Eine gute Idee ist oftmals alles, was ein Film braucht. Eine überraschende Schlusswendung, die das Publikum mit offenen Mündern wie versteinert auf die Leinwand blicken lässt, ist vor allem im Mystery- und Horror-Genre der Schlüssel zum Erfolg. "The Gathering" ist einer jener Filme, die sich diesem Konzept widmen. Zwar wildert Drehbuchautor Anthony Horowitz im reichhaltigen Ideenfundus von „The Sixth Sense", „The Others" und Konsorten, doch mangelnde Eigenständigkeit kann man seinem von Brian Gilbert umgesetzten Werk nicht vorwerfen.
Die Geschichte beginnt, wie in so vielen anderen Fällen auch, zunächst zweigleisig. Simon Kirkman (Stephen Dillane) ist ein angesehener, auf religiöse Reliquien spezialisierter Archäologe und Restaurator. Es steht für ihn daher an der Tagesordnung, dass er aus Kirchenkreisen nach mysteriösen Funden als Berater engagiert wird. Während eines Festivals stürzten zwei Teenager auf der berühmten "Isle of Men" in ein Erdloch und entdeckten dabei die Überreste einer Kirche, die im ersten Jahrhundert nach Christus erbaut wurde. Das Ungewöhnliche an dem Fund ist der Aufbau des Altars. Das Antlitz des gekreuzigten Jesus ist den Gläubigen abgewandt und blickt beschämend zu Boden. Am Kopfende der Kirche befindet sich obendrein ein Relief, das einer Gruppe von Menschen zeigt, die offenbar der Hinrichtung Jesus’ beigewohnt haben. Wie alle anderen Beteiligten, steht auch Simon vor einem Rätsel.
Zur gleichen Zeit fährt Simons Frau Marion (Kerry Fox) die junge Touristin Cassie Grant (Christina Ricci) an. Sie übersteht den Zusammenprall zwar weitestgehend unverletzt, steht aber unter Schock und kann sich an nichts erinnern, was vor dem schrecklichen Unfall stattfand. Marion bietet Cassie von Schuldgefühlen geplagt bis zu ihrer Genesung ein Zimmer in ihrem Haus an. Doch schon nach kurzer Zeit beginnt Cassie scheinbar zu halluzinieren. Sie hört Stimmen, sieht auf offener Straße blutüberströmte Menschen und bildet sich ein verfolgt zu werden. Die Ärzte vertrösten sie damit, dass dies mit dem Unfall zusammenhänge und mit der Zeit aufhöre, als sie allerdings feststellt, dass auch Simons Sohn Michael (Harry Forrester) die selben Dinge wie sie wahrnimmt, ist ihr klar, dass mehr als nur eine Gehirnerschütterung hinter dem Ganzen steckt. Gemeinsam mit dem hilfsbereiten Dan Blackeley (Ioan Gruffud) beginnt sich Nachforschungen anzustellen und kommt dabei einer lange verschwiegenen Dorftragödie auf die Spur.
Es versteht sich von selbst, dass die beiden Handlungsstränge durch eine überraschende Wendung der Geschichte zu einer Einheit verschmelzen und den Zuschauer mit dem allseits Bekannten „Da hätte ich drauf kommen müssen“-Gefühl zurück lässt. Die Grundidee darf dabei durchaus als interessant bezeichnet werden, auch wenn sich Horowitz wie eingangs erwähnt, an Genre-Größen orientiert. Ihm gelingt dabei das Kunststück, Altbekanntes mit eigenen Ideen zu verknüpfen. Allerdings begeht Horowitz am Ende des Films einen kapitalen Fehler, indem er mit erhobenem Zeigefinger zu einem Rundumschlag mit der Moralkeule ausholt. An sich ist es löblich, wenn ein Film einen didaktischen Hintergrund verfolgt, doch „The Gathering“ ist im Grundton dermaßen düster gehalten, dass die hochnotpeinliche Schlusssequenz mehr als deplaziert wirkt. Dies wäre vermeidbar gewesen, vor allem, da die Geschichte intelligent genug konstruiert ist, um auch ohne die angesprochene Szene zum Nachdenken anzuregen. Eine weitere drehbuchbedingte Schwachstelle ist die Tatsache, dass dem ein oder anderem handlungstragendem Charakter nicht genug Tiefe verliehen wurde. Eine große Stärke von „The Sixth Sense" war es beispielsweise, dass man mit Haley Joel Osment geradezu mitleiden konnte. Sein Pendant Harry Forrester wird hingegen viel zu wenig Zeit auf der Leinwand eingeräumt, als dass er die Qualen seines Charakters Michael glaubwürdig vermitteln könnte. Eigentlich schade, denn die 101 Minuten Laufzeit hätten durchaus noch Luft nach oben geboten.
Die Inszenierung von Brian Gilbert hinterlässt ebenfalls einen zwiespältigen Eindruck. Das Set-Design weiß, obwohl man ihm das geringe Budget hin und wieder deutlich ansieht, zu überzeugen. Solide, aber nicht herausragend. Gleiches gilt für die Darsteller. Ausreißer nach unten existieren nicht, aber ebenso wenig sticht jemand sonderlich aus der Masse hervor. Ein wenig nervtötend ist allenfalls die Zurschaustellung der im Mittelpunkt stehenden Christina Ricci. Die Horrorfilm erprobte Mimin („Sleepy Hollow“) scheint vor Drehbeginn noch rasch die Grundausbildung bei der Bundeswehr absolviert zu haben. „Bauch rein – Brust raus“ lautet die Devise. Der oftmals fehlende BH sorgt endgültig dafür, dass ihr die Blicke des männlichen Publikums sicher sind. Frau Ricci sollte dringendst mitgeteilt werden, dass sie dies nicht nötig hat, da neben ihren optischen Reizen auch ihre darstellerischen Qualitäten zu überzeugen wissen.
Für einen dicken Minuspunkt sorgt allerdings der Schnitt. Während des gesamten Films beschleicht einen immer wieder das Gefühl, als ob diverse Szenen aus der finalen Kinofassung entfernt wurden oder noch eilends nachgedreht werden mussten. Figuren stehen vor und nach dem Schnitt an verschiedenen Orten, die Ausleuchtung ist eine andere, Gegenstände fehlen, die Maske ist deutlich unterschiedlich… Dies alles sind Anfängerfehler, die der relativ unerfahrene Regisseur Brian Gilbert voll und ganz auf seine Kappe nehmen muss.
Trotz aller Schwächen ist „The Gathering“ ein durchaus empfehlenswerter Film, der auf seine eigene Art und Weise einen gewissen Charme versprüht und zu fesseln weiß. Intelligentes Kino fernab vom Teenie-Horror-Mainstream. Gruselfreunde sollten unbedingt einen Blick riskieren.