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    Nirgendwo in Afrika
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Nirgendwo in Afrika
    Von Ulrich Behrens

    Die Bilder dieses Films von Caroline Link erinnern wirklich oft an das 1985 gedrehte „Jenseits von Afrika“ mit Meryl Streep, Robert Redford und Klaus-Maria Brandauer. Doch Caroline Link erzählt in eindrücklichen Bildern eine ganz andere Geschichte, und die auf dem Roman von Stefanie Zweig basierende Erzählung hat es ebenso in sich wie die Inszenierung.

    Erzählt wird die Geschichte einer jüdischen Familie. Jettel Redlich (Juliane Köhler) verlässt 1938 mit ihrer Tochter Regina (Lea Kurka als kleine Regina, dann Karoline Eckertz als Regina im Pubertätsalter, beide großartig!) Deutschland auf einem Schiff Richtung Kenia. Walter – in Deutschland Anwalt – ist schon in Kenia; er hatte eine Vorahnung davon, was die Nationalsozialisten mit den Juden planten, hatte auch versucht seine Eltern und die Verwandten von Jettel davon zu überzeugen, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen. Max (Gerd Heinz), Vater von Walter, jedoch glaubt, der Nazi-Terror habe in ein, zwei Jahren eh sein Ende gefunden. Vor der Abreise sagt er noch zu Jettel: Es gebe in einer Ehe immer einen, der mehr liebe als der andere, und der mehr liebe, habe darunter dann auch zu leiden. Max macht sich Sorgen, dass die Ehe von Jettel und Walter durch die neuen Lebensumstände auf eine harte Bewährungsprobe gestellt werden könnte. Und das erweist sich als richtig.

    Walter hat schon eine Arbeit auf einer Farm eines Engländers gefunden, als Jettel und Regina in Kenia ankommen. Es stellt sich bald heraus, wie unterschiedlich die drei auf die neue Situation reagieren. Walter hat sich damit abgefunden, dass die Familie auf längere Zeit nicht in Deutschland leben kann. Er hat keine größeren Probleme, sich auf die neuen Lebensumstände einzustellen, will aber insgeheim später wieder in die Heimat zurück. Jettel hingegen hat erhebliche Schwierigkeiten; sie findet sich anfangs überhaupt nicht zurecht, während beider Tochter wie eine Rose – ein ganzer Strauß Rosen – aufblüht: Sie lernt schnell die Sprache der Einheimischen, freundet sich mit Owuor (Sidede Onyulo) an, dem schwarzen Koch der Familie, und hat bald engen Kontakt zu Kindern wie Erwachsenen. Die Familie hat das große Glück, in eine intakte Sozialgemeinschaft soweit integriert zu werden, wie es möglich ist, eine Gemeinschaft, die die Fremden mit viel Verständnis und Verbundenheit aufnimmt. Vor allem Regina lernt anfangs dadurch mehr, als in jeder Schule zu lernen wäre. Sie lernt von ihren einheimischen Freunden wie diese auch von ihr. Während Jettel anfangs den Kenianern mit Missachtung und Abneigung begegnet, will sie zum Schluss nicht mehr aus Kenia heraus und nach Deutschland zurück wie Walter, dem nach dem Krieg eine Stelle als Richter in Frankfurt angeboten wird ...

    Caroline Link ist es gelungen, die Geschichte einer jüdischen Emigrantenfamilie in einer zunächst völlig fremden Welt eindringlich zu schildern. Der Film baut keine Fronten auf. Die Sympathie liegt immer bei allen dreien, Walter, Jettel und Regina, wie sie ganz unterschiedlich mit der neuen Situation fertig zu werden versuchen, und sich immer wieder zusammenraufen – trotz aller Hiobsbotschaften aus Deutschland über das tödliche Schicksal ihrer Familien. Die Geschichte setzt aber auch in anderer Hinsicht einen Kontrapunkt zu den damaligen Verhältnissen im faschistischen Deutschland: Die anfängliche Arroganz von Jettel gegenüber den Kenianern etwa wird im wahrsten Sinn des Worts „abgefangen“ durch einen sozialen Integrationsmechanismus, der anderen jüdische Flüchtlinge in anderen, vor allem europäischen Ländern (etwa der Schweiz) nicht zuteil wurde. Die Tatsache der britischen Kolonialherrschaft in Kenia spielt in diesem Zusammenhang eher eine sekundäre Rolle. Die Verbundenheit zwischen der Familie und den Kenianern ist dabei nicht eine des völligen Aufgehens in der afrikanischen Gesellschaft, sondern eher die eines wirklichen Gastrechts, d.h. eine ehrliche, aber nicht unkritische, verbindliche, aber nicht endgültige menschliche Beziehung zwischen beiden Seiten. Diese Art der zeitweisen Integration ist nicht geprägt von Gesetzen, kolonialherrschaftlichen Zwängen oder psychologisch motivierten Zwecksetzungen, sondern durch die Stabilität einer – trotz aller äußeren Zwänge – funktionierenden Gesellschaft.

    Caroline Link erzählt eine Geschichte und vermeidet allzu starkes Psychologisieren. Sie erzählt – in farbenprächtigen Bildern, in großer Sympathie für Kenia und seine Menschen und für die drei Emigranten – die Geschichte einer verfolgten Familie. Darin ist dieser Streifen stark – und auch darin, dass er der brutalen Welt des Nationalsozialismus die Welt einer ganz anderen Gemeinschaft gegenüberstellt, ohne in deren Vergötterung zu verfallen. Endlich einmal großes Erzählkino auch aus unseren Breitengraden!

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