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    Die Piraten - Ein Haufen merkwürdiger Typen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Die Piraten - Ein Haufen merkwürdiger Typen
    Von Christoph Petersen

    Egal ob sie von Pixar („Die Monster AG"), von DreamWorks („Shrek") oder von 20th Century Fox („Ice Age") stammten, noch zu Beginn des Millenniums haftete praktisch jedem computeranimierten Film, der in die Kinos kam, der Glanz des Neuen an. Aber schon zehn Jahre später geht wohl niemand mehr ins Kino, nur weil ein Animationsfilm im Rechner entstanden ist – inzwischen sind computeranimierte Filme auch nur noch Filme wie alle anderen. Ein im Verhältnis kleines Animationsstudio konnte sich dagegen bis heute den Reiz des Besonderen bewahren, indem es im Kern auf traditionelle Handarbeit setzt und das seit mehr als 20 Jahren: Mit humorvollen Knetmasse-Abenteuern etwa um ein tollpatschiges Herrchen und dessen klugen Hund („Wallace und Gromit") sicherte sich die englische Filmschmiede Aardman ihre ganz eigene Nische im hart umkämpften Animationsmarkt. Deshalb ist auch Aardmans dritter Knetmasse-Kinofilm „Die Piraten - Ein Haufen merkwürdiger Typen" fast schon automatisch ein Ereignis. Dass das Freibeuter-Abenteuer von Regisseur Peter Lord („Chicken Run") zudem unheimlich liebevoll animiert, mit viel britischem Humor angereichert und sehr actionreich erzählt ist, schadet aber selbstverständlich nicht. Und natürlich weiß auch Aardman mit der Zeit zu gehen und beschert uns das erste Knetanimations-Abenteuer in 3D - eine echte Bereicherung.

    Von seiner Crew wird der Piratenkapitän (Stimme: Hugh Grant) zwar bedingungslos geliebt, aber für alle anderen Piraten ist er eine Lachnummer. Denn wenn er mit seiner Mannschaft ein fremdes Schiff überfällt, hat er immer nur Pech. Entweder entpuppt es sich als – im wahrsten Sinne des Wortes – Geisterschiff oder es ist voller Grundschüler auf einem Klassenausflug. Deshalb ist es für den Piratenkapitän umso wichtiger, endlich einmal den prestigeträchtigen Titel „Pirat des Jahres" zu gewinnen und sich so den gebührenden Respekt zu verschaffen. Aber die Konkurrenz ist hart, Entermesser Liz (Salma Hayek) und Black Bellamy (Jeremy Piven) haben riesige Berge Gold geraubt, während der Piratenkapitän praktisch noch bei Null steht. Doch dann stößt die Freibeuter-Crew zufällig auf den jungen Wissenschaftler Charles Darwin (David Tennant), der dem Piratenkapitän verrät, dass es mit dessen dicklichem Papagei Polly etwas ganz Besonderes auf sich hat. Doch um aus diesem Wissen Kapital zu schlagen, müssten der Piratenkapitän und seine Mannschaft nach London segeln - und dort herrscht ja bekanntlich Königin Victoria (Imelda Staunton), die jeden Besucher herzlich in ihrem Reich willkommen heißt, aber ausgerechnet Piraten aus tiefstem Herzen verabscheut...

    Genau wie bei der tierischen „Gesprengte Ketten"-Umdichtung „Chicken Run" oder dem „Wallace und Gromit"-Kinofilm „Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen" haben die Macher auch bei „Die Piraten - Ein Haufen merkwürdiger Typen" viel Wert auf rasante Actioneinlagen gelegt. Absoluter Höhepunkt ist dabei eine Verfolgungsjagd durch ein viktorianisches Londoner Anwesen, das mit einer vor allem in 3D imposanten Schaumbad-Achterbahnfahrt endet. Trotzdem bleibt der eigentliche Grund, sich einen Aardman-Film anzusehen, natürlich der herrlich trockene britische Humor, den seit Monty Python nur wenige so erfolgreich in die Welt tragen wie die Knetmassen-Komiker aus Bristol. Dabei ist vor allem die Mischung aus offensichtlichen Slapstick-Einlagen für die kleinen Kinogänger und subtilen amüsanten Details für die erwachsenen Begleiter hervorragend gelungen. Gerade die Gags um den hoffnungslos verliebten Evolutionsforscher Charles Darwin, der mitten in seinen staubtrockenen naturwissenschaftlichen Aufzeichnungen immer wieder in einen jammernden Tagebuchstil verfällt und sich darüber aufregt, dass seine Liebe unerwidert bleibt, sind urkomisch – und auch wenn Kinder nicht immer jeden Witz verstehen, können sie der abenteuerlichen Story trotzdem jederzeit folgen.

    Etwas ganz Ähnliches gilt auch für die Machart des Films. Vordergründig bieten die liebevoll und farbenfroh designten Knetmasse-Charaktere kindgerechte Abenteuer-Unterhaltung. Aber auch hier eröffnen sich auf den zweiten oder sogar dritten Blick noch einmal ganz neue Welten (und damit meinen wir nicht nur den schieren Aufwand, den diese Animationstechnik mit sich bringt, wie ihr im Bericht von unserem Besuch am „Die Piraten"-Set nachlesen könnt). Vielmehr sind die Hintergründe - typisch Aardman! - mit so vielen kleinen, augenzwinkernd platzierten Details vollgestopft, dass man sie beim ersten Sehen unmöglich alle entdecken kann. Von doppeldeutigen Ladenschildern bis zu einem Steckbrief, der neben einer monetären Belohnung auch noch einen Gratiskugelschreiber für die Erfassung des Piratenkapitäns auslobt, hängen die Wände voller kleiner spaßiger Einfälle.

    Zwar waren die Macher so nett, all diese Schilder, Einrichtungsgegenstände und Porträts während des Abspanns noch einmal auf einem Haufen zu präsentieren, aber selbst dort fällt es schwer, alle einzeln zu würdigen. Da bleibt einem am Ende wohl doch nur, später die Blu-ray im Bild-für-Bild-Modus durchzuschauen. Einziges kleines Manko bleibt so der leicht erhöhte Einsatz von Computeranimationen. Zwar ist das Gros des Films noch immer Knetmasse pur, aber zum Beispiel das gigantische Kriegsschiff von Königin Victoria musste allein schon aufgrund seiner Größe doch am Rechner entworfen werden. Hier muss Aardman ein wenig aufpassen, dass es sein Alleinstellungsmerkmal in Zukunft nicht leichtfertig aufs Spiel setzt.

    Fazit: Filme aus dem Hause Aardman sind und bleiben etwas Besonderes – da bildet auch „Die Piraten - Ein Haufen merkwürdiger Typen" keine Ausnahme. Ärgerlich nur, dass es aufgrund der extrem aufwändigen Animationstechnik immer so verdammt lange dauert, bis das nächste Knetmasse-Abenteuer in die Kinos kommt – so wird der neue Film von „Wallace und Gromit"-Schöpfer Nick Park voraussichtlich erst 2015 fertiggestellt.

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