macht. Salieri schaut das Stück ein letztes Mal hinter der Glastür des Schrankes an, ein göttliches Requiem, das er inkognito in Auftrag gab, das Mozart tötete, den er also tötete. Doch Gott hat sich an Salieri gerächt: Er siecht in einem Krankenhaus dahin, seine Musik ist vergessen, doch die Mozarts unsterblich.

    Formans „Amadeus“ ist ein Epos, in dem alles stimmt, eine feine, überlegte Komposition wie Mozarts Opern, mit der Musik Mozarts. „Amadeus“ ist selbst eine Art dramatische, doch zugleich auch komödiantische Oper, in der Mozart bis zu seinem Tod nicht bewusst ist, dass Salieri ihn von Beginn an bekämpft hat. Ausstattung, Kostüme, die barocke Pracht des Absolutismus, Besetzung, Musik, Dialoge – alles ist von Forman genial aufeinander abgestimmt. Dasselbe gilt für die Besetzung, z.B. für Roderick Cook als Graf von Strack und Charles Kay als Graf Orsini-Rosenberg – enge Berater des Kaisers –, die ihre Unterwürfigkeit dem Herrscher gegenüber, ihren absolutistischen Konservativismus immer wieder (komödiantisch) beweisen und sprachlos mit ansehen müssen, wie Joseph II. von diesem „Geck“ von Mozart begeistert ist. Jeffrey Jones überzeugt als Kaiser, der einerseits in der absolutistischen Tradition verhaftet, andererseits offen für die Phantasien des jungen Mozart und dessen Experimentierfreudigkeit ist.

    Man muss kein Freund klassischer Musik – wie ich – sein, um diesen Film zu lieben. Es gibt sogar Stimmen, die meinen, durch „Amadeus“ könne man sich für Mozarts Musik begeistern. „Amadeus“ ist eine Geschichte des Kampfes: des Wahnsinns des Egozentrikers gegen den Wahnsinn des Genies. Und diese Geschichte erzählt Forman in einer begeisternden Weise. Die Frage, ob die Geschichte den historischen Biografien der beiden Hauptfiguren entspricht, ist übrigens völlig unbedeutend. „Amadeus“ ist ein filmisches, operngleiches Drama, kein Historienfilm.

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