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    Alle lieben Julia
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Alle lieben Julia
    Von Ulf Lepelmeier

    Bei der diesjährigen Oscarverleihung sollte sich für Annette Bening ein Deja-vu-Erlebnis einstellen, dass ihr sicherlich schwer im Magen lag. Wie im Jahre 2000 stand neben ihrem Namen auch der von Hilary Swank (für „Million Dollar Baby“) auf der Nominiertenliste für die beste Schauspielerin und wieder wurde Swank für ihre darstellerische Leistung geehrt, während sie auf ihrem Stuhl im pompösen Kodak Theater sitzen bleiben musste. Dabei kann Bening in „Being Julia“ mit einer hervorragenden Leistung glänzen, ist ihr doch die Rolle förmlich auf den Leib geschrieben und eigentlich das perfekte Oscar-Vehikel.

    London, 1938: Julia Lambert (Annette Bening) ist der gefeierte Star der Londoner Theaterwelt. Doch trotz tosendem Applaus in den ausverkauften Vorstellungen, der Ehrerbietung ihrer Bewunderer und einem Leben im Überfluss befindet sie sich in einer depressiven Phase. Ihre Ehe mit dem erfolgreichen Theatermanager Michael Gosselyn (Jeremy Irons) ist zu einer Zweckgemeinschaft verkommen, die Schauspielerei will ihr nicht mehr richtig Freude machen und zudem bemerkt sie die Spuren des voranschreitenden Alters. Da kommt ihr der junge Amerikaner Tom Fennel (Shaun Evans), der ihr stürmische Avancen macht, gerade recht.

    Sie beginnt mit dem 20 Jahre Jüngeren eine Affäre und blüht wieder auf. Vergessen sind die Falten und die innere Leere. Sie glaubt, in Tom ihre wirkliche Liebe gefunden zu haben. Doch Tom interessiert sich viel mehr für Geld, Karriere und die junge, ehrgeizige Blondine Avice Crichton (Lucy Punch). Dieser will er durch seinen Einfluss auf Julia eine Rolle in ihrem neuen Stück verschaffen. Aber auch Julias eitler Ehemann hat ein Auge auf die naive, blonde Schönheit geworfen. Als Julia das Spiel ihres jungen Liebhabers durchschaut, ist sie zuerst untröstlich, besinnt sich dann aber auf Rache. Nicht nur Tom, sondern auch das dumme Blondchen und ihr „ach so treuer“ Ehemann sollen für das bezahlen, was sie ihr angetan haben.

    Regisseur István Szabós’ („Mephisto“) Komödie - nach dem Kurzroman „Theatre“ von W. Somerset Maugham – besticht durch eine gute Ausstattung und eine herausragende Hauptdarstellerin. Doch im Gesamtzusammenhang kann die One-Woman-Show, die „Being Julia“ ohne Zweifel ist, nicht völlig überzeugen. An der Leistung von Annette Bening („American Beauty“, „Open Range“, „Hello, Mr. President”) liegt es auf jeden Fall nicht. Sie spielt die exzentrische, launische und arrogante 45-jährige Julia Lambert mit Inbrunst. Ihre Rolle ist gut ausgearbeitet und in allen witzigen Szenen, die leider eher spärlich gesät sind, präsent. Allerdings sind die restlichen Charaktere durch die Bank stereotypisch und entgegen der Titelrolle in keinster Weise facettenreich. Dem durchweg guten Cast, allen voran der hervorragende Jeremy Irons („Time Machine“, „Königreich der Himmel“), als Julias Ehemann, spielt gut, doch das vermag die im Skript farblos angelegten Rollen leider nicht komplett zu retten.

    Außerdem verwundert es, dass Julias Sohn der einzige zu sein scheint, der sie durchschaut. Nach seinem Dafürhalten spielt sie für jeden bloß eine Rolle, die wahre Julia, eine wirkliche Persönlichkeit hinter der Schauspielerfassade, gebe es überhaupt nicht. Und da hat er ganz recht, Julia agiert nach der Auffassung „die Welt ist eine Bühne“. Aufgestachelt zu immer besseren Performances auf der Bühne der Wirklichkeit wird sie von ihrem verstorbenen Mentor, der ihr oftmals in Gedanken erscheint. Er ermahnt sie, auch nicht immer auf Tränen zurückzugreifen. Doch so wie das wirklich schöne orchestrale Hauptthema immer wieder zu vernehmen ist, so ziehen sich auch Julias Tränen durch den gesamten Film. Unzählige Male greift sie auf das scheinbar von ihr perfektionierte „Tränen auf Knopfdruck-Prinzip“ zurück, um das zu erreichen, was sie möchte. Dieses wirkt auf den Zuschauer irgendwann ermüdend. Auch weist der Film im Mittelteil, indem es um die Affäre geht, einige Längen auf. Doch der Midlifecrisis-Beginn und das Racheende, auf das Julia gezielt hinarbeitet und das sie ihr Bühnenspiel mit ihren wahren Leben verbinden lässt, wissen mit teilweise zynischem Witz zu überzeugen.

    „Being Julia“ ist ein voll und ganz auf die exzellente Hauptdarstellerin ausgerichteter Film, der aufgrund von einigen langatmigen Passagen und einem etwas lieblosen Entwurf der Charaktere rund um Julia Lambert, nicht ganz in der Art zu überzeugen weiß, wie es wünschenswert gewesen wäre. Einige Möglichkeiten wurden einfach verschenkt.

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