Allgemeine Dan Brown-Kritik:
Das Thema eines jeden Thrillers die Angst, und Ängste ändern sich.
In den Fünzigern hatte man Angst vor grünen (oder den Roten?) Männchen.
Ende der Sechziger beschwor Michael Crichton die bösen Geister der Technik und in den Neunzigern wetterte John Grisham auf die Gespenster der Ökonomie.
Die Liste ist lang.
Nun kommt die Vergangenheit. Und natürlich müssen unheimliche - weil unverstandene - Religionen herhalten.
Dass in Browns Romanen Fiktion und "Wirklichkeit" verknüpft werden ist blanker Unsinn. Wohl eher ein schönes Beispiel paranoider Geschichts-"Wissenschaft". Er beruft sich auf falsche Quellen und irgnoriert sämtliche Fakten, die seiner "These" zuwiderlaufen würden. Wohl aus diesem Grund.
So ist es beispielsweise im Spätmittelalter und in der Frührenaissance üblich gewesen, Johannes den Jünger besonders kindlich-feminin darzustellen. Ein kleiner Blick in die Kunstgeschichte reicht aus, um dutzende Werke dieser Art zu sehen. Den Grund findet man in der Bibel (vielleicht mal lesen!), die ja nun eine der wichtigsten Inspirationsquellen war. Dort steht sogar, dass Johannes der Jünger der Mann war, den Jesus am meisten liebte! War Jesus schwul? Daraus ließe sich wieder eine noch neuere "These" schmieden.
Verfügten etwa all die Künstler dieser Zeit über brownsches "Geheimwissen"? Mysteriös! In Browns populistischen pseudo-historischen Romanen tauchen solche Fakten natürlich nicht auf. Warum auch - die Kasse muss klingeln! Bravo.
Noch ein Irrtum: Die Gralslegende ist erst im Mittelalter entstanden und der einzige Bezug zum biblischen Text ist der von Josef von Arimathäa, der das Blut Jesu in einer Schale aufgefangen haben soll. Selbst wenn man die Schale mit dem Heiligen Gral gleichsetzt, hätte da Vinci
keinen Grund gehabt, diese Schale beim letzten Abendmahl darzustellen, da sie zur Kreuzigungsszene gehört.
Solch einen dumpfbackigen Fehler hätte sich solch ein brillanter Geist nicht erlaubt.
Noch mehr Unsinn: Die Göttlichkeit Jesu wird bereits im Neuen Testament mehrfach angesprochen und wurde in der kirchlichen Orthodoxie nie in Frage gestellt. Das erste Konzil von Nicäa entschied nicht darüber, ob Jesus als Gott oder als Mensch anzusehen sei, sondern stellte fest, dass er mit Gott-Vater „wesensgleich“ und nicht, wie die Arianer behaupteten, nur „wesensähnlich“ sei. Die These, Jesus sei nur als Mensch anzusehen, stand nicht zur Debatte. Brown gibt fälschlich an, die Abstimmung auf diesem Konzil sei äußerst knapp ausgefallen – in Wahrheit gab es nur drei Gegenstimmen zum Konzilsentscheid, während der Rest der anwesenden Bischöfe zustimmte.
Nun zu Illuminati und der bösen Antimaterie:
Im Roman wird ein Viertelgramm Antimaterie hergestellt, die beim Kontakt mit Materie alles im Umkreis von rund einem Kilometer vernichten soll. Hier beginnt das Reich der Fiktion: Ein Viertelgramm Antimaterie in einer Flasche! Zum Glück kann (und wird) so etwas niemand bauen.
Stattdessen produzieren die Physiker im CERN sehr kleine Mengen, die völlig ungefährlich sind. Während eines Jahres produzieren am CERN winzige Mengen von ca. 1 Nanogramm Antimaterie, für die im Film erzeugten Viertelgramm würden wir also ca. 250 Millionen Jahre benötigen. Zudem bleibt die Antimaterie nicht erhalten und verschwindet wieder, weil sie zu Energie wird. So viel dazu.
Zudem hat sich Brown verrechnet: Egal - die Kasse muss klingeln. Um die Sprengkraft von Antimaterie zu berechnen, setzt man E=mc2 ein. Allerdings muss man diese Formel „richtig“ anwenden. In der Tat scheint Brown die Sprengkraft der Bombe um einen Faktor 2 zu klein berechnet zu haben. Sie entspricht in Wirklichkeit ca. 10 Kilotonnen des Sprengstoffs TNT, damit könnte man allerdings ganz Rom und Umgebung pulverisieren. Hinzu kommt, dass Antimaterie als Energie der Zukunft – grundsätzlich (!) unmöglich ist. (Wir sind heute-im Gegendsatz zu "früher" -in der Lage solche grundsätzlichen Erkenntisse zu erhalten.) Da es in unserer Galaxie keine natürliche Vorkommen von Antimaterie gibt (das ist gesichert), muss jedes Antiteilchen mit ungeheuer viel Energie herstellt werden. Und zwar mit viel mehr Energie, als man dann aus der Materie-Antimaterie Vernichtung wieder gewinnen könnte. Übrigens ist CERN kein militärisches Projekt, sondern ein ziviles. Dort arbeiten (und arbeiteten) mehrere tausend Menschen aus vielen Ländern der Welt. Sie gehören natürlich alle einem Geheimbund an, oder die meisten sind nur Handlanger ohne es zu wissen. Na klar, hatte ich vergessen.
Hätte jetzt noch einen Haufen brownschen Unsinn aufzählen können - erspare es mir aber an dieser Stelle.
Ich habe nichts gegen Fiktionen, ganz im Gegenteil, aber den Anschein zu erwecken, es handle sich um "fundiertes Wissen" ist Volksverdummung aller erster Güte. Viele Leute glauben inzwischen, Dan Brown sei Historiker! Danke.
Ein Zusatz wie: "Alle Überlegungen und Thesen sind frei erfunden, nicht fundiert und dienen ausschließlich zu Unterhaltungszwecken" hätte ich vernünftig gefunden.
Wie sagte einst Kant: Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen...
In diesem Sinne: Habt Mut und denkt nach - die wirkliche Historie ist übrigens viel spannender!
Vielleicht - und das hoffe ich - kommen einige Leute mal dahinter, dass Dan Brown Geheimnisse offenbart, die keine sind.
Über die filmischen Umsetzungen brauche ich hier nicht zu schreiben, sie haben höchstens Serienformat.