Die Angst ist ein wesentlicher Bestandteil des modernen Kinos. Wenn wir ehrlich sind, lassen wir uns eben alle eben hin und wieder gerne gruseln. Anfang des Jahres gelang Gore Verbinski mit „The Ring", dem Remake des japanischen Kultfilms „Ringu", einer der ganz großen Horror-Filme der Gegenwart. Eine elementare Faustregel Hollywoods ist es, erfolgreiche Konzepte immer und immer wieder zu kopieren und neu aufzulegen. Eine trauriger Fakt, an den sich jeder Filmfreund mittlerweile gewöhnt haben dürfte. Was uns nun allerdings mit William Mallones „FearDotCom“ bevor steht, ist eine Unverfrorenheit aller erster Güte.
In New York kommt es zu vier mysteriösen Todesfällen. An sich nichts Ungewöhnliches, doch die vier Opfer, die zunächst scheinbar nichts miteinander gemeinsam haben, weisen eine erstaunliche Parallele auf: blutende Augen. Der erste Verdacht von Detective Mike Reilly (Stephen Dorff) ist eine Virenerkrankung wie Ebola. Daher schaltet er die Gesundheitsamtermittlerin Terry Huston (Natasha McElhone) in den Fall mit ein. Doch Fehlanzeige, keines der Opfer weißt auch nur den Hauch einer derartigen Erkrankung auf. Die beiden stehen vor einem Rätsel. Doch bei ihren weiteren Nachforschungen stoßen sie auf eine erstaunliche Gemeinsamkeit. Alle Opfer haben exakt 48 Stunden vor ihrem Tod die Website www.FEARDOTCOM.com (die Site nennt sich im Film wirklich so, der Autor dieser Zeilen ist sich der „doppelten Endung“ durchaus bewusst) besucht.
Eigentlich sollte die Geschichte an dieser Stelle nach dem Willen der Drehbuchautorin wohl eine pikante, überraschende Wendung nehmen, doch der Versuch scheitert kläglich. Für Mike ist die Site nämlich alles andere als unbekannt. Im Gegenteil. Einer seiner letzten Fälle war es, den psychopatischen Massenkiller Alistair Pratt (Stephen Rea), der sich selbst „The Doctor“ nennt, zur Strecke zu bringen. Seine Masche ist es, junge Mädchen zu entführen und sie öffentlich übers Internet so lange zu foltern, bis sie um den Tod betteln. Eine dieser Seiten war die ominöse Fear-Site. Da Mike den Doctor nie fassen konnte, gilt er fortan als Hauptverdächtiger. Bereits zu diesem Zeitpunkt strotzt die Story nur so vor genreüblichen Klischees, doch durch eine zusätzliche Komponente wird die Geduld des Publikums endgültig auf eine harte Probe gestellt. Für die Toten ist nicht der Doctor verantwortlich, sondern eines seiner früheren Opfer, dessen Überlebenswille so groß war, dass ihr Geist losgelöst von ihrem zu Tode gefoltertem Körper im Internet weiter existierte.
Wem schon beim Lesen der Inhaltsangabe schlecht wurde, sollte sich nun etwas anderem zuwenden, denn es kommt noch schlimmer! Die größte Schwäche an „FearDotCom“ ist nicht die vollkommen einfallslose Geschichte, sondern die Inszenierung von William Malone. „The Ring“ lebte geradezu von Verbinskis famos eingefangenen Bildern und der dadurch entstehenden Atmosphäre. Mallones filmischer Erguss muss sich schlicht und einfach am großen Vorbild messen lassen und fängt sich dabei eine schallende Ohrfeige ein. Zu keinem Zeitpunkt erreicht er auch nur annähernd dessen Klasse. Die Fear-Site wirkt im Vergleich zum Ring-Video wie Pipi Langstrumpf neustes Abenteuer. Mallones Kameraführung ist oft dermaßen verwackelt und unterbelichtet, dass sich auf der Leinwand nicht das Geringste erkennen lässt - nicht einmal andeutungsweise. Fast schon obligatorisch wirkt hingegen das kleine Mädchen im Nachthemd. Völlig ideenloser Genrestandard eben.
Jäger von so genannten Filmfehlern müssen sich hier ebenfalls wie im Paradies vorkommen. Terry erkundigt sich beispielsweise bei strahlendem Sonnenschein nach dem Weg zu Kraftwerk, erhält als Antwort, sie solle einfach zwei Meilen dem Straßenverlauf folgen und kommt schlussendlich mitten in der Nacht an. Komische Sache, jedoch keine Ausnahme. Schnitt- und Schürfwunden verschwinden von einer Szene auf die Nächste und tauchen sporadisch immer wieder mal auf. In einer Szene hält Mike die Taschenlampe vor und nach dem Schnitt in verschiedenen Händen. Die Liste ließe sich wohl endlos fortsetzen, doch dies soll an dieser Stelle genügen. Oft werden auch einfach nur irgendwelche Sachverhalte aufgegriffen und anschließend wieder links liegen gelassen. Was stellt die von Terry entdeckt Spiegelung im Video dar? Warum hat die blinde, alte Frau im Kraftwerk Terry erwartet? Als Betrachter des Treibens auf der Leinwand weiß man nicht, ob man nun lachen oder kopfschüttelnd der Saal verlassen soll.
Einen weiteren Offenbarungseid leisten die Darsteller. Stephen Dorff („Blade“), Natasha McElhone („The Truman Show") und Stephen Rea („Interview mit einem Vampir“) haben alle bereits bewiesen, dass sie durchaus in der Lage sind, in Top-Produktionen mitzuwirken, doch was sie hier an den Tag legen, wäre für jeden Schauspielschüler eine Peinlichkeit. Reas Interpretation des Psychopaten wirkt wie Hannibal Lecter auf Speed. Dorff und McElhone schenken sich gegenseitig ebenfalls nichts. Mimik scheint für beide ein Fremdwort zu sein. Nach den hier dargebotenen Leistungen muss einem um die Karrieren der Dreien ernsthaft Angst und Bange sein – wenigstens etwas, das an „FearDotCom“ gruselig ist.