Ob das Kinopublikum der diesjährigen Dosis an in ihrer Qualität abnehmenden Comic-Verfilmungen schon überdrüssig ist? Wer eine literarische Abwechslung sucht, findet das Kontrastprogramm in der heiteren Oscar-Wilde-Verfilmung „A Good Woman“, die auf seinem Theaterstück „Lady Windermeres Fächer“ basiert.
Das erst seit kurzem verheiratete Paar Meg (Scarlett Johansson) und Robert Windermere (Mark Umbers) möchte seinen Urlaub ungestört im italienischen Ferienparadies Amalfi verbringen, fernab jeglicher High-Society-Verpflichtungen. Was die beiden nicht wissen, ist, dass die als Verführerin verrufene Mrs. Erlynne (Helen Hunt) von ihrer Reise erfahren hat und sich ebenfalls auf den Weg nach Italien macht, um das junge Eheglück auf die Probe zu stellen. Die erfahrene Frau lebt von ihren Affären, aus denen sie sich von ihren verheirateten Liebhabern ausbezahlen lässt. In Amalfi fädelt sie ein Treffen mit Robert ein, den sie von nun an regelmäßig und immer weniger diskret besucht. Meg lernt inzwischen den Playboy Lord Darlington (Stephen Campbell Moore) kennen, der sich unverhohlen und sehenswert erfolglos an sie heranmacht. Selbst als Meg Zweifel an der Aufrichtigkeit ihres Ehemannes kommen, will und kann sie ihre eigenen Moralvorstellungen nicht so einfach über Bord werfen. Auch Mrs. Erlynne wird mit Moralfragen konfrontiert: Der schrullige Lord Augustus (Tom Wilkinson) wirbt offen und intelligent um ihre Gunst, obwohl er von ihrem zweifelhaften Ruf weiß.
Irrungen und Wirrungen im Stil von Oscar Wilde („Das Bildnis des Dorian Gray“) sind eine gute Grundlage für eine unaufdringliche Komödie, die sowohl jüngere als auch ältere Zuschauer anspricht. Angereichert mit dem Charme und der Atmosphäre des Italiens der 30er Jahre, der Kleidung dieser Epoche und ihrer Musik bildet dieses Szenario die Erfolg versprechende Basis für 120 unterhaltende Minuten Film ganz im Stil einer Verwechslungskomödie ohne große Folgen. Nach einer Dreiviertelstunde erschließen sich die Motive der Leinwandfiguren dem Zuschauer, die Unterhaltsamkeit besteht in der Folge daraus, dass man mehr als die Charaktere weiß und sich so aus der perspektivischen Distanz an ihren Unterstellungen und Theorien erfreuen kann. Leider funktioniert dieses Unterhaltungskonzept nicht über die gesamte Filmlänge hinweg, so dass zum Ende bzw. der Auflösung hin ein Anflug von Langeweile aufkommen kann, weil das geübte Publikum die großen Enthüllungen bereits erahnt.
Auch in punkto Dialoge eröffnet „A Good Woman“ grandios, um dann im Verlauf der Geschichte kontinuierlich abzubauen. Gewieft schlagen sich die Charaktere ausgefeilte Spitzfindigkeiten über die Beziehungen zwischen Mann und Frau um die Ohren (je nach Standpunkt ihres Geschlechts) und verstricken sich in herrliche Grabenkämpfe um Werte, Moral und Erfahrungen mit dem ach so geliebten Feind. Doch nach einer gewissen Zeit wird man dieser zweifellos unheimlich pointiert herübergebrachten Weisheiten überdrüssig, da sich die Argumente und Standpunkte nicht ändern, sondern bereits bekannte Statements in neue, ebenso verzwickte grammatikalische Strukturen gepackt werden. Nur hart gesottene Oscar-Wilde-Fans dürften diesen Wortgefechten nach fast zwei Stunden noch mit ungebrochenem Interesse folgen.
Filmisch gesehen besticht das Werk von Mike Barker („Best Laid Plans“, „The James Gang“) vor allem durch die weich zeichnende Kamera von Ben Serezin, mit dem der Regisseur bereits zwei seiner vorherigen Filme inszenierte. Die Kostüme und liebevoll ausgewählten Schauplätze unterstützen die Emotionalität des Films. Auch das Zusammenspiel der Hauptdarsteller funktioniert problemlos, besonders Helen Hunt („Twister“, Was Frauen wollen, Im Bann des Jade-Skorpions) verleiht ihrer Figur in der Interaktion mit den anderen Charakteren die jeweils passende Facette zwischen Trotz, Abgebrühtheit und unterdrückter Verletzlichkeit. Nur Scarlett Johansson („Der Pferdeflüsterer“, Lost In Translation, Die Insel) möchte man die naive junge Ehefrau trotz ihrer großen, vorwurfsvoll dreinschauenden Augen nicht so ganz abnehmen – was aber auch an der für diese Rolle unpassend wirkenden Synchronstimme liegen kann.
Alles in allem ist „A Good Woman“ eine harmlose Ensemble-Komödie, der die Begeisterung des Regisseurs für sein Projekt deutlich anzumerken ist. Zum Ende hin bauen Witz und Esprit zwar merklich ab, aber gerade die Eröffnung mit ihrem Feuerwerk an Beziehungsweisheiten und dezenten Galgenhumor der älteren Ehepaare macht diesen Film zu einem sehenswerten Herbstereignis.