Direct-to-DVD-Titel verkaufen sich gerade im Actionbereich nicht über die Qualität, sondern die Gesichter auf den Covern. Dass ein gutes Drehbuch und eine stringente Regie dafür sorgen könnten, dass sich über Mundpropaganda aus einem Geheimtipp ein Verleihschlager entwickelt, ist den Investoren viel zu riskant. Ein Großteil des Budgets fließt daher in die Darsteller, so dass altgediente Actionhelden wie Chuck Norris, Dolph Lundgren, Jean-Claude Van Damme oder Steven Seagal mit diesen Billigproduktionen fleißig Geld scheffeln. Letzterer hält auch bei dem B-Movie „Ticker“ des einschlägigen Regisseurs Albert Pyun („Captain America“, „Cyborg“, Vergeltung der Verdammten) als einer der Cover-Köpfe her. Um auf Nummer sicher zu gehen, haben die Produzenten ihm mit Tom Sizemore und Dennis Hopper noch zwei weiter bekannte Gesichter zur Seite gestellt. Auf dem US-Cover prangert im Gegensatz zur deutschen Scheibe statt Hopper der Rapper Nas, um die angepeilte Zielgruppe noch direkter anzusprechen. Offensichtlich bedeutet diese geballte „Starpower“ jedoch auch, dass fast das gesamte Budget direkt in den Cast geflossen ist – so sieht der Low-Budget-Actioner mit seinen aufgewärmten Explosionen und Actionszenen, die aus anderen Genrewerken übernommen wurden, zumindest aus.
Durch Zufall stoßen der abgehalfterte und von seinen Vorgesetzten aufs Abstellgleis geschobene Detective Ray Nettles (Tom Sizemore) und sein Partner Art 'Fuzzy' Rice (Nas) auf das Versteck des Bombenbauers Alex Swan (Dennis Hopper). In Folge eines Schusswechsels stirbt der junge Fuzzy, während Nettles nur davonkommt, weil er Swans schöne Freundin Claire (Jaime Pressly) als Schutzschild benutzt. Swan entkommt und Nettles bleibt nur die mysteriöse Schöne, die aber jede Aussage verweigert. Doch Swan will seine Freundin nicht der Polizei überlassen und startet eine Serie von Anschlägen in San Francisco, um sie freizupressen. Ohne Unterstützung seiner Vorgesetzten tut sich Nettles mit Frank Glass (Steven Seagal), dem Leiter der Spezialeinheit für Bombenentschärfung zusammen, um den wahnsinnigen Swan, der sich selbst für einen Künstler hält, zu stoppen…
„Ticker“ ist ein extrem kostengünstig inszenierter Low-Budget-Streifen. An nur zwölf Tagen heruntergekurbelt, ist Albert Pyuns Werk nie anzusehen, warum die InternetMovieDatabase ein Budget von 25 Millionen Dollar für ihn ausweist. Selbst wenn das Geld größtenteils in die Gagen der prominenten Darsteller sowie einiger Assistenten und Hair-Stylisten für die Herren geflossen ist, kommt die Summe nicht hin, es sei denn, Pyun ist ein Geldverschwender par Excellence. Die meisten Szenen sind nämlich so billig produziert, wie es nur irgendwie geht. Teilweise wurden ganze Passagen überhaupt nicht neu gedreht, sondern einfach aus alten Filmen übernommen. Eine Szene zu Beginn mit Dennis Hopper stammt beispielswiese aus dem Film „Frankie The Fly“. Die Action zu Beginn ist nahezu komplett aus anderen Videothekenschinken, etwa den B-Movie-Actionern „The Sweeper – Land Mines“ und „Deadly Takeover“, übernommen. Der Zusammenschnitt ist dabei handwerklich äußerst misslungen und bietet jede Menge Anschlussfehler. Auch die finalen Actionszenen könnten manchem Zuschauer bekannt vorkommen, sie stammt nämlich aus „Red Zone“ mit Dolph Lundgren. Gerade wenn es um die Action geht, hat der Film so kaum mehr etwas Eigenes zu bieten.
Auch im Übrigen ist die (technische) Budgetlimitierung streckenweise sehr deutlich zu sehen. In einer Szene fahren Hopper und Pressly gemeinsam in einem Auto. Die beiden Schauspieler haben sich aber nach Aussage des Regisseurs im Audiokommentar der DVD während der Dreharbeiten kein einziges Mal getroffen - und das ist dieser Szene auch anzumerken. Es wurde immer nur eine Person gefilmt, die vor einem Bluescreen einen Autofahrer mimt. Die Abstimmung zwischen realer Person und Computerhintergrund ist dabei so schlecht, dass die Übergänge deutlich zu erkennen sind. Wer genau aufpasst, bemerkt zudem, dass sich der Computerhintergrund nicht immer richtig mitbewegt. Dass Autofahrten trotz des heutigen Technikstandards immer noch so unglaublich mies ausschauen, ist eine Frechheit.
Die Story selbst bietet nicht viel Aufregendes. Hopper kündigt an, Bomben zu zünden, die Polizei ist ratlos, die Bombe explodiert, Menschen sterben und das Spiel beginnt von vorne. Dazwischen tappen Sizemore und Seagal durch die Gegend und finden irgendwann eine Spur, die zum Bösewicht führt. Ein wenig Reiz gewinnt die lahme, niemals Spannung entwickelnde Geschichte nur durch den undurchsichtigen Charakter von Jaime Pressly (Dead Or Alive, Hart am Limit). Ob bedauernswertes Opfer oder eiskalte Komplizin bleibt lange unklar und so verwundert es nicht, dass sie eine entscheidende Rolle beim obligatorischen Schlusstwist spielt.
Die drei Hauptdarsteller spulen ihre Rollen größtenteils einfach nur runter. Den meisten Reiz versprüht dabei ausgerechnet die Performance von Steven Seagal, der hier mal nicht den harten Cop, sondern den bebrillten Intellektuellen spielt. Dahinter dürfte eine Anspielung auf Einsame Entscheidung stecken, in dem er als Actionstar recht schnell abtreten muss, um Kurt Russell, der einen eben solchen Intellektuellen mimt, die Show zu überlassen. In „Ticker“ wird sein Charakter nach und nach immer wichtiger und es verwundert nicht, dass er am Ende die Brille beiseite legen und kurz auch mal austeilen darf. Sizemore (Paparazzi, Das Relikt) tapst als traumatisierter Cop mit einer minimalen Bandbreite an Gesichtsausdrücken durch das Szenario und Hopper kopiert ein wenig lustlos seine Rolle aus Speed. Für ihn war die Arbeit besonders leicht. Angeblich war er trotz recht viel Screentime nämlich nur einen einzigen Tag am Set. Da muss eigentlich immer sofort der erste Take verwendet worden sein. Seagal soll übrigens immerhin ganze sechs der zwölf Drehtage anwesend gewesen sein.
Ein amüsantes Detail am Rande: In einer Szene betreten Seagal und Sizemore eine Bar, in der eine Blues-Band spielt. Für einen kurzen Moment ist der Sänger der Band zu sehen und manch Zuschauer wird sich verwundert die Augen reiben: Ja, es ist tatsächlich Seagal, der hier eine Minizweitrolle übernommen hat. Wer darauf hofft, die Kurzsichtung gleich noch einmal einer genaueren Prüfung unterziehen zu können, wird allerdings enttäuscht. Wenn Sizemore und Seagal im Folgenden in der Bar am Tisch sitzen und die Band im Hintergrund zu sehen ist, fehlt Sänger Seagal. Es war wahrscheinlich zu kostspielig, ihn umständlich per Computer einzufügen. So gibt es aber immerhin einen Grund, sich „Ticker“ anzuschauen: Fans des übergewichtigen Zopfträgers können ihren Heroen hier gleich in einer Doppelrolle bestaunen.