Eine Frau freut sich auf die vor ihr stehende Suppe, als sie plötzlich zu einer Knetfigur wird und einen kleinen geflügelten Dämon aus ihrem Essen fischt, der ihr sofort das Zäpfchen aus dem Rachen reißt, um es zu verspeisen. Darauf folgt eine skurrile Lehrstunde über den unvermeidbaren Kreislauf des Fressens und Gefressen-Werdens, bis eine Krähe von einem Ast getroffen wird und der eigentliche Film beginnt. Die merkwürdigen Geschehnisse der ersten Minuten offenbaren, obwohl sie mit der restlichen Handlung scheinbar überhaupt nichts zu tun haben, auf was sich der Zuschauer bei der Komödie „The Happiness Of The Katakuris“ einlässt: nämlich auf einen der wohl unkonventionellsten Filme der vergangenen Jahre. Das aberwitzige Werk von Skandalregisseur Takashi Miike („Visitor Q“, Audition, Like A Dragon) verquickt auf sorglose Weise Musicaleinlagen mit Horrorfilmelementen, eine nette Familiengeschichte mit bitterbösem Humor und Realfilmaufnahmen mit Stopp-Motion-Knetfigureinlagen - und macht dabei, wenn man sich denn auf den abstrusen Mix einlässt, einen Heidenspaß.
Als Mr. Katakuri (Kenji Sawada) kurz vor seiner Pensionierung seinen geliebten Job als Schuhverkäufer verliert, fasst er den Plan, zusammen mit seiner Familie eine Bergpension zu eröffnen. So zieht er mit seiner Frau (Keiko Matsuzaka), seinem noch rüstigen Vater (Tetsuro Tamba), seinem bereits straffällig gewordenen Sohn (Shinji Takeda), der hoffnungslos romantischen Tochter (Naomi Nishida) und der süßen Enkelin (Tamaki Miyazaki) in die Berge und richtet dort ein kleines Hotel her. Doch der erste Gast lässt auf sich warten. Als sich bereits Missmut in der vier Generationen umfassenden Familie breit macht, checkt dann doch endlich jemand ein. Doch mit dem ersten Gast beginnen die eigentlichen Probleme für die Katakuris erst: Ein Gast nach dem anderen verliert in der Pension auf bizarre Weise sein Leben...
Knapp drei Jahre nach dem kommerziellen Erfolg der koreanischen Komödie The Quiet Family brachte Regisseur Takashi Miike seine eigene überdrehte und irrwitzige Version der Leichen verbuddelnden Hotelierfamilie heraus, welche die ohnehin schon reichlich merkwürdige Story des schwarzhumorigen Originals in völlig neue Sphären des Absurden katapultierte. Perverse Gewaltexzesse und blutig-erschreckende Horrorkost darf der Zuschauer allerdings nicht erwarten, hier wird lieber quietschvergnügt gemeinsam mit den aus dem Erdreich wiederauferstandenen Leichen getanzt und ein Lied über Lebensfreude geträllert. Die zahlreichen schrägen Musical-Nummern heben sich vor allem durch ihre witzigen, originellen Choreographien und die hörbar nicht fürs Musicalfach ausgebildeten Stimmen der Schauspieler (Ausnahme: der japanischen Popstar Kiyoshiro Imawano) von allen bekannten Musical-Verfilmungen ab und verleihen den überdrehten, bewusst kitschigen Sequenzen einen ganz besonderen Charme.
Die Darsteller der Familienmitglieder wissen mit enormer Spielfreude zu punkten, wobei vor allem Naomi Nishida (Monday) als naive alleinerziehende Mutter und Kiyoshiro Imawano („Takashi Miikes Krieg der Dämonen“) als hanebüchene Geschichten auftischender Heiratsschwindler Richard zu begeistern wissen. Anders als im Original werden die einzelnen Familienmitglieder und ihre Beziehungen zueinander in „The Happiness Of The Katakuris“ näher beleuchtet. Dabei durchzieht den ganzen Film eine unverhohlene Lobpreisung des Familienglücks, was aber aufgrund der ursympathischen Katakuris, die es spielend schaffen, den Zuschauer auf ihre Seite zu ziehen, nicht wirklich stört. Während bei „The Quiet Family“ die Szenerie im Mittelpunkt stand, die für einen Horrorfilm typische dunkle Farbgebung dominierte und eine klare Distanz zur Familie gewahrt wurde, nutzt Miike in seiner rundum ausgeflippten Neuinterpretation die gesamte Farbpalette aus und beleuchtet die Katakuris lieber in episodenhaften Musical-Nummern näher, als sich um Horroratmosphäre oder die eigentliche Haupthandlung zu kümmern. Zudem werden immer wieder durchgeknallte Stopp-Motion-Sequenzen mit Knetfiguren eingestreut, die den grotesken Charakter des Films auch optisch widerspiegeln. Aufkommende Längen werden von Miike immer schnell mit neuen merkwürdigen Einfällen und der durchweg verquer-skurrilen Umsetzung verscheucht, die das Original im direkten Vergleich beinahe bieder wirken lassen. Dabei bleibt offen, ob das Remake als Hommage oder doch eher als böser Hohn und Spott in Bezug auf einen Blockbuster aus dem ungeliebten Korea zu verstehen ist.
Logik sucht man, wie könnte es bei all dem überdrehten Überschwang anders sein, in „The Happiness Of The Katakuris“ vergebens. Und auch wenn Miikes Werk ein hohes Maß an Kreativität nun wahrlich nicht abzusprechen ist, werden sich viele Betrachter vom Erguss all dieser verrückten Ideen doch überfordert fühlen oder sich aufgrund der absolut unrealistischen, absurden Vorkommnisse kopfschüttelnd abwenden. Sich vollständig auf der experimentellen Spielwiese des japanischen Regisseurs zu verlieren, wird aber wohl jedem schwer fallen, denn der Film ist dann doch etwas zu überzogen, um auf ganzer Linie zu begeistern. Die sympathische Familie Katakuli, welche den Zuschauer das ein ums andere Mal zum Lachen animiert, wird aber keiner so schnell vergessen.
Verspielt, überdreht, durchgeknallt – „The Happiness Of The Katakuris“ ist ein unglaublich wildes Remake, das für die einen ein einfallsreiches, schrilles Familien-Horror-Musical-Erlebnis darstellt, für die anderen aber einen weiterer Beweis dafür liefert, dass mit Kult-Regisseur Takeshi Miike irgendetwas einfach nicht stimmen kann.