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    Midnight Movies
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Midnight Movies
    Von Christoph Petersen

    Between 1970 and 1977 six low budget films shown at Midnight transformed the way we make and watch movies. Bereits 1983 veröffentliche Regisseur Stuart Samuels, der sich mittlerweile einen Namen als erfolgreicher TV- und Musikproduzent machen konnte, das Buch „Midnight Movies”, in dem er sich mit den popkulturellen Phänomenen hinter dem Erfolg solcher Kultfilme wie John Waters „Pink Flamingos“ oder David Lynchs Eraserhead auseinandersetzte. Mittlerweile ist deutlich geworden, welche Auswirkungen diese Filme auf das moderne Kino haben: Es gibt kaum noch einen modernen Hollywood-Streifen (zum Beispiel American Beauty, Kill Bill Vol. 1 oder Dawn Of The Dead), der nicht von diesen Außenseiterfilmen der 70er Jahre beeinflusst wurde. Das fällige Update seines Werkes hat Stuart Samuels nun nicht in einer weiteren Auflage seines Buchs verarbeitet, sondern als äußerst unterhaltsamen Dokumentarfilm inszeniert.

    Das erste Midnight Movie war der mexikanische Western-Horror-Experimentalfilm „El Topo“ aus dem Jahre 1969. Regisseur Alejandro Jodorowsky produzierte seinen Film auf gut Glück für den amerikanischen Markt, aber zunächst interessierte sich kein Verleih für das ultraharte, sehr surreale Werk. Erst als ein New Yorker Kinobesitzer Jodorowsky anbot, seinen Film nach allen normalen Vorführungen in einer bis dahin unbekannten Zwölf-Uhr-Schiene zu zeigen, entwickelte sich „El Topo“ schnell zu einem absoluten Kulthit für die jugendliche Generation, die nach Filmen abseits des „Guten Geschmacks“ verlangte. Als „El Topo“ nach dem großen Erfolg eine landesweite Kinoauswertung erfährt, floppt er an der Kinokasse aber gnadenlos. Genau andersherum ergeht es George A. Romeros Zombie-Klassiker Die Nacht der lebenden Toten, der zunächst in der normalen Auswertung hinter den Erwartungen zurückbleibt, dann aber den Platz von „El Topo“ in den Mitternachts-Programmen übernimmt und dort auch finanziell große Erfolge feiert.

    Ein weiterer Klassiker dieser Ära war Perry Henzells „The Harder They Come“, den man als eine Art Vorgänger von City Of God bezeichnen könnte. In der jamaikanischen Musikszene angesiedelt, erzählt dieser Thriller die wahre Geschichte eines Reggae-Künstlers, der in kriminelle Machenschaften verwickelt wird. Vor allem durch den noch heute täglich im Radio gespielten Hit „You Can Get It If You Really Want“ wurde der Film zu einer Hymne der Marihuana rauchenden Studentengeneration. Gegen alle kulturellen, geschmacklichen und filmischen Konventionen hat John Waters seine bitterböse Satire „Pink Flamingos“ inszeniert. Und eine einzige Szene, in der Travestie-Künstler Divine ein echtes Stück Hundescheiße ist, hat ausgereicht, den Film durch skandalöse Mundpropaganda zu einem weltweiten Phänomen werden zu lassen. Die letzten beiden von „Midnight Movies“ behandelten Filme sind die allseits bekannten „The Rocky Horror Picture Show“ von Jim Sharman und Eraserhead von David Lynch.

    „Midnight Movies“ erzählt nacheinander die Erfolgsgeschichten dieser sechs grundverschiedenen Kultklassiker, indem er Filmausschnitte, Originalaufnahmen aus den Kinovorstellungen und Interviews mit den Regisseuren, Verleiher, Kinobesitzern und Filmkritikern (u. a. Roger Ebert) so geschickt aneinanderreiht, dass eine für einen Dokumentarfilm ungewöhnlich gut funktionierende Dramaturgie dabei herausspringt. Dabei merkt man stets wie sehr Samuels und seine Interviewpartner in dieser hochinteressanten Epoche des amerikanischen Kinos zu Hause sind, ohne dass sie dabei aber dem Zuschauer von oben herab eine Vorlesung halten würden, sondern vielmehr die Fakten in äußerst amüsanten oder aufregenden Anekdoten verpackt rüberbringen.

    Aber noch viel wichtiger als diese spannende Abhandlung über eine ganz besondere Kino-Ära ist, dass es Samuels in den besten Momenten von „Midnight Movies“ gelungen ist, auch das aufgewühlte Gefühl, das hinter dem überraschenden Erfolg dieser Mitternachtsfilme steht, wieder auferstehen zu lassen. Wenn er die Karneval-artigen Vorstellungen von „The Rocky Horror Picture Show“ zeigt oder die an eine rituelle Prozession erinnernde Atmosphäre eines „El Topo“ Mitternachtsprogramms einfängt, wünscht man sich als Zuschauer, auch heute noch einmal Kino in einer ähnlichen Intensität wie im 70th-Underground-Cinema erleben zu dürfen.

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