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    Der gute Hirte
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Der gute Hirte
    Von Carsten Baumgardt

    Auf dem Papier klingt „Der gute Hirte“ nach einem der vielversprechendsten Projekte des Kinojahres: Robert DeNiros zweite Regiearbeit, ein hochspannendes Thema und Superstars in der ersten Reihe. Auf der großen Leinwand sieht das Ergebnis leider anders aus. Das Agenten-Thrillerdrama erstirbt trotz fabelhafter Bilder in gediegener Langeweile und kann mit seinem lethargischen Hauptcharakter keinen Kontakt zum Publikum bekommen.

    1939 tritt der Yale-Student Edward Wilson (Matt Damon) in die geheime Bruderschaft „Skull And Bones Society“ ein. Aus dieser Elite sollen künftige Führungskräfte des amerikanischen Gesellschaftssystems hervorgehen. Bald wird Wilson von Bill Sullivan (Robert DeNiro) für den Office Of Strategy Service (OSS) rekrutiert. Der ausgewiesene Patriot und kühle Analytiker gehört später auch zu den Gründungsvätern der CIA, die aus dem OSS hervorgeht. Über die Jahre verändert die Arbeit beim mächtigsten Geheimdienst der Welt Wilsons Wesen. Er vertraut niemandem mehr, nicht einmal seiner eigenen Familie. Seine Frau Margaret (Angelina Jolie) hat er nur aus Pflichtbewusstsein geheiratet, weil sie von ihm schwanger war. Das prägt ihre unterkühlte Beziehung über die Zeit. Selbst der Kontakt zu seinem geliebten Sohn Edward jr. (Eddie Redmayne) ist durch Wilsons berufliche Eigenbrötelei angespannt...

    Schauspieler auf dem Regiestuhl: Das ist nichts Ungewöhnliches mehr. Zumeist handelt es sich Herzblutprojekte, wenn ein Hollywoodstar auf fremdem Terrain die Zügel in die Hand nimmt. Satte 13 Jahre nach seinem Regiedebüt „In den Straßen der Bronx“ (1993) ist Schauspiellegende Robert DeNiro in dem Agenten-Kaleidoskop „Der gute Hirte“ vor und hinter der Kamera aktiv. Der gebürtige New Yorker war schon jahrelang auf der Suche nach einem geeigneten Stoff und fand ihn schließlich in einem Drehbuch über die Anfänge des amerikanischen Geheimdienstes von Starschreiber Eric Roth (Insider, Forrest Gump, Ali, München). Dieses preist Richard C.A. Holbrooke, US-Botschafter bei den Vereinten Nationen von 1999 bis 2001, als „fiktive Version von Geschichte, die in nahezu jedem geschilderten Vorfall akkurat ist“. Weiter: „Weil die Filmemacher sich nicht sklavisch an jedes kleines Detail gehalten haben, bekommen sie einen besseren Überblick über einige essenzielle Wahrheiten über diese außergewöhnliche Zeit der Spionage, Gegenspionage und des Betrugs während des Kalten Krieges.“ Mal abgesehen davon, dass Holbrooke sich mit seinem zweiten Zitat selbst widerspricht, ist dieser Ansatz äußerst spannend und im Prinzip völlig korrekt gewählt. „Der gute Hirte“ weist aber zwei große Mängel auf: Die ersten zwei Stunden sind unangenehm zäh, größtenteils schlicht langweilig. Dazu kann der schlaftablettenartige Hauptcharakter des Edward Wilson einfach nicht fesseln, ist völlig stoisch und nebenbei noch herzlich unsympathisch.

    Superstar Matt Damon (Departed: Unter Feinden) ändert in satten 167 Minuten Spielzeit gefühlt nicht einmal den Gesichtausdruck. Genauso gut hätte „Der gute Hirte“ ein Porträt über die Mechanismen des Finanzamtes Recklinghausen darstellen können – der Faktor Spannung wäre identisch gewesen. So präzise die Vorgehensweisen und das Ambiente des OSS und später der CIA auch gezeichnet sein mögen: Der Zuschauer bekommt keinen emotionalen Zugang zu der Geschichte angeboten. Lediglich in der letzten Dreiviertelstunde drückt DeNiro ein wenig auf das Tempo und lässt den Film in dieser Phase halbwegs packend aussehen. An der Optik liegt es jedenfalls nicht, dass „Der gute Hirte“ so schleppend daher kommt. Topkameramann Robert Richardson (Kill Bill Vol. 1, Kill Bill Vol. 2, Casino, Nixon, JFK) kreiert eine edle Optik.

    Schauspielerisch ist der Film erstklassig besetzt. Matt Damon hat unter der Charakterzeichnung seiner Figur zu leiden und versucht dies zumindest mit Präsenz auszugleichen. Angelina Jolie (Alexander, Lara Croft: Tomb Raider) ist als biederes Hausmütterchen leider fehlbesetzt. Der große Name hat zweifellos bei der US-Kinoauswertung geholfen, dem Werk selbst aber sicher geschadet, da Jolie diese Besetzung komplett gegen den Strich nicht bewältigen kann. Robert DeNiros Auftritte sind zeitlich sehr begrenzt und nicht derartig wichtig, dass es groß in Gewicht fällt. In Nebenrollen haben William Hurt (Gorky Parky), Michael Gambon (Harry Potter und der Gefangene von Askaban, Harry Potter und der Feuerkelch) und Alec Baldwin (Aviator, The Cooler) die besten Szenen. Martina Gedeck (Das Leben der Anderen, Elementarteilchen, Bella Martha) begleitet Damon in einer Episode und erfüllt ihre Rolle solide.

    „Der gute Hirte“ ist ein klassischer Old-School-Thriller, der in dieser Form besser als faktenreiche Dokumentation seinen Weg auf die Leinwand gefunden hätte. Die Produktionswerte sind vorzüglich, der Schnitt ebenso – wenn beispielsweise reales Zeitgeschehen (vom Zweiten Weltkrieg über Castro bis Kennedy) elegant in die Handlung eingefügt wird, doch das bringt den Film letztendlich auch nicht auf Trab. Keine Dramatik, keine Spannung, keine Emotionen. Lediglich gediegenes Filmemachen. Das ist bei den enormen Erwartungen zu wenig und trotz formaler Qualitäten einfach eine Enttäuschung, obwohl selbst die Konstruktion der Story gelungen ist. „Der gute Hirte“ springt zwischen den Zeitebenen hin und her. Zeigt Szenen aus dem Jahr 1961 und lässt einen zweiten Zweig von 1939 auf das Ende Anfang der 60er Jahre zulaufen. Eine gewisse Selbstgefälligkeit und Romantisierung bei der Porträtierung der CIA ist zudem nicht zu verhehlen. Ursprünglich war Francis Ford Coppola (Der Pate, Apocalypse Now) für die Regie vorgesehen. Mit seiner Klasse und Routine hätte er dem Film gut getan, doch Coppola beschränkte sich auf die Rolle des ausführenden Produzenten.

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