Nach dem großen Erfolg des Piraten-Abenteuers „Unter Piratenflagge“ aus dem Jahr 1935 fand sich fast dieselbe Crew 1938 für eine weitere Produktion zusammen: „Robin Hood, König der Vagabunden“ und setzte damit den wohlmöglich besten Beitrag zum Genre des Mantel- und Degenabenteuerfilms. Zwei Jahre später kehrten Regisseur Michael Curtiz (Casablanca) und Errol Flynn, Hauptdarsteller beider Filme, zum Piratenfilm zurück und drehten „Herr der sieben Meere“, ein Abenteuerepos, das seinen beiden prominenten Vorgängern in nichts nachsteht.
Zwischen England und Spanien herrscht ein Scheinfriede. Spanien bereitet sich auf eine Invasion vor und stellt zu diesem Zwecke seine Armada zusammen. Königin Elizabeth I. (Flora Robson) von England will von Krieg nichts wissen und verweigert ihren Kapitänen Geld für eine eigene Armada. Einige von ihnen handeln auf eigene Faust. So auch Kapitän Geoffrey Thorpe (Errol Flynn), der als Freibeuter spanische Schiffe kapert. Eines Tages überfällt er das Schiff mit dem spanischen Botschafter für England an Bord, Don José Alvaraez de Cordoba (Claude Rains). Dieser Mann hat den Auftrag, in England der Königin Sand in die Augen zu streuen, Unterstützung bekommt er vom machthungrigen und intriganten Minister Lord Wolfingham (Henry Daniell). Mit ihm reist auch seine Nichte Maria (Brenda Marshall). Thorpe verliebt sich in sie. Als er schließlich ihr Herz erobert hat, muss der verwegene Kapitän in einer geheimen Mission nach Panama aufbrechen. Don José bekommt Wind von der Sache und kann die spanischen Truppen vor Ort rechtzeitig warnen lassen. Thorpe und seine Mannen werden in einen tödlichen Hinterhalt gelockt…
Heutzutage, ist ein Film halbwegs erfolgreich, sind Remakes, Fortsetzungen, Prequels und Nachahmungen vorprogrammiert. Früher war das aber nicht unbedingt anders. „Der Herr der sieben Meere“ kann als Nachfolger von „Unter Piratenflagge“ gelten. Die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Werken ist nicht zu übersehen und auch der 1935er Erstlingshit wurde nach dem Motto „größer, lauter, weiter“ recycelt. Jene Rechnung geht aber auf und „Herr der sieben Meere“ bietet kurzweilige, vergnügliche 127 Abenteuer-Minuten für alle, die gerne Pirat wären. Und wer hat als Kind nicht schon mal große Handelsschiffe gekapert und feindliche Kriegsschiffe versenkt?
Regie führte wieder einmal Fleißarbeiter Michael Curtiz. Mit Casablanca landete er einen Überraschungshit und gilt trotzdem als Durchschnittregisseur, dem per Zufall ein großer Klassiker gelang. Eine irrige Annahme. Vergessen werden großartige Filme wie Chicago - Engel mit schmutzigen Gesichtern, „Robin Hood, König der Vagabunden“ (wofür er aber nicht allein verantwortlich war, sondern auch Regisseur William Keighley), „Unter Piratenflagge“ und eben auch „Herr der sieben Meere“. Für die ausgezeichnete musikalische Untermalung ist Erich Wolfgang Korngold (The Big Lebowski) verantwortlich, der schon den genialen Soundtrack zu „Robin Hood, König der Vagabunden“ komponiert hat, nach Meinung vieler seine beste Arbeit. Diese Klasse erreicht die gewaltige Musik von „Herr der sieben Meere“ zwar nicht, kommt ihr aber nahe genug, um restlos zu überzeugen.
Mit „Unter Piratenflagge“ wurde Errol Flynn zum Star. Die Rolle, die ihm zu Weltruhm verhalf, baut er in „Der Herr der sieben Meere“ aus. Keiner mimt den edlen Gentleman-Freibeuter besser als er. Sein weiblicher Co-Star ist dieses Mal nicht die schöne Olivia De Havilland, mit der er in acht Filmen zusammenarbeitete, sondern die nicht minder hübsche Brenda Marshall. Die viel zitierte und bemühte Chemie zwischen beiden stimmt. Claude Rains mimt mit Don José mal wieder den Bad Guy, wirkt aber auf Grund seiner echten Liebe zu Nichte Maria (Brenda Marshall) nicht ganz so fies wie in anderen Filmen. Henry Daniell als Verräter Lord Wolfingham ist es, der die meisten Antipathiepunkte auf sein Konto verbuchen muss. Für Lacher sorgt Flora Robson als eher hässliche, aber sympathische Königin Elizabeth I., deren „Zusammenspiel“ mit Captain Thorpes Affe mehr als nur ein Schmunzeln provoziert.
„Der Herr der sieben Meere“ präsentiert sich mit dem für seine Zeit typischen Abenteuerfilmhumor und kann damit punkten. Wortwitz gepaart mit einer gewissen Situationskomik macht das Mantel- und Degenabenteuer amüsanter als so manche formelle Komödie. Humor, Ironie und Charme, wie im vorliegenden Film zur Genüge gezeigt und zelebriert, sind aber nicht alles. Action braucht das Land und solche beschert „Herr der sieben Meere“ dem Betrachter zur Genüge. Der Höhepunkt ist da sicherlich die atemberaubende Seeschlacht gleich zu Beginn des Films. Aber auch die nachfolgenden Duelle und Schießereien haben es in sich. „Der Herr der sieben Meere“ stellt unter Beweis, dass mitreißende Action und Spannung nicht zwingend durch Einschusslöcher in menschliche Körper, herumfliegende Gliedmaßen oder digitale Effekte erzeugt werden müssen. Es funktioniert auch ohne, selbst heute noch.
Die Geschichte ist gut zusammengesetzt und erfüllt all die Kriterien, um als Epos zu gelten. Klischees werden so gepflegt, dass die Story Spaß macht, Ernst und Humor halten sich die Waage und kommen an den richtigen Stellen zum Einsatz. „Der Herr der sieben Meere“ erweist sich als Spiegelbild einer bewegten Zeit während den Anfängen des Zweiten Weltkriegs. Dass König Philip II. von Spanien als Synonym für Hitler gedient hat, darauf dürfte selbst der in Zeitgeschichte weniger bewanderte Zuschauer kommen. So endet „Der Herr der sieben Meere“ konsequenter Weise mit einem Aufruf von Königin Elizabeth I., für die Freiheit zu kämpfen und dem Tyrannen die Stirn zu bieten.
Das pompöse Setdesign von Anton Grot, die wunderbaren Kostüme und Sol Politos (Chicago - Engel mit schmutzigen Gesichtern) exzellente Kameraführung machen das Epos nahezu perfekt. „Herr der sieben Meere“ erfüllt alle Erwartungen, die ein Publikum an solch einen Film stellen kann. Vier Oscarnominierungen gab es dafür zur Belohnung. Sie zeigen auf, wo die Stärken dieses tadellosen Piratenfilms liegen. Eine Nominierung erhielten Anton Grot für die beste Ausstattung, Byron Haskin und Nathan Levinson für die besten Spezialeffekte, Erich Wolfgang Korngold für die beste Musik und Nathan Levinson für den besten Sound.