40 Stockwerke, 12 Terroristen, 1 Held – und das alles an Weihnachten in Los Angeles. Es ist die Zeit der Wunder. Kein anderer Film hat 1988 so konsequent brutal und einfallsreich eingeschlagen, wie John McTiernans Action-Klassiker „Stirb langsam“. Der erste Teil der „Die Hard“-Trilogie, der nicht nur ein Genre neu definierte, sondern den damals eher mäßig bekannten einsamen Reiter Bruce Willis zur neuen Actionikone einer ganzen Generation aufsteigen ließ. Ein Image, dass der mittlerweile 50-Jährige nie wieder ablegen werden würde und von dem er heute noch profitiert. Viele mehr oder weniger erfolgreiche Actionstreifen später, bleibt der Stempel fest hängen und wenn „Stirb langsam“ für sonst nichts gut ist, dann doch zumindest, dass man den guten Bruce noch mal mit vollem Haarkranz bewundern kann.
Trotzdem gibt es noch so viele wundervolle Dinge, die „Stirb langsam“ zu einem der Kult-Streifen der späten 80er Jahre werden lassen und im Grunde besteht der komplette Film sowieso nur aus großartigen, bis fantastischen Einfällen, die nicht zuletzt den beiden Drehbuchautoren Jeb Stuart und Steven E. de Souza angerechnet werden müssen. Basierend auf dem Roman von Roderick Thorp („Nothing Lasts Forever“) haben die beiden ein Meisterwerk an Ideen abgeliefert, das vor spritzigen One-Linern nur so strotzt („Who's driving this car? Stevie Wonder?“). Hinter der Kamera stand Jan deBont, der bevor er seinen einzigen wirklich funktionierenden Film Speed drehte, in Hollywood ein gefragter Kameramann war (wäre er das mal geblieben). Selten wurden so schöne Cinemascope-Aufnahmen gesehen - schnörkellos und effektiv. Man achte vor allem auf den Lichtwechsel von L.A.-Sonnenuntergang bis nächtlicher Schneeflockenatmosphäre. Nicht zuletzt aber gebührt vor allem John McTiernan großes Lob, der alles zu einem stimmigen, dichten, witzigen, modernen, knallharten Actionkracher zusammenfügt, welcher noch nach dem 100. Mal Anschauen, nichts an seinem Charme und seinem Herzklopfengefühl verliert und welcher im Jahre 2005 kein bisschen gealtert zu sein scheint. Zugegeben könnte die Terrorthematik, die in „Stirb langsam“ portraitiert wird, mit der Aktualität heute als banal angesehen werden und der Wunsch nach einem einzigen Retter für blanker Hohn, doch der Film stellt sich mit dem einsamen Helden auf keine Seite und steht zwischen allen Stühlen. John McClane ist heimatlos, ja sogar fremd im anonymen Hochhaus irgendwo in Downtown L.A. und versucht herauszufinden, wer böse ist und wer nicht. Deshalb wird hier keine Politik propagiert, im Gegenteil: Politik und alles was damit zusammenhängt, nämlich Profitgier, Sensationslust, Machtgehabe und die Ohnmacht derer, die eigentlich Verantwortung übernehmen müssten, werden durch den uneigennützigen Helden vorgeführt und verurteilt.
Aber nun genug der Interpretation, hinein ins Vergnügen. Wer sich nicht mehr ganz an den Plot erinnern kann, hier eine kleine Hilfe: John McClane (Bruce Willis) ist ein Bulle aus New York und besucht an Weihnachten seine Noch-Ehefrau Holly (Bonnie Bedelia), welche in Los Angeles in einer großen, erfolgreichen Firma Karriere gemacht hat und mit den beiden gemeinsamen Kindern in der Westküstenmetropole lebt. Gerade als im Nakatomi Plaza die Feierlichkeiten beginnen sollen, wird das Hochhaus von Terroristen gestürmt und nur John McClane kann ihnen irgendwie entwischen. Lediglich bewaffnet mit ein paar Zigaretten und einem Walkie-Talkie, wodurch er den Funk der Geiselnehmer mithören kann, und mit Waffen, welche die – übrigens deutschen - Terroristen gelegentlich so rumliegen lassen, muss John nun nicht nur sein eigenes Leben retten, sondern möglichst auch das aller anderen Beteiligten – insbesondere natürlich das von Holly. Und so beschließt er, die äußerst brutale Truppe auszumerzen und sich einen Terroristen nach dem anderen vorzuknöpfen. Während draußen dann schon die Polizei und das FBI stümperhaft versucht, das Gebäude zu stürmen, kämpft McClane ohne Schuhe gegen die 12 Aggressoren. Dass er dabei nicht zimperlich sein kann versteht sich von selbst – ho, ho, ho.
„Stirb langsam“ ist ein Actionfilm zum Mitmachen. Ob nun beim Kopfrechnen, wie viele der Terroristen nun übriggeblieben sind oder auch beim Bestaunen der ausgetüftelten Stunts. Wer hat denn nicht gejubelt, als McClane zum Beispiel, lediglich an einem Feuerwehrschlauch hängend, vom Dach des 40-Stöckers springt und sich durch das Fenster zwei Stockwerke darunter schießt? Sowohl in den großen Plotwendungen, als auch im Detail überzeugt der Film, der ansonsten noch mit wuchtigen Special Effekts (damals noch handgemacht) und Kampfchoreografien aufwartet. Was ergibt C4 zusammen auf einem Bürostuhl und einem Computermonitor, wenn man alles in einen Fahrstuhlschacht wirft? Eine Mega-Explosion, vor der man besser in Deckung geht.
Die Nebenfiguren sind detailverliebt geschrieben und als Ensemble sehr schön besetzt. Allen voran Alan Rickman als krawattentragender Oberbösewicht Hans Gruber, der McClanes perfekten Gegenspieler darstellt. Während der Bulle aus N.Y. eher praktisch und hemdsärmelig daherkommt, zitiert Gruber Nietzsche und überlistet das FBI mit dem dümmlichen Regelwerk „Wie bekämpft man Terroristen“, doch sein Zeigefinger liegt stets fest am Abzug einer Halbautomatik und er scheut sich nicht vor roher Gewalt. Eine gefährliche Mischung.
Bonnie Bedelia als Holly Gennero spielt hier wohl die Rolle ihres Lebens. Eine starke Frau, die Beruf und Karriere locker unter einen Hut bekommt und die sogar, nachdem Gruber ihren Chef kaltmacht, noch die Hosen anbehält. Gruber: „What idiot put you in charge?” Holly: „You did, when you murdered my boss.” Nichtsdestotrotz waren das die 80er und so bleibt der Held des Tages natürlich der Mann, dessen Unterhemd von Minute zu Minute dreckbeschmutzter wird, je mehr bösen Europäern er das Genick brechen muss. Bei Minute 50 trägt Bruce Willis dann ein braunes Unterhemd - der Kostümbildner hat es sich in diesem Fall leicht gemacht.
Bis zum Höhepunkt wird „Stirb langsam“, trotz einiger wirklich komischen Stellen („I'm Agent Johnson, this is Special Agent Johnson. No relation.“), dann noch sehr dramatisch und sogar psychologisch. Den einzigen Kontakt nach draußen hat McClane mit dem Streifenpolizisten Al Powell (Reginald VelJohnson), der ihm die Stange hält und als einziger glaubt, dass John wirklich ein Polizist und kein gewitzter Terrorrist ist. Der Film bezieht vor allem daher die Spannung, dass niemand weiß, wer die Terroristen und wer die Guten in diesem Spiel wirklich sind, da fast ausschließlich über Funkkontakt Informationen weitergeleitet werden. Eine der spannendsten Szenen baut darauf auf: Gruber trifft beim Herumstöbern im unbebauten Teil des Hochhauses zufällig auf McClane, doch wir vermuten, dass dieser nicht weiß, wie der Oberterrorist aussieht. Psychologisch ist dies eine der interessantesten Situationen, als Hans dann behauptet ein verirrter Angestellter der Firma zu sein und Gut und Böse zum ersten Mal Aug in Aug aufeinandertreffen – großartig.
Im Grunde haben die Drehbuchautoren in „Stirb langsam“ nicht nur handwerklich alles gegeben, sondern sie haben sich auch mit kreativen Ideen nur so übertroffen. Alle Charaktere werden befriedigend zu Ende erzählt und jede Figur hat auch seine bestimmte Funktion im Spiel der Gewalt. Der selbstverliebte Kollege Harry Ellis (Hart Bochner) zum Beispiel, der Holly ungeniert vor Johns Augen anmacht, reitet sich später in kompletter Selbstüberschätzung in die Scheiße und kriegt es somit verdienterweise noch mal richtig ab („Hey babe, I negotiate million dollar deals for breakfast. I think I can handle this Eurotrash.”). Außerdem wird jedes auch noch so kleinste Detail, das zu Beginn subtil gepflanzt wird, am Ende ganz bestimmt auch wieder aufgegriffen und bekommt seinen wohlverdienten Pay-Off, wie man im Fachjargon so schön sagt. Allein, dass John keine Schuhe trägt („A hundred million terrorists in the world and I gotta kill one with feet smaller than my sister“), weil sein Sitznachbar im Flugzeug ihm rät „Fäuste mit seinen Zehen“ zu machen, wird ihm später zum Verhängnis, als Hans in einem Schießduell seinem Kollegen Karl (der mehr als unterkühlte Alexander Godunov) befiehlt auf die Glasscheiben zu schießen. Oder achtet mal auf die Uhr, welche die Koksnase Harry Ellis Johns Frau geschenkt hat. Am Ende wird sie fast zu Todesfalle.
Rein inhaltlich ist an „Stirb langsam“ so gut wie gar nichts auszusetzen und bei einer ordentlichen Länge von satten 120 Minuten ist dies auch nicht zu erwarten. Alles sitzt perfekt an seinem Platz. Und dass das Bodydouble von Bruce Willis überhaupt nicht nach Bruce Willis aussieht, nehmen wir einfach mal als Zeichen der Zeit. In den 80ern hat man es bei so was noch nicht so genau genommen. Im Übrigen empfiehlt es sich für alle Deutschsprechenden den Originalton anzuhören, da die Terrorgruppe gerne mit deutschen Sätzen um sich schmeißt. Zwar sind ein paar von den Schauspielern eindeutig unserer Sprache mächtig, doch an einigen Stellen lässt sich vermuten, dass der Dolmetscher seine freien Tage hatte. In oben zitierter Szene mit den Glasscheiben behauptet Hans Gruber nämlich: „Schieß dem Fenster" (dies ist kein Schreibfehler!) und als sein langhaariger Freund ihn nicht versteht und mit großen Augen anstarrt, überzeugt Alan Rickman mit einem lupenreinen englischen „Shoot the glass“. Doch beides tut dem Film in keinster Weise weh, im Gegenteil es macht wahrscheinlich sogar den spröden Charme von „Stirb langsam“ aus.
Es gibt noch so wahnsinnig viel über diesen Streifen zu sagen, doch die Botschaft sollte sein: ansehen und selber Stauen! Sehr empfehlenswert ist übrigens auch der Audio-Kommentar von John McTiernan, der mit diesem Meisterwerk eine fette Spur der Inspiration legte, die selbst „Predator“ mit Arnold Schwarzenegger, der ebenfalls durch seine Radikalität besticht, niemals erreichen konnte. Für Bruce Willis war „Stirb langsam“ wohl in jedem Fall der Film seines Lebens und John McClane die Rolle, die ihm bis heute noch immer anhaftet (ein vierter Teil ist ja bereits in Planung, um die erfolgreiche „Die Hard“-Reihe fortzuführen). Aber vor allem ein Satz bleibt unverrückbar im Gedächtnis und wird bei jedem Sprüche-Wettbewerb den ersten Platz belegen: „Yippee-ki-yay, motherfucker.“ Schöner kann man es nicht sagen.