Mein Konto
    Die Kinder des Monsieur Mathieu
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die Kinder des Monsieur Mathieu
    Von Björn Helbig

    Wie heißt es doch so schön: Die Musik ist der Schlüssel zu den Herzen der Menschen. Diese Weisheit macht sich der französische Regisseur Christophe Barratier in „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ gleich im doppelten Sinn zu Eigen: Zum einen findet Protagonist Clément Mathieu durch die Kraft der Musik einen Zugang zu seinen Schülern. Zum anderen verzaubert die hinreißende Filmmusik den Zuschauer. Kein Wunder also, dass der gefühlvolle Film um einen engagierten Internatslehrer, der in seiner Heimat mehr als sechs Millionen Besucher in die Kinos lockte, zu den erfolgreichsten französischen Filmen überhaupt zählt.

    Frankreich in den späten 1940er Jahren: Der Arbeitslose Clément Mathieu (Gérard Jugnot) tritt einen Job als Lehrer in einer Heimschule für schwer erziehbare Jugendliche an. Doch die harten Erziehungsmethoden, die in der Einrichtung an der Tagesordnung sind, sagen dem sensiblen Musiker nicht zu. Vom Direktor Rachin (François Berléand) argwöhnisch beäugt, beginnt Mathieu, seine Schüler an die Musik heranzuführen. Er gründet einen Chor und übt mit diesem selbst komponierte Stücke ein. So erreicht Mathieu auch den als nicht erziehbar geltenden Schüler Morhange (Jean-Baptiste Maunier), der sich als außergewöhnliches Gesangstalent erweist…

    Christophe Barratier (Paris, Paris) erzählt eine simple Geschichte, die ganz sicher nicht frei von Sentimentalität und Klischees ist. Trotzdem ist dem Regisseur ein – trotz Rührstückcharakter - wirklich sehenswerter Film gelungen, dessen Optimismus auf den Zuschauer überspringt. Weil er in seiner Jugendzeit selbst Mitglied in einem Chor war und den Wunsch hegte, Musiker zu werden, hat Barratier einen persönlichen Bezug zu dem Stoff, der auf dem Film „Der Nachtigallenkäfig“ (1945) von Jean Drévilles basiert. Als Produzent von „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ zeichnet der Schweizer Arthur Cohn („Central Station“, „Ein Tag im September“) verantwortlich, der in seiner Karriere bereits mehrfach mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.

    Ein wichtiger Erfolgsfaktor – neben der positiven Ausstrahlung des Films – ist Hauptdarsteller Gérard Jugnot (Boudu), der den Philanthropen Mathieu zwar mit Unsicherheiten und Fehlern, aber vor allem durch und durch sympathisch verkörpert. Bei einem solchen Lehrer würde manch einer sicher gerne noch einmal die freiwillig die Schulbank drücken. Auch die anderen Rollen sind – häufig mit Laiendarstellern - tadellos besetzt. Die Heimkinder wurden in einem viermonatigen Casting aus über 3.000 Kindern in ganz Frankreich ausgewählt. Besonders heraus sticht der junge Jean Baptiste Maunier (L’Auberge Rouge) als Morhange, dessen Charisma sich vor allem in den Gesangsszenen entfaltet.

    Die nächste Stärke ist die Musik. Die Acapella-Stücke jagen dem Zuschauer bisweilen eine Gänsehaut über den Rücken. Der Soundtrack hielt sich in Frankreich über mehrere Monate in den Top 10 und auch hierzulande lief er in zahlreichen Wohnzimmern in der Endlosschleife. Die Stücke, die Christophe Barratier zum Teil selbst geschrieben hat, brachten dem Drama den Europäischen Filmpreis in der Kategorie Beste Filmmusik ein. Außerdem erhielt der Song „Vois Sur Ton Chemin“ 2005 eine Oscar-Nominierung.

    „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ beschreibt eine besondere Verbindung eines Lehrers zu seinen Schülern. Mathieus Verhältnis zu seinen Schützlingen ist durchaus mit dem eines Vaters zu seinen Söhnen zu vergleichen. So zeigt der Film ein sympathisches, aber auch antiquiertes Bildungsverständnis, das von der heutigen Schulrealität in etwa so weit entfernt ist wie Sysiphos vom Erreichen der Bergspitze. Ein wenig Pestalozzi hier, ein wenig Freinet da, noch schnell einen Chor gegründet – und schon finden die jungen Seelen Erlösung in der Musik. Barratiers Film ist und bleibt ein Märchen – und als solches verbreitet es warmherzige Gefühle, ohne sich wirklich die pädagogische Problematik einzulassen.

    Ein weiterer Minuspunkt ist Barratiers Bemühen, den Zuschauer um jeden Preis rühren zu wollen. Er fährt dafür alles auf, was ein Internat hergibt: Brutale Erziehungsmethoden, Kinder mit Engelsstimmen und einen herzensguten Pädagogen, dessen Engagement schließlich alles zum Guten wendet. Soviel Zuckerguss verträgt nicht jeder Zuschauer. Wer nicht bereit ist, die Prämisse zu tolerieren, dass ein Schulchor die Lösung für alle Probleme ist, sollte Barratiers Film besser meiden und es lieber mit Laurent Cantets Cannes-Sieger Die Klasse oder Nicolas Philiberts Dokumentarerfolg „Sein und Haben“ versuchen.

    Allen anderen sei „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ wärmstens ans Herz gelegt. Denn das Vereinnahmende an dem Film ist eben nicht sein Realismus, sondern vielmehr die Warmherzigkeit, mit der Regisseur und Autor Christophe Barratier durch die Geschichte führt. Auch wenn der Weichzeichner allgegenwärtig ist, ändert das nichts an der emotionalen Kraft, die das optimistische Drama ausstrahlt und es nach Die fabelhafte Welt der Amélie zu dem französischen Feel-Good-Movie der vergangenen Dekade macht.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top