Schon vor dem Deutschlandstart von Edward Zwicks Historiendrama „Last Samurai“ waren die Vorbehalte seitens der Kritiker deutlich zu vernehmen. Hauptdarsteller Tom Cruise würde mit seinen limitierten Fähigkeiten all zu offensichtlich auf den kleinen, goldenen Mann schielen merkt Rezensent Nummer eins an. Ein anderer wiederum bemängelt die all zu deutlichen Anleihen bei Filmen wie „Der mit dem Wolf tanzt“ oder „Braveheart“. Dies mag zwar alles nicht vollkommen aus der Luft gegriffen sein, doch geht man ohne Vorbehalte an den Film heran, so ist schnell festzustellen, dass für Filme wie „Last Samurai“ das Kino erschaffen wurde. Groß, episch, packend. Genau so muss Kino aussehen.
Bürgerkriegsveteran Nathan Algren (Tom Cruise) hat in seinem Leben schon viel gesehen. Zu viel. Er kämpfte in der berühmten Schlacht um Gettysburg und zog anschließend in einem blutigen Feldzug gegen die Cheyenne-Indianer. Insbesondere unter letzterem droht Nathan zu zerbrechen, denn unter dem Befehl des skrupellosen Colonel Bagley (Tony Goldwyn) wurden ganze Dörfer voller wehrloser Frauen und Kinder grausam niedergemetzelt. Nathan versucht seine Alpträume durch immer größer werdende Menge Whisky zu ertränken. Über Wasser hält er sich durch eine Anstellung beim Kanonenhersteller Winchester, für den er bei Ausstellungen und Messen zu Werbezwecken von seinen „glorreichen“ Taten berichtet.
Ausgerechnet jener Colonel Bagley unterbreitet Nathan eines Tages ein finanziell äußerst lukratives Angebot. Beide sollen gemeinsam die Armee des jungen japanischen Kaisers Meiji (Shichinosuke Nakamura) für den Kampf gegen den aufsässigen Samurai Katsumoto (Ken Watanabe) vorbereiten. Nathan dreht sich zwar beim Gedanken daran, zusammen mit Bagley arbeiten zu müssen der Magen um, aber den monatlichen Sold von 400 Dollar im Hinterkopf willigt er letztendlich doch ein. Im Vertrag wird von ihm schließlich nicht mehr verlangt, als den neu eingezogenen Wehrpflichtigen den Umgang mit der Muskete beizubringen und sie in die Grundzüge der taktischen Kriegsführung einzuweihen. Ein denkbar einfacher Auftrag, wäre da nicht die Ungeduld seiner Auftraggeber – allen voran General Omura (Masato Harada). Obwohl Nathan mit der Ausbildung, der vor der Einführung der Wehrpflicht als Bauern oder Handwerker tätigen Männern gerade erst begonnen hat, wird von ihm verlangt, das Heer schlachtbereit zu machen. Schließlich sei man den ausschließlich mit Schwertern und Pfeil und Bogen bewaffneten Samurai technisch bei Weitem überlegen.
Ein folgenschwerer Irrtum. Der Angriff auf die Samurai endet in einem Desaster. Die Truppen des Kaisers werden von den Samurai überrannt und Nathan gerät in Gefangenschaft. Katsumoto möchte von ihm mehr über seinen neuen Feind lernen. Hierfür wird Nathan in das Bergdorf der Samurai gebracht. Da eine Flucht aufgrund des einsetzenden Winters unmöglich ist, wird ihm gestattet, sich frei im Dorf zu bewegen. Obwohl das Misstrauen Nathan gegenüber förmlich greifbar ist, wird ihm überwiegend mit Respekt begegnet. Er ist fasziniert von dieser für ihn völlig fremden Zivilisation und ihren Bräuchen. Katsumoto und er lernen in ihren regelmäßigen Gesprächen immer mehr voneinander. Nathan beginnt nach und nach festzustellen, dass es sich bei den Samurai nicht um jenes „Barbarenvolk“ handelt, wie insbesondere Omura es ihm weismachen wollte. Im Gegenteil. Nathan kann sich mit zunehmender Dauer nicht er Erkenntnis erwehren, dass die Samurai und insbesondere Katsumoto die ehrenhaftesten Männer sind, die ihm je begegnet sind.
Wie bereits eingangs erwähnt wird „Last Samurai“ von manchen Seiten als fast schon dreister Abklatsch von „Der mit dem Wolf tanzt“ abgestempelt. Sicherlich ist die eine oder andere Parallele nicht zu leugnen. Hier wie da wird eine fremde Sprache erlernt, aus Feinden werden Freunde, eine fremde Kultur wird nach und nach zur eigenen, doch war dies 1990 eine revolutionäre Idee? Solange es Filme gibt steht es an der Tagesordung, fremde Kulturen aufeinander treffen zu lassen. Wird der nächste Film, der in diese Kerbe schlägt folglich als Kopie von „Last Samurai“ bezeichnet? „Last Samurai“ sollte als das betrachtet werden, das er ist: Ein eigenständiger Film. Und gibt man diesem eine Chance, so wird man unweigerlich gleichermaßen von seiner Wucht und Grazie in den Bann gezogen.
„Last Samurai“ spielt zwar im Japan der Jahre 1876 und 1877, wurde jedoch wie zuvor die „Herr der Ringe“-Trilogie in Neuseeland gedreht. Die Gründe, warum dieses Land mehr und mehr zum Mekka der Filmschaffenden wird, liegen auf der Hand. Zum einen ist die Produktion von Filmen aufgrund diverser Förderungsgesetze und Steuernachlässen besonders günstig, zum anderen sind es schlicht und einfach die atemberaubenden Landschaften, von denen - brillant eingefangen von Kameramann John Toll ("Braveheart") - auch „Last Samurai“ enorm profitiert. Das Bergdorf der Samurai, indem ein Großteil der Handlung angelegt wurde, ist allein jeden Cent des Eintritts wert. Vom Tempel über die Schmiede bis zum einfachen Wohnhaus sind die Kulissen über jeden Zweifel erhaben. Die Männer üben sich im Umgang mit dem Schwert, die Frauen pflanzen Reis und die Kleinsten werden spielerisch an die hohe, nach Perfektion strebende Kriegskunst heran geführt. Es macht einfach Spaß, gemeinsam mit Tom Cruise das geschäftige Treiben zu beobachten.
Beim Stichwort Tom Cruise wären wir bei den schauspielerischen Leistungen angelangt. Der Name Cruise sorgt im Allgemeinen für zwiespältige Gefühle. Trotz brillanter Darbietungen wie in „Geboren am 4. Juli“ oder „Magnolia“ sind bei ihm mitunter schwere Fauxpas wie in „Mission: Impossible 2“ nicht ausgeschlossen. Er ist das Überraschungsei Hollywoods. Man weiß nie, was als nächstes kommt. In „Last Samurai“ zeigt er allen Kritikern zum Trotz wieder einmal, zu was er im Stande ist. Die Beharrlichkeit, mit der er an seine Rolle heran gegangen ist, verdient selbst die Anerkennung seiner schärfsten Widersacher. Zur Vorbereitung auf die Kampfsequenzen war es nötig, ein achtmonatiges Trainingsprogramm zu absolvieren, in der er insbesondere in Kendo, also dem Kampf mit einem Bambusstab, unterrichtet wurde. Doch nicht nur durch seine körperliche Verfassung weiß Nicole Kidmans Ex-Gatte zu Punkten. Vom gebrochenen Mann zum Krieger, vom Krieger zum Gefangenen, vom Gefangenen zum Schüler, vom Schüler zum Freund. Cruise gelingt es, die Entwicklung seines Charakters zu jeder Zeit glaubhaft zu vermitteln. Neben ihm trumpft allerdings noch ein weiterer Mann ganz groß auf. Der charismatische Ken Watanabe ist die Überraschung in „Last Samurai“ und weiß als moralischer Führer in jeder Einstellung mehr als zu überzeugen und sorgt dafür, dass "Last Samurai" nicht zur One-Man-Show verkommt. Cruise und er spielen sich prächtig die Bälle zu und animieren sich gegenseitig zu Topleistungen. Gut so!
Handwerklich lässt sich an „Last Samurai“, selbst wenn man mit der Lupe sucht, nicht das Geringste bemängeln. Wenn Edward Zwick zum großen Endkampf bläst, seine Samurai mit dem Mut der Verzweiflung auf ihren Pferden ihren letzten großen Kampf entgegen reiten lässt und Hans Zimmer dies mit dem von ihm gewohnten heroischen Score hinterlegt, läuft es selbst dem gestandensten Kinogänger kalt den Rücken hinunter. Der Kampf gegen einen übermächtigen Gegner ist sicherlich ein probates Mittel, aber dermaßen perfekt umgesetzt funktioniert es einfach immer wieder. Noch anzumerken wäre in diesem Zusammenhand, dass die Kämpfe in „Last Samurai“ zwar um Längen von der überschäumenden Gewaltdarstellung eines „Kill Bill“ entfernt sind, allerdings auch nichts für die ganz zart besaiteten Gemüter sind. Insbesondere im großen Finale wird reichlich Blut vergossen.
Ohne Schwächen ist allerdings auch „Last Samurai“ nicht. Ein etwas weniger melodramatisches Ende wäre dem Film sicherlich zugute gekommen. Naturgemäß sind Überraschungsmomente rar gesät. Wer mitdenkt, weiß von Beginn an, wie der Film enden wird. Doch dies sind Kleinigkeiten. Im Vordergrund steht eine Erzählung epischen Ausmaßes über Freundschaft, Ehre und Liebe. Die Nörgler dieser Welt mögen schweigen. Genießet den Film vorbehaltlos. Er hat es verdient. „Last Samurai“ ist nichts anderes als großes Bombastkino in Reinkultur. Nicht für die Kritiker, dafür um so mehr für die Fans.