Liest man den Filmtitel „Bug“, kommen einem zwei mögliche Filmszenarien in den Sinn: Entweder ein Katastrophenfilm, in dem Millionen von Käfern über die Menschheit herfallen oder ein verheerender Computerfehler, der die gesamte Zivilisation lahm legen könnte. Doch wer ein großes Setting mit Massenpanikszenen erwartet, liegt völlig falsch. Regie-Veteran William Friedkin, der sich mit Klassikern wie Der Exorzist und French Connection brüsten kann, präsentiert mit „Bug“ einen kammerspielartigen Paranoia-Thriller, der durch das Spiel von Ashley Judd und Michael Shannon sowie passend gesetzte Spannungsspitzen in den stärksten Momenten verstört und unter die Haut geht.
Agnes (Ashley Judd) hat vor Jahren ihren kleinen Sohn verloren, lebt in einem heruntergekommenen Motel in Oklahoma und bekommt ständig mitten in der Nacht Anrufe, ohne dass sich der Teilnehmer an der anderen Seite der Leitung zu erkennen gibt. Sie glaubt aber zu wissen, dass es sich bei dem mysteriösen Anrufer um ihren gewalttätigen Ex-Mann handelt, der im Gefängnis landete, als er sie fast zu Tode prügelte, nun aber bereits wieder auf freiem Fuß sein könnte. Ihre klägliche, von Angst und Trauer dominierte Existenz erträgt sie nur mit Alkohol und Drogen. Ihre einzige Freundin und Bezugsperson ist die Lesbe RC (Lynn Collin), die ihr eines Abends den stillen Peter (Michael Shannon) mitbringt. Agnes fasst schon bald Vertrauen zu dem sympathischen, aber auch immer wieder sonderbare Dinge von sich gebenden Mann. Als er ihr offenbart, vom Militär gesucht zu werden und Käfer in sich zu tragen, beginnt das perfide Psychokarussell zu rotieren.
Basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück „Bug“ begibt sich Regisseur William Friedkin in die bizarre Wahrnehmungswelt zweier verlassener Seelen und zeigt auf schonungslose Art Paranoia in ihrer schärfsten Form. Dabei geht er sehr geradlinig vor und lässt seine Geschichte nach einer gemächlichen, etwas zu langen, aber niemals langweilig werdenden Exposition und einen umso kürzeren vorbereitenden Mittelteil in ein traumatisches Finale münden. Ohne Storytwists, mit nur fünf agierenden Personen und fixiert auf die Wohnung von Agnes als Handlungsort, konzentriert sich der Film voll auf die Gespräche der Charaktere. Das filmische Ergebnis der Zentrierung auf nur eine Handvoll von Akteuren in der Enge eines Appartements sorgt dabei für eine besonders starke Zuspitzung der Psychosen und letztlich für eine besondere Polarisierung hinsichtlich der Wahrnehmung des Films.
Einerseits ist der Film sehr redselig. Es wird durchgängig über Vorstellungen, Ängste und Wahn geredet, dies führt aber in den seltensten Fällen zu einer Aktion oder einer Visualisierung des Gesagten. Doch gerade durch diese paranoiagetränkten Unterredungen wird der Spannungsaufbau vorgenommen und soll eine beklemmende Atmosphäre erzeugt werden. Hierauf muss man sich einlassen können, damit der Film funktioniert. Führen die Wahnbekundungen dann doch einmal in eine Aktion, ist diese dann umso überraschender und verstörender. Andererseits ist der lange Einführungsteil, in dem die Situation der Charaktere sowie ihre Beziehung zueinander etwas behäbig beschrieben wird, nicht jedermanns Sache. Und das letzte Drittel hat es dann so in sich, dass man das Geschehen, entweder als hoffnungslos übertrieben bewertet oder diesem eine ganz eigene Klasse beimisst. Unzweifelhaft dürfte aber sein, dass die abschließenden 30 Minuten des Films, in denen sich die beiden vermeintlich von Käfern Heimgesuchten gänzlich ihrer Paranoia hingeben, mit zu den extremsten Filmmomenten der vergangenen Jahre.
In dem nicht mehr wiederzuerkennenden Motelzimmer, das gänzlich mit Alufolie ausgelegt und von Insektenlampen beleuchtet eine bedrohliche, unwirkliche Stimmung erzeugt, spielen die beiden Hauptdarsteller groß auf. Gerade Ashley Judd (Heat, De-Lovely) schafft es, den eher als B-Movie konzipierten Film mit ihrem Spiel in eine andere Liga zu befördern. Schon als gebrochene Frau mit Alkoholproblemen legt sie eine extrem gute Leistung an den Tag und im Finale versucht sie dann sprichwörtlich alles aus sich heraus zu holen. Auch Michael Shannon (Vanilla Sky, World Trade Center) ist als psychotischer Peter, den er bereits auf der Theaterbühne verkörperte, sehr überzeugend, so dass die beiden Schauspieler die letzten Minuten für den Zuschauer erst recht zu einer Tour de Force werden lassen. Trotzdem befinden sich die beiden Darsteller gerade in dieser Phase stets am Rande des Overactings und haben Mühe, in dem Inferno ernst genommen zu werden.
So ist „Bug“ ein wortreicher Paranoia-Thriller, der mit seiner Stringenz und seinen beiden hemmungslos aufspielenden Hauptdarstellern punkten kann, sich aber ein wenig viel Zeit bei der Erläuterung der Grundkonstellationen nimmt und beim aufreibenden, schockierenden Ende etwas übers Ziel hinausschießt.