Uninspirierter, kitschiger „Ostalgie“-Trip mit schwierigen Aussagen!
Kaum ein deutscher Film sorgte in den 2000ern für so viel Aufsehen wie „Good Bye, Lenin!“. Das Werk von 2003 entstand unter Regie von Wolfgang Becker und Drehbuchschreiber Bernd Lichtenberg. Das ganze Konzept des Films, die Idee hinter der Story wirkt dabei wie ein Gag, aus dem man einen abendfüllenden Spielfilm drehen wollte. Was wäre, wenn eine Vollblutsozialistin das Ende der DDR verpasst, weil sie im Koma liegt und man ihr weiter vorgaukeln würde, es hätte sich nichts geändert? So oder so ähnlich war sicherlich der erste Gedanke zum Projekt. Am Ende entstand ein Film, der auf der „Ostalgie“-Welle der frühen 2000er nicht nur mitschwamm, sondern sie anführte. Das Publikum und auch die Kritiker waren begeistert und „Good Bye, Lenin!“ galt als ein deutsches Meisterwerk des neuen Jahrtausends. Zwar erhielt er keine Nominierung bei den Oscars als bester fremdsprachiger Film, wurde ansonsten mit zahlreichen anderen Preisen überhäuft, darunter der deutsche Filmpreis in vielen Kategorien. Sicherlich war der Film vor allem für viele Menschen aus Ostdeutschland eine Achterbahnfahrt der Gefühle, die die DDR selbst live miterlebt haben. Und genau da versucht der Film auch anzuknüpfen. Früher war mir dieses Gefälle zwischen Ost und West nie wirklich bewusst, bis ich älter wurde. Und jetzt als erwachsener Mann, der den Osten kennengelernt hat, sehe ich diesen Film mit ganz anderen Augen… Wo andere einen charmanten und herzerwärmenden Film sehen, sehe ich ein stark romantisiertes, verkitschtes Drama mit problematischer Message!
Berlin, kurz vor der Wende in 1989: Nachdem seine Mutter Christiane ins Koma fiel, besuchen Alex und seine Schwester sie täglich im Krankenhaus und hoffen auf Besserung. Der Vater ist damals in den Westen abgehauen und hat ein tiefes Loch in der Familie hinterlassen. Und dann kommt die Wiedervereinigung und alles ändert sich. Das nächste Wunder folgt sogleich: Alex´ Mutter erwacht aus dem Koma. Doch der Arzt warnt: Sie darf sich nicht aufregen, das hätte fatale Folgen. Doch die stolze Sozialistin Christiane hat die DDR geliebt. Alex beschließt die sozialistisch geführte Diktatur wieder aufleben zu lassen, um seine Mutter zu schützen…
Wie gesagt: Das Ganze klingt nach einem Gag, den man bei RTL damals in einer der zahlreichen Comedy-Shows hätte zeigen können. Und da hätte das Konzept vielleicht sogar gut hingepasst. Aber es brauchte dann doch einen großen Film dazu. Und diese Idee ist auch das einzig wirklich Besondere an „Good Bye, Lenin!“. Das und die Tatsache, dass der Film die DDR sehr stark romantisiert. Ein Großteil des Films geht es nur darum zu zeigen, wie kreativ Alex und seine Freunde die DDR wieder auferstehen lässt.
Dass dabei durchaus spannende Themen und Ideen behandelt werden, steht außer Frage. Zum Beispiel der hoffnungslose Versuch die Vergangenheit festzuhalten oder auch spannende sozialkritische Dinge, die man schon bei „Die Truman Show“ gesehen hat. Doch viel damit stellt der Film leider nicht an. Er schwimmt auf diesem Potential, schöpft es aber nie aus. Denn „Good Bye, Lenin!“ bewegt sich fast ausschließlich auf bekanntem Terrain, was die Story angeht. Die Figuren bleiben sehr blass, auch wenn das Drehbuch uns viel über die Charaktere erzählt. Aber es wird halt nur behauptet. Die liebende Familie wird behauptet, geglaubt habe ich die Liebe aber nie. Der Wechsel von Liebe zu Streit und dann wieder zur Liebe ist teilweise sehr unnatürlich, was nicht zuletzt auch an den Dialogen liegt. Zudem ist es ein deutscher Film… ein sehr deutscher Film. Klar, die Thematik behandelt eben auch Deutschland, aber es ist besonders das kitschige Spiel der Darsteller, die teils uninspirierte Kamera von Martn Kukula und eben das Drehbuch.
Was aber noch deutlich problematischer ist, ist eben die (in meinen Augen) teils toxische „Ostalgie“. Ich kann diesen inoffiziellen Streit zwischen Ossis und Wessis nicht verstehen und werde ihn auch nie verstehen. Mir ist bewusst, woher vieles rührt, aber dieser Kampf zwischen Ost und West muss irgendwann mal aufhören. Vor allem unter dem Aspekt, dass die DDR alles andere war als ein schrulliger, kleiner Eigenstaat, der keine Bananen und keine coole Musik hatte. So aber verkauft „Good Bye, Lenin!“ das Ganze, kritisch wird die DDR nur spärlich behandelt. Dafür soll viel über den Humor laufen, wenn zum Beispiel alte, neue Nachrichten gefaked werden und alte Spreewälder-Gurken-Gläser aufgetrieben werden müssen. Ich bin sicherlich eh nicht der Richtige, wenn es darum geht über DDR-Jokes zu lachen (weil ich eben nicht aus dieser Welt stamme), aber trotzdem fand ich nur wenige Momente amüsant.
Ein weiteres Problem sehe ich in der Motivation des Protagonisten Alex: Er soll ja der charmante Held in der Geschichte sein und sein großes Lügengeflecht wird als etwas Liebevolles und Beeindruckendes inszeniert. Was macht dieser liebende Sohn alles für seine Mutter? Ja, was macht er denn? Er belügt sie und zwar im ganz großen Stil. Ja, es ist schön, dass er sie nicht verletzen will und am Ende quasi eine Art „schöneres Leben“ für sie zeichnet, aber es bleibt eine Lüge. Dass sie selbst ein Geheimnis hat und vielleicht das ganze Trugspiel doch durchschaut, sei mal dahingestellt, aber Alex lässt sie im Dunklen und denkt, dass es eine gute Entscheidung ist. Und auch der Zuschauer soll das denken, denn sein Vorhaben wird, wie die Ostalgie selbst, nur selten kritisiert.
Kommen wir zu den Darstellern: Daniel Brühl wurde hierdurch zum Star in Deutschland und später auch zu einem internationalen Schauspieler mit Ansehen. Ich bin leider kein großer Fan von ihm und auch hier haut er mich nicht wirklich von den Socken. Er spielt den typisch, rebellischen deutschen Jungspund. Und wie schon erwähnt macht ihn sein fragwürdiges Verhalten leider sehr uncharmant…
Katrin Sass als Mutter ist tatsächlich richtig gut, wie auch viele der Nebendarsteller. Nur die Kinderschauspieler im Film sind durchweg schlecht…
Der für mich beste Aspekt im Film war defintiv die Musik von Yann Tiersen, der vor allem für seine Musik zu „Die fabelhafte Welt der Amélie“ Anerkennung bekam. Sein Score ist charmant und gibt dem Film an vielen Stellen eine sphärisch, träumerische Melancholie.
Fazit: „Good Bye, Lenin!“ hat einige, wenige Momente, in denen die Story und die Figuren atmen und leben können. Doch der Großteil ist für mich zu kitschig, zu steif und zu unlustig. Darüber hinaus leidet das Ganze unter problematischen Ansichten und Aussagen. Ich verstehe, warum viele den Film so lieben und das ist vollkommen ok. Ich aber komme nicht aus der DDR, sondern bin im Westen aufgewachsen , ohne dieses Gefälle zwischen Ost und West zu kennen. Ich hätte gern einen Film über die DDR gesehen, der das Ganze mit Humor und Tragik behandelt, aber das ist „Good Bye, Lenin!“ in meinen Augen leider überhaupt nicht!