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    Nathalie küsst
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Nathalie küsst
    Von Asokan Nirmalarajah

    Mehr als ein Jahrzehnt ist es nun her, da begab sich eine junge französische Nachwuchsschauspielerin daran, mit ihren großen, unschuldig blickenden Augen, ihrem bezaubernden, offenen Lächeln und ihrer zierlichen, verletzlichen Figur das globale Kinopublikum im Sturm zu erobern. In der Titelrolle der „Amelie" in Jean-Pierre Jeunets ungeniert verkitschtem Kinomärchen erlebte die damals 25-jährige Audrey Tautou den internationalen Durchbruch, blieb aber trotz tragender Parts in britischen wie amerikanischen Produktionen (von Stephen Frears' „Kleine schmutzige Tricks" bis Ron Howards „The Da Vinci Code - Sakrileg") dem französischen Film treu. Auch in „Nathalie küsst", dem manisch-depressiven Genre-Zwitter aus fröhlicher Romantikkomödie und tieftraurigem Liebesmelodram, ist man – wie ihre zahlreichen männlichen Verehrer im Film – ganz hingerissen von Tautous Mischung aus unnahbarer Schönheit und liebenswürdigem Mädchen von nebenan. Kein Wunder: Das leichtfüßige, emotionsgeladene Regiedebüt der Brüder David und Stéphane Foenkinos gestaltet sich als eine veritable Liebeserklärung an die Französin, die hier an der Seite eines grandiosen François Damiens zur mimischen Hochform aufläuft.

    Der junge Franzose François (Pio Marmai) sitzt in einem kleinen Pariser Café und beobachtet die Gäste. Als die schöne Nathalie (Audrey Tautou) das Lokal betritt, beschließt er sie anzusprechen – sollte sie sich das Getränk bestellen, das er sich für sie in Gedanken ausmalt. Zwei gemeinsam zu sich genommene Aprikosensäfte später sind die beiden ein Paar, leben bald darauf zusammen und heiraten schließlich. Es könnte nicht besser laufen: Sie können selbst ihre Schwiegereltern gut leiden. Das junge Glück findet ein abruptes Ende, als François von einem Auto erfasst wird und an seinen Verletzungen stirbt. Nathalie, die kurz zuvor bei einem schwedischen Unternehmen angefangen hat, stürzt sich die nächsten drei Jahre in ihre Arbeit, bringt es zur Abteilungsleiterin und meidet die Avancen ihres verheirateten Chefs Charles (Bruno Todeschini). Ihr einziger Trost in dieser Zeit ist ihre beste Freundin Sophie (Joséphine de Meaux). Eines Tages meldet sich der schwedische Angestellte Markus (François Damiens) an Nathalies Bürotür und erhält einen unmotivierten Kuss von seiner geistesabwesenden Chefin. Während sie den Kuss als Missverständnis abtut, beginnt der schüchterne Riese Markus, um die süße Nathalie zu werben...

    Die gleichnamige Adaption des achten, über französische Landesgrenzen hinaus zum Bestseller avancierten Romans des vielfach prämierten Autoren David Foenkinos schwingt in ihrer ersten halben Stunde noch rasant und abenteuerlich zwischen den Genres und den dazugehörigen Stimmungslagen. Gestaltet sich die erste Viertelstunde als ein lebensfrohes, magisches Liebesmärchen über schöne sympathische Menschen, die ihr gemeinsames Liebesglück finden und es in einer Traumhochzeit bei Nacht unter dekorativen Schneeflocken besiegeln, führt ein Schicksalsschlag unvermittelt in ein bedrückendes, tränenreiches Melodram alter Schule. Hat man sich dann von diesen zwei intensiven Lebensphasen des Glücks und des Verlusts erst einmal erholt, beginnt die eigentliche, ungleich amüsantere Handlung des Films mit dem titelgebenden Kuss, der die Zuschauer ebenso überraschend trifft wie seinen Empfänger. Die emotionale Achterbahnfahrt des ersten Drittels weicht auf einmal skurriler, putziger Komik, als sich der große, klobige Schwede (herrlich charmant und intelligent verkörpert von François Damiens) daran macht, die kleine, zierliche Französin für sich zu erobern, ohne vor Panik davonzulaufen.

    Ganz nebenbei erzählt der Film anhand von gekonnt eingestreuten, kunstvoll gestalteten Zeitsprüngen die ereignisreiche Geschichte einer Frau über einen Zeitraum von zehn Jahren. Audrey Tautous Figur fungiert dabei gleichermaßen als rührende Identifikationsfigur des melodramatischen Erzählstrangs und als begehrtes Lustobjekt im romantischen Plot aus der Sicht ihres Verehrers Markus. Die Kamera teilt seine Bewunderung Nathalies, indem sie wiederholt ihre Füße, Beine, ihren Rücken, ihr Gesäß und ihren Nacken fokussiert. Schließlich ist der Film auch gerahmt von zwei Männerstimmen aus dem Off, die von Nathalie zu verschiedenen Punkten in ihrem Leben schwärmen. Mitunter werden einem die zahlreichen Bekundungen der Figuren aus dem Off aber zuviel und es schleichen sich, vor allem gegen Ende, einige unnötige Längen ein. Gerade die Nebenhandlung über Nathalies eifersüchtigen Chef hätte man trotz eines exzellenten Bruno Todeschini („Lourdes") etwas kürzen können. Und sich vielleicht auch die ein oder andere von Emilie Simons melancholischen Songs (bekannt für ihre Filmmusik zu „Die Reise der Pinguine") unterlegten Passagen verkneifen können, um für etwas mehr erzählerische Stringenz zu sorgen.

    Fazit: Das lebendige, liebenswerte Regiedebüt des Romanautoren David Foenkinos und seines Bruders und Casting-Directors Stéphane („Midnight in Paris") ist nicht frei von den Klischees des Liebesfilms und hat ein paar Längen. Doch einige fabelhaft gespielte, unglaublich sympathische Figuren und ein witziges, ansprechendes Drehbuch machen die abenteuerliche Mischung aus Liebesmelodram und romantischer Komödie absolut sehenswert.

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