Amerika hasst Steven Zaillians Polit-Drama „Das Spiel der Macht“. Bei den Kritikern fiel das freie Remake von Robert Rossens „Der Mann, der herrschen wollte“ aus dem Jahr 1949 durch. Die zweite Adaption von Robert Penn Warrens Pulitzer-Preis-prämiertem Roman „All The King’s Men“ erwies sich dazu noch als ausgesprochenes US-Kassengift. Die offensichtliche Abneigung gegen den Film hat Gründe, amerikanische Gründe, politische Gründe. Es ist kein Wunder, dass in einem Land, dessen Massenmedien sich penetrant rechtskonservativ gebärden, ein aufrechter Linksausleger wie „Das Spiel der Macht“ keine Chance hat. Zaillians Polit-Parabel hat gewiss ihre Schwächen, aber gesellschaftliche Gültigkeit besitzt die Quintessenz des Films dennoch damals wie heute.
Die etwas tölpelhaften politischen Ambitionen des Lehrers Willie Stark (Sean Penn) verlaufen Ende der 40er Jahre kläglich im Sande, bis der zwielichtige Tiny Duffs (James Gandolfini) Stark als neuen Gouverneur von Louisiana aufbauen will. Stark, ein ehrlicher, einfacher Mann, steht für kompromisslosen Idealismus. Er versteht sich als Sprecher der Armen und Unterdrückten, denen er eine Stimme geben will. Und Stark hat Charisma und Instinkt, was das einfache Volk fasziniert, während das Establishment am Anfang nur die Nase rümpft, ihn aber später – als er eine Bedrohung wird – aktiv bekämpft. An seiner Seite begleitet ihn der ehemalige Journalist Jack Burden (Jude Law) auf dem Weg ins Amt und kämpft mit, darin zu bleiben. Seine politischen Gegner, bezahlt von der Upper Class, streben ein Amtsenthebungsverfahren an, das durch den einflussreichen Richter Irwin (Anthony Hopkins), Burdens Ziehvater, gestützt wird. Im Wettstreit ums politische Überleben legen beide Lager harte Bandagen an...
„Das Spiel der Macht“ ist ein universelles Lehrstück über politische Moral, Macht, Machterhalt und Machtmissbrauch. Der Fakt, dass der aktive Linksradikale Sean Penn (Mystic River, 21 Gramm) in der Hauptrolle zu sehen ist und der Ton rechtskritisch ausfällt, provoziert in den US-Medien geradezu eine überwiegende Ablehnung... im Land der Freien, das diesen Namen in Bezug auf die ausgewogene Darstellung von Meinungen kaum mehr verdient. Ein Land, in dem der desaströs agierende Präsident George W. Bush von den großen Networks entweder protegiert oder zumindest kaum behelligt wird, verwundert es kaum, wenn „Das Spiel der Macht“ keine Lobby hat.
Anders als in Rossens Oscar-prämiertem Original steht Journalist Jack Burden als Erzähler im Zentrum. Das Publikum betrachtet die Geschichte vom Aufstieg und Fall Willie Starks durch seine Augen, dadurch wird eine Außenansicht auf das Wirken des Instinktpolitikers gewährt. Doch diese Blickweise stellt sich auch als Schwachpunkt heraus, weil Burden selbst eigentlich zu uninteressant ist, um die Story zu tragen. Je enger die Bindung zu Stark, desto packender ist das Geschehen. Stark, dessen Filmbiographie lose auf Louisianas Gouverneur Huey Long basiert, schmeißt seine Ideale in Windeseile über Bord, als er an den Hebeln der Macht sitzt. Das beginnt im Kleinen, indem er die Limo mit zwei Strohhalmen gegen harte Drinks am Morgen eintauscht und hört damit auf, dass er alles, was ihm im Wege steht, mit zwielichtigen Methoden durch die Mangel dreht. Stark ist ein Populist, der sein Näschen fein in den Wind halten kann, um die Stimmungen in der unteren Bevölkerungsschicht aufzunehmen und für sich zu verwenden. Allerdings verkommt dies später zum Selbstzweck – die Ziele sind nicht mehr wichtig, nur die Tatsache, dass sie ihn an der Macht halten sollen.
Wer bei der Stellenbeschreibung der Hauptfigur nicht gleich an Sean Penn denkt, hat in Hollywoodgeschichte wohl nicht aufgepasst. Der bekennende Linke dreht als Willie Stark auf, fährt die großen Gesten und geht - larger than life - bis an die Grenzen des theatralisch Machbaren. Und die Kamera ist immer sehr nah dran, so dass Penn bei seinen Reden fast überlebensgroß wirkt. Er hat das grobkörnige Charisma, solch eine Figur dominant bis zum Exzess zu geben - inklusive antrainiertem Südstaatenakzent. Wer ungnädig ist, nennt dies overacting, wer große Auftritte mag, darf sich an außergewöhnlichem Schauspiel erfreuen.
Dagegen müssen Penns Mitspieler naturgemäß verblassen. Jude Law (Hautnah, Alfie) schlägt sich als zynischer Storykatalysator wacker, verzieht keine Miene, zeigt kaum eine Emotion und geht im direkten Vergleich zu Penn unter. Doch im Gegensatz zu Kate Winslet (Titanic, Das Leben des David Gale) erfüllt Law wichtige dramaturgische Funktionen. Winslet taucht recht spät auf und dient eigentlich nur dazu, einen Interessenskonflikt zwischen Stark und Burden herauf zu beschwören, was als Subplot jedoch überflüssig ist. Anthony Hopkins (Mit Herz und Hand, Das Schweigen der Lämmer) hat nur kleine Auftritte, ist für die Handlung aber von enormer Bedeutung. Der Oscarpreisträger hinterlässt im Finale den prägnantesten Eindruck.
„Das Spiel der Macht“ zeichnet nicht nur ein exemplarisches Politikerschicksal nach, sondern wirft ebenso einen kritischen Blick auf das Wirken und den Einfluss der Medien, deren Manipulationsmöglichkeiten sich bis in die Gegenwart zusehends gesteigert haben. Regisseur Zaillian (Zivilprozess) demonstriert, wie Macht in allen Facetten funktioniert. Dass die Handlung Ende der 40er bis Mitte der 50er Jahre angesiedelt ist, spielt keine Rolle, weil die Aussagen universell sind. Wer an „Das Spiel der Macht“ Gefallen finden möchte, muss sich trotz der Qualitäten auf eine armrudernde Theatralik einlassen wollen und auf das gesetzte Tempo aufspringen, das die Charaktere in Bewegung bringt, bis diese nicht mehr zu stoppen sind.