Heute gilt Sam Peckinpah als einer der großen Studio-Autorenfilmer und Erneuerer des Actionkinos. Zu seinen Lebzeiten war das noch anders. Von Kritikern gescholten, vom Publikum allzuoft missachtet und von den großen Studios mit einschränkenden Auflagen belegt, wurde der ruppige und kompromisslose Regisseur in seinen Tagen wahrlich nicht glücklich in der Traumfabrik. Nahezu all seine Filme wurden von Studios und der der Altersfreigabe-Organisation MPAA verstümmelt und manchmal sogar regelrecht sinnentstellt. Selbst seine großen Klassiker „The Wild Bunch" oder „Pat Garrett jagt Billy The Kid" mussten heftig Federn lassen, was er selbst mit Verbitterung und bösen Worten quittierte, die ihn nur weiter ins Karriereabseits manövrierten. Nur selten, etwa bei „The Gateway", ging seine Rechnung auf. Dann wiederum musste er sich mit Action-Kloppern wie dem durchschnittlichen „Killer Elite" durchschlagen. Seine persönlichsten Filme in den 70ern waren dann eher kleine Außenseiterballaden wie „Bringt mir den Kopf von Alfredo Garcia" oder „Junior Bonner". Als die Luft immer dünner wurde, seilte er sich einige Male auch ins Ausland ab. So drehte er den bitterbösen „Wer gewalt sät" in England, wo er über mehr filmische Freiheiten verfügte. 1977 verschlug es ihn sogar nach Deutschland, wo ihn die deutsche Produzentenlegende Wolf C. Hartwig für die Verfilmung von Willi Heinrichs Roman „Das geduldige Fleisch" gewann. Dabei entstand mit „Steiner – Das eiserne Kreuz" einer der kompromisslosesten Anti-Kriegsfilme der Filmgeschichte.
Die Ostfront, 1943: Der Krieg ist verloren und die einzige Richtung, in die sich die deutsche Armee noch bewegt, ist zurück. Im grausamen Kampf gegen Partisanen und die rote Armee, die die deutschen Truppen immer wieder einkesselt, gönnen sich die Soldaten an allen Fronten kein Pardon mehr. Einer der versiertesten deutschen Streiter ist der ebenso eisenharte wie eigenwillige Feldwebel Steiner (James Coburn), der sich jedoch noch einen Rest Menschlichkeit bewahrt hat. Für seinen Kampfesmut hat er sogar das eiserne Kreuz bekommen, um das ihn der schneidige doch im Kampf unerfahrene Hauptmann Stransky (Maximilian Schell) beneidet. Stransky, der ebenfalls das eiserne Kreuz erlangen will, scheut vor keinem waghalsigen Manöver zurück, um seinen strategischen Wagemut unter Beweis zu stellen – wobei er das Leben seiner Untergebenen missachtet und bald mit Steiner aneinandergerät. Als die russischen Truppen immer näher rücken und der Tod unvermeidlich scheint, spitzt sich auch die Lage zwischen dem Schreibtischtäter und dem Frontkämpfer zu, bis sie in einen Privatkrieg vor dem Hintergrund einer großen Schlacht ausartet...
Was auch immer sich der erfolgreiche deutsche Genre-Produzent Hartwig, der mit den „Schulmädchenreport"-Filmen und kleinen St.-Pauli-Reißern ordentlich Kasse machte, davon erhofft hatte, den bissigen Peckinpah ins Boot zu holen – er wurde offenbar enttäuscht. Anstatt ein entpolitisiertes und damit leicht verdauliches Landserdrama abzuliefern, stürzte sich Peckinpah, dessen schon immer abenteuerliche Dreh- und Montage-Techniken auch hier zur Geltung kamen, kopfüber in das Projekt. Am Ende war das Klima zwischen Produzent und Regisseur so abgekühlt, dass nur die ergebenen Darsteller die Entlassung Peckinpahs verhindern konnten. Man merkt dem Film den Stress hinter der Kamera, die widrigen Drehbedingungen, den Druck und die Desillusionierung förmlich an. Film ist Krieg und dieser Filmkrieg ist der Feldzug Ost schlechthin. Von Anfang an ist „Steiner" eine irdische Höllenvision sondergleichen. In den grauen ausgewaschenen Wäldern tummeln sich Soldaten, die allesamt ausgemergelt und heruntergekommen sind und schwerlich zur Identifikation einladen.
James Coburn gleicht in manchen Momenten den Westernhelden, die er in seiner Karriere so oft (auch für Peckinpah) gegeben hat. Wenn er hier jedoch mal nicht durchs Unterholz pirscht um Partisanen zu meucheln, vegetieren er und seine Männer in den Verschlägen und Schützengräben nur so vor sich hin, wissend, dass sie alle des Todes sind. Um den US-Star tummelt sich eine illustre Riege deutscher Stars der 70er und wie zuletzt Quentin Tarantino bei „Inglourious Basterds" hatte auch Peckinpah erkannt, dass deutsche Darsteller in internationalen Produktionen durchaus großen Eindruck hinterlassen können. Vadim Glowna, Klaus Löwitsch, Burkhart Driest und Dieter Schidor, die hier zum „Wild Bunch" Steiners gehören – alle geben sie eine derbe und einprägsame Vorstellung, mit der sie sich nicht hinter Stars wie James Mason oder David Warner zu verstecken brauchen. Als eine der wenigen weiblichen Rollen darf Senta Berger als Krankenschwester Haut zeigen. Hin und wieder gönnt ihnen Peckinpah zwar Momente urigen Zusammenseins und sogar die ein oder andere Blödelei, doch braucht er nie lang, ihren Zusammenhalt als verzweifeltes Zweckbündnis an der Schwelle des Wahnsinns zu entlarven.
Die Politik und Nazi-Ideologie, die Steiner und seine Männer in diese Situation gebracht haben wird dabei auf sehr interessante Art behandelt. Wie ein böser Geist schweben Hitler und das NS-Regime hier über den Menschen. Bereits in der Titelsequenz werden zu den Klängen von „Hänschen Klein" Bilder des Krieges und des Führers ineinandermontiert und so als Folklore enttarnt, die mit der Realität des nackten Überlebenskampfes an der Front wenig zu tun haben. Selbst wenn diese Frontschweine jemals an den Nationalsozialismus geglaubt haben, ist ihnen diese Linientreue zwischen blutigem Schlamm und Pulverdampf abhanden gekommen. Oft scheint es, als würden sie selbst zu ihren russischen Kontrahenten, mit denen sie sich einen bitteren und äußerst brutal inszenierten Kampf liefern, eine innigere Beziehung führen als zu den Befehlshabenden, die sie aufreiben. Die größten Feinde scheinen sich eher in den eigenen Reihen zu befinden. Selbst Major Stransky, den Edelmime Maximilian Schell als schneidigen Militär-Karrieristen darstellt, sieht sich eher als preußischen Edelmann denn als Nazi und hält nicht viel von den ideologisierten Emporkömmlingen, die in der Heimat große Reden schwingen. Sein Verlangen nach dem eisernen Kreuz – einer Auszeichnung, die selbst älter als das NS-Regime ist, von diesem jedoch vereinnahmt wurde – ist reinem Prestige-Streben geschuldet.
In Peckinpahs Weltsicht ist klar: Politiker zetteln Kriege an – Soldaten sterben in ihnen. Wenn gestorben wird, entfacht Peckinpah ein wahres Inferno. Dabei setzt er mitunter auf seine bekannten Kniffe wie exzessive Zeitlupen-Sequenzen, in denen sich die Körper gefühlt endlos in den MG-Salven winden, bevor sie in einem Nebel aus Qualm, Schießpulver und Blutfontänen ihr Leben aushauchen. Auch wenn das Todesballett einen ästhetischen Reiz hat, ist es aufgrund eines strengen, den Bilderfluss immer wieder unterbrechenden Schnitts doch nie genießbar. Auch abseits der Schlachtengemälde kommt es immer wieder zu grausigen Momenten. Wenn ein junger russischer Gefangener erschossen wird, gerade als Steiner ihn freilassen will, oder einer seiner Kameraden von einer russischen Partisanin, die der gerade missbrauchen will, entmannt wird, zeigt sich der Krieg von seiner unspektakulären doch nicht minder grausigen Seite. Wenn Steiners Battallion schließlich vom „friendly fire" aufgerieben wird und Freund von Feind kaum noch zu unterscheiden sind, verliert sich der Film endgültig im Chaos des Krieges und selbst die große Konfrontation zwischen Steiner und Stransky wird schlichtweg aufgeschoben. Dieser Krieg kennt keine Helden, nicht einmal Schurken. Das Durcheinander, in dem sogar die Stars Coburn und Schell untergehen, kennt keinen Glanz sondern nur noch Schrecken.
Fazit: Mit einem Maximum an erzählerischem Wagemut, entfesselter Montagetechnik und einem engagiert aufspielenden Ensemble an Schauspielern aller Herren Länder hat Sam Peckinpah mit „Steiner – das eiserne Kreuz" seinen letzten großen Film inszeniert. Einen, der nicht gefallen soll und schon gar nicht als schneller Kriegs-Actioner zu goutieren ist; einen, der sein Publikum immer wieder vor den Kopf stößt.