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    Sissi
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Sissi
    Von Carsten Baumgardt

    Alle Jahre wieder kommt zu Weihnachten das Christuskind... Das ist mal sicher. Aber ebenso sicher kehren alljährlich zum Fest Filme auf die Mattscheibe zurück, die die Zuschauer brutal in zwei Lager spalten: Ernst Marischkas „Sissi“-Trilogie. Millionen lieben die Edelkitsch-Schmonzette und fiebern auch der x-ten Ausstrahlung im Fernsehen entgegen, während sich die Kontrafront dem Kult um „Sissi“ völlig verständnislos gegenüber sieht. Mag die Verfilmung historisch auch geschönt sein, so wartet sie doch mit einem unschlagbaren Charme auf, der vornehmlich auf Hauptdarstellerin Romy Schneider zurückfällt.

    1853: Herzog Max in Bayern (Gustav Knuth) lebt mit seiner Frau Ludovika (Magda Schneider) und acht Kindern ein beschaulich-volkstümliches Leben ohne höfische Zwänge. Die Aufregung ist groß, als Ludovikas Schwester, die österreichische Erzherzogin Sophie (Vilma Degischer), mit der Nachricht herauskommt, ihren Sohn Franz Joseph (Karlheinz Böhm), den jungen Kaiser von Österreich, verheiraten zu wollen. Ludovikas älteste Tochter Helene (Uta Franz) soll die Auserwählte sein. Doch von dieser Entwicklung darf niemand etwas mitbekommen, deswegen nehmen Mutter und Tochter Helenes Schwester Elisabeth (Romy Schneider), kurz „Sissi“ genannt, zur Ablenkung mit nach Bad Ischl, wo die Verlobung bekannt gegeben werden soll. Franz Joseph ist von der Idee, verheiratet zu werden, nicht begeistert. Auf einer Wanderung begegnet Sissi dem Kaiser, gibt sich aber nicht zu erkennen. Der Monarch ist gleich hingerissen von der jungen Frau...

    Der riesige Erfolg der „Sissi“-Trilogie liegt vor allem in zwei Dingen begründet: Zum einen zählen Romy Schneider und Karlheinz Böhm zu den großen Traumpaaren der Filmgeschichte, zum anderen ist die Faszination, die von Hochadelshäusern ausgeht, bis in die heutige Zeit ungebrochen. Und wenn dies derart charmant und pompös in Szene gesetzt wird wie mi Auftakt, scheren sich viele kaum mehr darum, wie nah die Umsetzung an der Realität ist. Der Österreicher Ernst Marischka war wie besessen von dem Thema, 1932 verarbeitete er es bereits in einer Operette, 1936 schrieb er ein Drehbuch dazu. Doch erst 1955, pünktlich zur staatlichen Unabhängigkeit Österreichs, ging der Regisseur („Vergiss mein nicht“, „Sieben Jahre Pech“, „Saison in Salzburg“) mit seinem „Sissi“-Projekt an den Start. Von der problembeladenen Kaiserin Sisi, die nach und nach zur tragischen Figur wurde, was in ihrer Ermordung durch den italienischen Anarchisten Luigi Lucheni am 10. September 1898 in Genf gipfelte, scheint wenig durch, die negativen Seiten, die spätere Ehekrise mit Franz Joseph und die Selbstsucht Sissis ließ Marischka weitgehend unbeachtet. Für Puristen mag dies einem Fauxpas gleichkommen, aber in keiner Sekunde verhehlt der Österreicher, dass er in Teil 1 den ganz großen Prunk inszenieren will. „Sissi“ ist ein Märchen im prachtvollen Gewand eines Historienfilms, eine Liebesschnulze, die bis an die Grenze des zumutbaren Kitsches geht, aber durch die hervorragenden Schauspieler nie ins Lächerliche abgleitet. Sein blaublütiges Leinwandpersonal lässt der Regisseur an einigen der schönsten Plätze Österreichs in pompösen Kleidern auflaufen und fertig ist die Idylle.

    Die junge Romy Schneider, die bereits „Mädchenjahre einer Königin“ (1954) und „Der Deutschmeister“ (1955) mit Marischka gedreht hatte, wurde als 17-Jährige mit „Sissi“ zum Superstar. Diesen Erfolg verfluchte sie jedoch später, sagte sich von ihrer Rolle los und spielte wie wild, vor allem in französischen Filmen, gegen ihr „Sissi“-Image an. Nach schweren Schicksalsschlägen war ihr Lebensmut 1982 aufgebraucht, sie starb unter dem Einfluss von Tabletten an Herzversagen. Einen vierten „Sissi“-Film, den Marischka noch drehen wollte, lehnte Schneider trotz einer für damalige Verhältnisse astronomischen Gage von einer Million Mark ab. Doch gerade Romy Schneider ist es, die für den Erfolg steht. Einen Kernpunkt hat sich der Regisseur und Autor nicht ausgedacht: Kaiserin Elisabeth zählte zu den schönsten und anmutigsten Frauen ihrer Epoche. Romy Schneider gibt ihrer Sissi im ersten Teil diesen burschikosen Charme, der sich erst später wandeln sollte, wenn sie als Kaiserin in der Außenpolitik mit ihrer reizenden Person Einfluss nehmen sollte. Karlheinz Böhm fungiert als perfekter Partner, die vielbeschworene Leinwandchemie stimmt hier bis aufs I-Tüpfelchen. 1972 schlüpfte sie für Luchino Visconti in dessen Historien-Drama Ludwig II. noch einmal in die Rolle der österreichischen Kaiserin Elisabeth, jedoch vor weit ernsterem Hintergrund.

    Dramaturgisch ist „Sissi“ zwar recht schlicht gehalten, dafür aber durchaus clever konzipiert. Mit der biestigen Erzherzogin Sophie, sehr streng und charismatisch gespielt von Vilma Degischer, bietet der Film einen starken Gegenpart zur heilen Welt, die allerorten in wunderschönen Bildern und opulenter Musik zelebriert wird. So haben die Charaktere eine Fläche, an der sie sich reiben können. Die Nebenfiguren sind sorgsam gewählt. Gustav Knuth ist als Sissis Vater Max die Gutmütigkeit in Person, ihre reale und Filmmutter Magda Schneider die herzensgute Glucke, Uta Franz erfüllt als gedemütigte Schwester Helene wichtige dramaturgische Aufgaben, während Josef Meinrad als etwas trotteliger Polizeioberst Böckl den unfreiwilligen Witzbold mit viel Herz gibt.

    „Frrrrrraaanz!“ - „Sssssssissi“! Dieses anschmachtende Ritual ist ein Gradmesser. Wer das und Gustav Knuths Spruch „Wenn du einmal Sorgen hast, dann geh hinaus in die Natur. Und in jedem Baum, in jedem Strauch und in jedem Tier wird dir die Allmacht Gottes zu Teil“ sowie die anschließende Wiederholung Sissis gegenüber Franz Joseph ertragen kann, muss „Sissi“ lieben. Wer dabei allerdings bösartig die Augen verdreht, wird die Edel-Schmonzette wohl auf ewig hassen. Die Frage nach „Kitsch oder Kult“ ist im Übrigen leicht zu beantworten? Beides! „Sissi“ ist kultiger Kitsch. Damit sollten Befürworter als auch Gegner leben können...

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