Josh Hartnett. Bruce Willis. Lucy Liu. Morgan Freeman. Ben Kingsley. Stanley Tucci. Wenn es einem bei der Lektüre der Besetzungsliste vor lauter Stars fast den Atem verschlägt, muss dies für gewöhnlich nicht unbedingt auf einen guten Film hindeuten. Viele Köche (oder Egos) verderben bekanntlich den Brei, Beispiele dafür sind Legion. Es gibt aber auch Ausnahmen. Und eine solche Ausnahme bildet die Thriller-Komödie „Lucky Number Slevin“.
Zur falschen Zeit am falschen Ort, und das mehrmals hintereinander. Es ist wirklich nicht Slevins (Josh Hartnett) Tag. Kaum in einer fremden Stadt aus dem Zug gestiegen, wird er überfallen und verliert so mehr als Geld und Papiere, nämlich seine ganze Identität. In der Wohnung seines Freundes angekommen, den er besuchen wollte, ist dieser nicht nur abwesend, nein, plötzlich stehen alle möglichen lichtscheuen Gestalten vor ihm, die eine Rechnung mit besagtem Kumpel offen und partout nicht zu Kenntnis nehmen wollen, dass sie die falsche Person am Schlafittchen haben. Slevin – zunächst gar nur mit einem Handtuch bekleidet (zum Glück kann Hartnett sich das leisten) - wird er vor eine lokale Mobster-Größe geschleift, den „Boss“ (Morgan Freeman). Dieser erinnert ihn freundlich aber extrem bestimmt an seine Spielschulden (die Spielschulden seines Freundes natürlich) und besteht darauf, dass Slevin sie abarbeitet - durch einen Mord, begangen am Sohn seines Konkurrenten und Intimfeindes, dem „Rabbi“ (Ben Kingsley). Doch damit nicht genug. Kaum aus den Klauen des Bosses entkommen, wird Slevin abermals gekidnapped, diesmal von einer Band hochgerüsteter orthodoxer Juden-Gangster (!), die ihn ihrerseits vor den „Rabbi“ zerren, der genau auf der anderen Straßenseite vom „Boss“ residiert. Denn Slevins Freund hat auch hier Schulden, die bezahlt werden wollen. Auch die Polizei in Gestalt des Bullenbeißers Brikowski (Stanley Tucci) beginnt sich für Slevin zu interessieren. Und im Hintergrund zieht ein ominöser Killer namens Goodkat (Bruce Willis) gnadenlos die Fäden um Slevin zusammen. Slevin, der dem allem merkwürdig unbekümmert gegenübersteht, kann sich nur auf eine Person verlassen, seine neue Freundin Lindsey (Lucy Liu), eine benachbarte Gerichtsmedizinerin mit einer Nase für Verbrechen. Doch plötzlich kommt alles ganz anders als erwartet…
Mehr zu erzählen, wäre ein echtes Verbrechen am Zuschauer, denn ein wesentlicher Reiz des Films sind die mannigfaltigen Twists, die die Handlung saltogleich in immer andere Richtungen treiben. Dabei macht es der Film dem Zuschauer nicht wirklich leicht. Es erfordert eine gehörige Portion an Aufmerksamkeit, um die anfangs angerissenen Erzählstränge, die im Nachhinein entwirrt werden, aufzunehmen und später richtig einzuordnen. Dass der Film dabei mit diversen Zeitsprüngen vorwärts wie rückwärts erzählt wird, macht die Sache nicht leichter. Wer aber die ersten zehn Minuten hinter sich gebracht hat, wird, wenn die eigentliche Handlung um Slevin beginnt, mit einem ungeheuer intelligenten, überraschenden und unterhaltenden Film belohnt. Besonders in der ersten Hälfte bietet der Streifen einen ungeheuren Wort- und Dialogwitz, den man heutzutage kaum noch gewöhnt ist. Das Drehbuch ist eine echte Perle und kann am ehesten mit dem legendären Die üblichen Verdächtigen verglichen werden. Das einzige, was man an der Handlung kritisieren kann, ist, dass ihr diverse unbeteiligte Personen ungerührt geopfert werden, und zwar von allen Seiten.
Die Ausgangssituation – zwei Gangsterbosse sind verfeindet und ein praktisch namenloser Killer kommt in die Stadt – ist so oft zitiert worden, dass man von einem Klischee sprechen kann. Nur was bislang der Aufhänger für knallharte Genrewerke gewesen ist (angefangen von Dashiell Hammetts Roman „Rote Ernte“ über Kurosawas „Yojimbo“ und Für eine Handvoll Dollar bis zu Last Man Standing, ebenfalls mit Bruce Willis in der gleichen Rolle), wird nun genüsslich zitiert und als Hintergrund für eine fast schon satirische Thriller-Dramödie verwurstet.
Josh Hartnett ist bislang in seinen Filmen gut aussehend, aber eher farblos rübergekommen. Diese Eigenschaft erweist sich jetzt als Glücksfall. Der Streifen bietet ihm endlich die Möglichkeit, mehrere Facetten seines schauspielerischen Könnens zu zeigen, als es ihm bislang vergönnt gewesen ist. Lucy Liu ist sympathisch wie nie, ja sogar richtig süß und bildet das emotionale Zentrum der Geschichte. Morgan Freeman und Ben Kingsley bekommen herrliche Mono- und Dialoge in den Mund gelegt, an denen sie sich mit all ihrem Können austoben. Bruce Willis ist als wortkarger und undurchsichtiger Killer die Idealbesetzung. Und wieder einmal bewahrheitet sich die Regel, dass es keine wirklich schlechten Filme mit Stanley Tucci gibt, einem der am meisten unterschätzten aktiven Schauspieler. Alle ordnen sich der verzwickten und durchdachten Handlung unter, keiner drängt sich nach vorne. Ein Genuss. Besondere Erwähnung verdienen die ausgefeilte Schnittechnik und die hervorragende Ausstattung des Films, der ein eigener Aussagewert zukommt. Nicht wirklich nachzuvollziehen ist allerdings, warum der Film keine Jugendfreigabe erhalten hat (zur Erinnerung: Casino Royale dürfen sogar Sechsjährige in Begleitung einer personensorgeberechtigten Person besuchen). Aber die Wege der FSK sind nun mal unergründlich.