Rache ist ein Gericht, das am Besten kalt serviert wird. Warum das so ist, zeigt sich nicht erst am Beispiel Quentin Tarantinos wüster Gewaltorgie Kill Bill Vol. 1. Schon der legendäre Captain James T. Kirk bekam diese unliebsame Erfahrung am eigenen Körper zu spüren. Setzte Star Trek - Der Film, der erste der bisher zehnteiligen „Star Trek“-Filmreihe, auf möglichst bildgewaltige Impressionen und Effekte, so ist davon in Teil 2, „Der Zorn des Khan“. nicht sonderlich viel übrig geblieben. In den unendlichen Weiten des Weltalls ist es lauter geworden. Sehr laut sogar. Phaserbänke zischen, Brückenkonsolen gehen in weißen Rauchwolken auf und mittendrin stehen sich zwei altbekannte Widersacher gegenüber, aus deren Zusammentreffen ein unerbittliches Duell erwächst. Ein Kampf, Gut gegen Böse, Gerechtigkeit gegen Rachsucht. Kirk gegen den Zorn des Khan.
Dabei beginnt es ganz harmonisch. Wir schreiben das 23. Jahrhundert. Vorbei sind die turbulenten Zeiten, als Captain Kirk (William Shatner) zusammen mit Schiffsdoc „Pille“ McCoy (DeForest Kelley) und Spock (Leonard Nimoy) neue Spezien entdeckte und für Ruhe und Ordnung im Weltraum sorgte. Während Kirk auf der Erde mit McCoy und Spock seinen Geburtstag feiert, ist Pavel Chekov (Walter Koenig) als 1. Offizier des Föderationsschiffs Reliant auf dem Weg in das Ceti-Alpha-System. Dort ist er auf der Suche nach geeigneten Planeten für das geheime „Genesisprojekt“, der Wissenschaftlerin Dr. Carol Marcus, das es ermöglichen soll, leblose Planeten in paradiesische Welten umzuformen. Kaum auf der Oberfläche angekommen, stellt sich jedoch heraus, dass man sich auf Ceti Alpha 5 und nicht wie gedacht auf Ceti Alpha 6 befindet, jener Ort wo Kirk vor Jahren den genetisch veränderten Khan Noonien Singh (Ricardo Montalban) aussetzte. Khan sinnt auf Rache, macht Chekov und Captain Terrel (Paul Winfield) mittels bewusstseinsverändernder Würmer gefügig und übernimmt die Kontrolle der Reliant. Überdies überfällt er die Forschungsstation von Dr.Marcus, Regular 1, um Kirk eine Falle zu stellen. Der Plan scheint aufzugehen: Als die Enterprise auf den Notruf von Dr. Marcus reagiert, kommt es vor Regular 1 zum ersten Duell mit Khans Reliant und der Enterprise …
Hintergrundgeschichte bildet diesmal die Folge „Der schlafende Tiger“ („Space Seed“) aus der Enterprise Classic-Serie. Ende des 20. Jahrhunderts wurden Menschen auf der Erde durch genetische Manipulation gezüchtet, die sowohl körperlich als auch geistig den übrigen Menschen überlegen waren. Unter ihnen: Khan, der sich kurzerhand die Weltherrschaft zum Ziel setzte. Der Plan scheiterte und Khan musste in der Folge von der Erde flüchten. 250 Jahre später ist es die Crew der Enterprise unter dem Kommando von Captain Kirk, die die Insassen aus den Kälteschlafkammern der „Botany Bay“, Khans Raumschiff, befreit. Doch auch von den Menschen des 23. Jahrhundert ist Khan nicht sonderlich überzeugt und so versucht er erneut die Kontrolle, diesmal über die Enterprise, an sich zu reißen. Schließlich gelingt es der Enterprise-Besatzung, Khan zu überwältigen. Als Strafe wird er auf Ceti Alpha 5, einem der Erde ähnlichen Klasse-M Planeten ausgesetzt. Nach der Explosion des Nachbarplaneten Ceti Alpha 6 kommt der Planet von seiner Bahn ab und verwandelt sich in einen Wüstenplaneten. Mächtig sauer, dass ihn Kirk dort 15 Jahre schwitzen ließ, hat Khan nur noch ein Ziel: Rache an Kirk.
Nach dem etwas in die Länge gezogenen ersten Teil, gelang es Regisseur Nicholas Meyer den Reiz der erfolgreichen TV-Serie nun auch auf die Leinwand zu übertragen. Unterstützt werden Kirk, Spock und McCoy zu Beginn durch die Kadettin Lt. Saavik, die als kühl-rational agierende Vulkanierin frischen Wind in das altbekannte Trio bläst. Neben der Hassliebe zwischen McCoy und Spock punkten auch die übrigen Sprüche, wie sie Trekkies aus der Serie gewohnt sind. Unübertroffen ist allerdings das Spiel von Ricardo Montalban, der als Khan maßgeblich für das Funktionieren des Films verantwortlich ist. Ganz im Gegensatz zu Tom Hardy, der mit der Rolle des Praetor Shinzon in Star Trek - Nemesis, einen ähnlichen, hingegen weitaus blasseren und glanzloseren Bösewicht verkörpert, nimmt man Montalban den Charakter des tief in der Ehre verletzten Bösewichtes ohne zu zögern ab. Dass ihm Rache wichtiger als die Freiheit und sogar die in Aussicht stehende Machtposition im Weltraum ist, unterstreicht seinen unerbittlichen Zorn, der sich in den 15 Jahren aufgestaut hat und im Kern auch nachvollziehbar erscheint. Kirk hatte Khan damals zugesagt, dass er sich alle zehn Jahre nach ihm erkundigt – ein Versprechen, das er offenbar nicht einhielt.
Doch gerade dass Kirk mit Khan ein äußerst ausgefuchster Widersacher gegenübersteht, macht die Sache so interessant und trägt maßgeblich zur entstehenden Dramatik bei. Vielmehr als die faktische Raumschiffstärke sind es menschliche Faktoren wie Taktik, Strategie und Kalkül, die am Ende über Sieg oder Niederlage entscheiden. Khan wirkt nach den 250 Jahren, die er tiefgefroren an Bord der Botany Bay verbrachte, so frisch wie nie zuvor und scheint auch im taktischen Verständnis nicht all zuviel verpasst zu haben. Gleich zwei Mal begibt sich Kirk in unmittelbare Lebensgefahr als er zu unvorsichtig handelt und Khan unterschätzt. Beim ersten Aufeinandertreffen ist es mangelnde Vorsicht, die fast zur Zerstörung der Enterprise führt, beim zweiten Mal wähnt sich Kirk bereits als Sieger, bevor Khan das Genesisprojektil zündet und sich Spock in der Konsequenz opfert. „Das wohl der vielen wiegt mehr als das wohl der wenigen“ resümiert Spock in seinem vorerst letzten Dialog und stellt dabei die einzig logische Handlung, die Rettung der Besatzung, über sein eigenes Leben. Wie stark die Freundschaft der beiden wirklich ist, beweist Kirk mit Spocks Rettung in Star Trek - Auf der Suche nach Mr. Spock, als er streng unlogische Motive wie Ehre und Wertschätzung über Vernunft und Pflichtbewusstsein stellt.
Die Tatsache, dass Chekov erst durch Hermann Melvilles „Moby Dick“ von Khans Anwesenheit auf dem Planeten Ceti Alpha 5 erfährt, stellt eine geschickte Überleitung zu Khans ausgeklügelten Rachemotiven dar. So finden sich einige Parallelen zwischen Khans Verbannung und dem Schicksal von Kapitän Ahab und dessen Schiff, der „Pequod“. Wie schon bei Ahab, dem Moby Dick einst ein Bein ausriss, klafft bei Khan eine tiefe Wunde im Stolz, hervorgerufen durch die einstige Niederlage gegen Kirk. Getrieben vom blinden Hass machen sich beide auf eine Jagd, die am Ende nicht nur für Ahab tödlich endet. Dass Chekov Khan eigentlich nicht hätte erkennen können, da er zum damaligen Zeitpunkt nicht an Bord der Enterprise war, markiert zwar einen der größten Kontinuitätsfehler in der „Star Trek“-Geschichte, tut dem logischen Aufbau des Films allerdings keinen Abbruch, da es den weiteren Verlauf nicht stört.
Begleitet wird Khans Hetzjagd durch die Musik von James Horner. Horner, der auch „Auf der Suche nach Mr. Spock“, den 3. „Star Trek“-Film, musikalisch unterlegte, lieferte in den folgenden Jahren unter anderem den Soundtrack für Titanic, Braveheart und Apollo 13. Stimmungsvoll unterlegt ist vor allem das Aufeinandertreffen zwischen der Reliant und der Enterprise, wobei sich auch die übrigen Spezialeffekte sehen lassen können, ohne sich je unnötig in den Vordergrund zu drängen, wie es etwa bei „Star Trek - Der Film“ der Fall war. So bietet „Der Zorn des Khan“ eine homogene, runde Einheit, dessen Bestandteile sich ergänzen, ohne je übertrieben zu wirken. Doch gerade inmitten des Showdowns offenbart die Story ihre große Schwäche, die Unglaubwürdigkeit. Als Khan die Enterprise bereits wehrlos, ohne funktionierende Schilde, in seiner Kontrolle hat, gelingt es Kirk mit Hilfe eines simplen Tricks, per Fernbedienung die Schilde der Reliant zu senken. Anscheinend fehlte den Story-Schreibern eine brauchbare Alternative, wie sich die Enterprise in eigener Regie aus der Misere hätte befreien können. Anders macht dieser Faux Pas wenig Sinn, da man gerade bei „Star Trek“ besonderen Wert auf einen logischen und in sich schlüssigen Aufbau legt. Das schmälert zwar die Freude über Kirks taktischen Kunstgriff, ist im Ganzen aber verschmerzbar und wird durch den sonst so stimmigen Rahmen kompensiert.