Der amerikanische Horrorfilm wird „sauberer“. Keine Sorge, liebe Genrefans – es wird immer noch fies gemeuchelt, heftig gesplattert und krass gefoltert. Aber ein neuer Trend macht sich scheinbar in Hollywood breit: die Geschwister-Story. Statt (manchmal nicht ganz so) glückliche Paare einer bedrohlichen Situation auszusetzen und deren Beziehung in flüchtigen aber expliziten Liebesszenen-Intermezzos weiter auszubreiten, bedienen sich die neuen Horrorfilme dieses Jahres wie „House Of Wax“ eines Geschwisterpaares als Protagonisten, um ihre Metzelorgien einzuleiten. Auch auf andere Genres scheint die Idee schon abzufärben: So spielt in Steven Spielbergs „Krieg der Welten“ die Beziehung der beiden Kinder der zerrütteten Familie ebenfalls eine tragende Rolle. Mit „Verflucht“ verschreibt sich auch Altmeister Wes Craven („Scream“, „Nightmare On Elm Street“) diesem unschmuddeligen Unterhaltungskonzept.
Ellie (Christina Ricci) hat es nicht leicht im Leben. Seit dem Tod ihrer Eltern kümmert sie sich um ihren kleinen Bruder Jimmy (Jesse Eisenberg), der in seiner Schule als stiller Loser verschrien ist. Ihr Freund Jake (Joshua Jackson) ist seit neuestem sehr abweisend, und im Büro herrscht Zickenterror. Auf einer nächtlichen Heimfahrt mit Jimmy gerät sie außerdem noch in einen merkwürdigen Autounfall. Als die Geschwister der in ihrem Auto eingeklemmten Becky (Shannon Elisabeth) helfen wollen, werden sie von einem großen Tier angegriffen, das Becky buchstäblich in Stücke reißt und den Überlebenden leichte Fleischwunden zufügt. Jimmy behauptet promt, dass der Angreifer ein Werwolf gewesen sein muss. Ellie verweigert sich den Hirngespinsten ihres Bruders, stellt aber langsam Veränderungen an sich fest: Lust auf rohes Fleisch und einen besonderen Geruchssinn für Blut.
Auch Jimmy wandelt sich, kann aber nur davon profitieren, denn plötzlich kann er Widersacher Bo (Milo Ventimiglia) im Ringkampf besiegen und traut sich, dessen Freundin Brooke (Kristina Anapau), in die er verliebt ist, anzusprechen. Doch die neuen Kräfte haben nicht nur gute Seiten. Als weitere Personen unerklärlichen Tierangriffen zum Opfer fallen, sind Ellie und Jimmy gezwungen, der Sache (und ihren eigenen Veränderungen) auf den Grund zu gehen. In nur wenigen Stunden entwickelt sich aus einem gnadenlosen Katz-und-Maus-Spiel mit dem Werwolf ein spektakulärer Showdown in einem schaurig dekorierten Club.
Das dynamische Duo des Horrorfilms zieht in die nächste Runde. Wes Craven und sein Drehbuchautor Kevin Williamson („Scream“, „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“, „Dawson´s Creek“) haben sich erneut zusammengetan, um dieses Mal einen eindrucksvollen Werwolfschocker zu inszenieren. Dabei lassen sie zunächst keine Kompromisse zu: Die bekannten Gaststars Shannon Elisabeth und Sängerin Mya müssen ordentlich Nerven und Körperteile lassen, damit der böse Werwolf nervenaufreibend eingeführt wird. Besonders in der Eröffnungsszene des Autounfalls verzichten Craven und Williamson auf jede Pietät und erlauben Shannon Elisabeth einen absolut unkonventionellen und memorablen Abgang, während die Stars Christina Ricci („Sleepy Hollow“, „Anything Else“, „Der Eissturm“, „Monster“) und Jesse Eisenberg („The Emperor’s Club“, „The Village“) nur leichenblass und fassungslos daneben stehen können.
Nicht nur die Schockeffekte lassen sich bei „Verflucht“ sehr genregerecht ansehen. Auch der schwarze Humor, für den das Duo sich in der „Scream“-Trilogie einen Ruf einheimste, kommt in der ganzen Geschichte über nicht zu kurz. Neben einiger Situationskomik und der komischen Inszenierung des plötzlichen Appetits des Geschwisterpaares auf rohe Steaks hält vor allem der Handlungsstrang mit Jimmy und seinem Widersacher Bo einige witzige Wendungen parat, die das Augenzwinkern hinter dem Horrorfilm sehr gut transportieren. Dabei macht dann auch die komplette Schauspielerriege einen guten Eindruck. Christina Ricci wirkt immer ein bisschen entfremdet und mütterlich, Joshua Jackson verlässt sich als Playboy Jake zurecht auf seinen Bad-Boy-Charme und Jesse Eisenberg orientiert sich für seine Rolle an Peter Parker aus „Spider-Man“, um die kräftemäßige Wandlung des unbeliebten Jimmy publikumswirksam auf der Leinwand darzustellen. Dem gegenüber bleibt nur der digitale Werwolf den Zuschauern in schlechter Erinnerung, denn das blutrünstige Monster wirkt technisch einfach nicht richtig in seine Umgebung eingefügt. Für die Einbindung des Werwolfs hätte man sich einige Nachholstunden des Teams in Sachen CGI-Technik gewünscht, weil der Sehspaß in diesen Szenen doch recht eingeschränkt ist.
Trotzdem bleibt „Verflucht“ ein sehenswertes Horrorvergnügen, welches es vor allem durch seine Mischung von schonungslosem Metzelvergnügen und einer deftigen Prise rabenschwarzen Humors zu einem Genreliebling des Sommers werden kann. Für einen gruseligen Filmabend ist „Verflucht“ genau die richtige Wahl an der Kinokasse. Nicht nur Fans werden am neuesten Craven/Williamson-Werk ihre helle Freude haben.
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