Dunkle Bilder, gegenwärtige, bedrückende, amoralische Situationen, kleine Räume, durch die sich vertraute, identifizierbare Gestalten bewegen. „Eine Leiche zum Dessert“ (1976) ist ein Film noir. Ein Plot in der Nähe von Agatha Christies „The Mousetrap“ (1947) - und Figuren, die den ihren nahe stehen. Stereotypen der Schichten, der Klassen und der Nationen. „Eine Leiche zum Dessert“ ist ein Krimi.
Gastgeber Lionel Twain (Schriftsteller Truman Capote: meisterhaft skurril) lädt zu einem Dinner und einer Leiche zum Dessert, beschäftigt einen blinden Butler (Alec Guinness: britisch trocken, unprätentiös, einmalig), verkauft pornografische Bibeln an die Kirche und bietet für die unmögliche Klärung eines bisher ungeschehenen Mordfalls eine Prämie von einer Million US-Dollar. „Eine Leiche zum Dessert“ ist eine Groteske.
Die fünf besten Detektive der Welt verbringen, auf Einladung Twains, ein Wochenende in einem kleinen Schloss in der Lola Lane und sind im Begriff, den an sie gestellten Fall zu lösen. Aus China, England, aus Belgien (oder Frankreich?) und aus den USA stammen sie und sind den Zügen der aus den Büchern gestiegenen Figuren treu geblieben, als die sie sich geben: Agatha Christies Miss Marple (Elsa Lanchester) und Hercule Poirot (James Coco), Dashiell Hammetts Sam Spade (Peter Falk) und das Pärchen Nick und Nora Charles (David Niven und Maggie Smith) sowie Earl Derr Biggers’ Charlie Chan (Peter Sellers) sind teils hochkarätig, immer jedoch ausgezeichnet besetzt.
Ein Krimi also, aber auch die Groteske und auch der Film noir: Vor allem wohl, ist „Eine Leiche zum Dessert“ spitzfindig, geistreich, vor allem parodistisch und trefflich geschrieben. Der Zuschauer wird vor vollendete Tatsachen gestellt, deren er nicht habhaft werden kann: Alle kennen sich, sind irgendwie miteinander verbunden und haben doch voneinander wenig Ahnung. Wie in den literarischen Werken, denen sie entnommen sind, den Krimis, erfährt der Zuschauer immer mehr vom großen Kuchen der Wahrheit. Der Mord - denn er geschieht - wird zum Mittelpunkt des Geschehens und die Protagonisten umschwirren ihn, stets auf ihren individuellen Vorteil bedacht, denn nichts scheint ihnen begehrlicher als den Status quo zu sichern und als weiterhin ungeschlagener Meisterdetektiv vom Plan treten zu können; doch das kann nur einem glücken.
Das Netz der Verdachte und Verdächtigungen beginnt sich zu verdichten: Jeder einzelne hatte Anlass, jeder hatte Gelegenheit, den von Twain prophezeiten Mord zu begehen. So spinnt nun jeder für sich das Netz zu Ende und gelangt zum Ziel: Es war der Butler, der Anwalt, der Buchhalter, die Tochter, niemand, jeder und schließlich frisst sich der Kuchen selbst, doch das soll man mit eigenen Augen sehen. Beachtlich ist das Geschick, mit dem der Zuschauer in die kriminalliterarischen Strukturen gelockt wird, unweigerlich selbst miträtselnd Beschlüsse fasst, Thesen aufstellt, diese verwirft, jene wieder umstößt und in triumphaler Weise, nachdem er so hoch gesprungen ist, auf dem harten Boden landet, erkennend, dass scheinbar alles falsch ist.
Am Schluss erklärt Lionel Twain obsiegend: „Ihr Kriminalhelden seid so lange so clever gewesen, dass ihr euch inzwischen wie Götter vorkommt. Mit der billigsten Effekthascherei führt ihr eure Leser an der Nase herum. Ihr quält sie mit aus den Fingern gesogenen Schlüssen, die keinen Sinn haben. Noch auf den fünf letzten Seiten führt ihr Charaktere ein, die im ganzen Buch mit keinem Federstrich erwähnt wurden. Informationen werden absichtlich zurückgehalten, damit ja keiner errät, wer der Täter ist.“
Damit endet ein getötetes Wochenende für die Detektive und ihre Begleiter, damit endet aber auch der Film „Eine Leiche zum Dessert“, der so mystisch und abgeklärt, so ungeheuer wortwitzig und albern ist wie er persiflierend, überziehend Kritik übt und Krimiautoren und -leser ob ihrer Einfältigkeit vor den Kopf stößt. Ein Film, von dem man nie genug hat, und Charaktere, die man nicht vergessen wird.