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    Solo Sunny
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Solo Sunny
    Von Sascha Westphal

    Sunny gibt nicht auf, niemals. Ganz am Ende von „Solo Sunny“, Konrad Wolfs letztem Film, steht die Sängerin und ehemalige Fabrikarbeiterin vor einer weißen Wand im Probenraum einer neuen, noch ganz jungen Band und verkündet den anwesenden Musikern: „Ich würde es gern machen. Ich schlafe mit jemandem, wenn es mir Spaß macht. Ich nenne einen Eckenpinkler einen Eckenpinkler. Ich bin die, die bei den Tornados rausgeflogen ist. Ich heiße Sunny.“ Damit ist alles gesagt, und dem Sprecher der Band bleibt nur noch, ihrer neuen Sängerin mitzuteilen, wann die nächste Probe stattfindet. Wer könnte diese so selbstbewusste wie eigenwillige Künstlerin auch zurückweisen. Schließlich ist ihr ganzes Auftreten erfüllt vom widerspenstigen und widerständigen Geist der Popkultur. Und genau dem huldigen Konrad Wolf (Der geteilte Himmel, „Ich war neunzehn“) und sein Drehbuchautor und Co-Regisseur Wolfgang Kohlhaase („Die Stille nach dem Schuss“, Sommer vorm Balkon, Whisky mit Wodka) in jeder Szene ihres erstaunlich beiläufigen, aber ungeheuer wirkungsvollen Meisterwerks.

    Früher einmal hat Ingrid Sommer (Renate Krößner, Invincible, Alles auf Zucker) in einer Fabrik gearbeitet. Aber das war nun wirklich nichts für sie. Also hat sie in ihrer Freizeit ihre Stimme immer weiter geschult, bis sie ein Engagement als Schlagersängerin gefunden hat. Nun heißt sie bei allen nur noch Sunny und tingelt mit den Tornados durch die DDR-Provinz. Wirklich frei ist sie dabei natürlich nicht. Immer wieder muss sie die Avancen eines zudringlichen Musikers über sich ergehen lassen, und auch der Conférencier, der bei jedem Auftritt der Tornados dabei ist, reißt gerne seine Witze über sie. Aber zumindest kann sich Sunny gewisse Freiheiten nehmen, von denen ihre ehemaligen Kolleginnen in der Fabrik nur träumen.

    Auch privat beharrt Sunny auf ihrer Unabhängigkeit. Sie sagt es ja schließlich selbst in ihrem großen Bekenntnis: „Ich schlafe mit jemandem, wenn es mir Spaß macht.“ Also weist sie Harry (Dieter Montag, Schröders wunderbare Welt), einen Taxifahrer, der so ziemlich alles für sie tun würde, jedes Mal zurück. Sie empfindet eben nichts für ihn und hat auch nichts für seine Lebensphilosophie übrig, die sich ganz um die „schnelle Mark“ dreht. In den Philosophen Ralph (Alexander Lang, „Das Licht auf dem Galgen“), verliebt sie sich dagegen sofort. Nur der betrügt sie gleich bei der ersten Gelegenheit mit einer Anderen. Wer ausschließlich seinen Gefühlen folgt, zahlt dafür einen hohen Preis. Das galt in den frühen 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Westen genauso wie in der DDR. Insofern dürfte es auch niemanden überraschen, dass Konrad Wolfs letzte Regiearbeit – er ist gut zwei Jahre nach der Premiere von „Solo Sunny“ am 7. März 1982 verstorben – sich zum größten Erfolg entwickelt hat, den das DDR-Kino im Westen feiern konnte.

    Konrad Wolf und Wolfgang Kohlhaase haben damals auf jeden Fall den Nerv der Zeit getroffen. Mit ihrem bleich geschminkten Gesicht und ihren leicht androgynen Zügen hätte sich Renate Krößners Sunny auch perfekt als Frontfrau einer englischen oder einer westdeutschen New Wave Band gemacht. Dass Sunny bei ihren Auftritten in Ostberliner Clubs und in provinziellen Kleinstadtsälen meist nur pathetische Schlager singen darf, empfindet nicht nur sie als eine Verschwendung ihres Talents. Aber selbst diese vor Kitsch und falschen Gefühlen nur so triefenden Stücke erfüllt sie noch mit einer unendlichen Sehnsucht. Sunny verzehrt sich innerlich so sehr nach Freiheit und Glück, dass sie immer gleich alles gibt, und das verleiht nicht nur ihren Auftritten mit den Tornados eine geradezu überwältigende Wahrhaftigkeit. Renate Krößner gibt sich dieser Sucht nach Leben ohne jeden Vorbehalt hin und macht Sunny damit zu einer ganz und gar zeitlosen Ikone, die bis heute nichts von ihrer Strahlkraft verloren hat.

    So wie Sunny bei jedem ihrer Auftritte über all die Unzulänglichkeiten ihres Repertoires triumphiert, gelingt es auch Konrad Wolf und Wolfgang Kohlhaase, die typischen Klischees ihres Stoffes zu transzendieren. Heldinnen wie Sunny, die in die Musik oder auch die Schauspielerei flüchten, um der Tristesse eines Alltags ohne Perspektiven zu entkommen, gehören spätestens seit den Anfängen des Tonfilms zum Standardpersonal des Kinos. Aber so wie Wolf und Kohlhaase hat noch niemand von einer dieser unerschütterlichen Träumerinnen erzählt. Die Geschichte der Ingrid Sommer, die auf einigen Anekdoten und Erzählungen aus dem Leben der in Alexandra Czoks Dokumentation Solo für Sanije porträtierten Schlagersängerin Sanije Torka basiert, entfaltet sich in kleinen Szenen und überaus genau beobachteten Momentaufnahmen, in denen sich das Leben in seiner ganzen Fülle spiegelt.

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