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    Stockholm Bloodbath
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Stockholm Bloodbath

    "Kill Bill" im Mittelalter

    Von Lutz Granert

    Als Anfang 2024 der Kinostart von „Stockholm Bloodbath“ in Skandinavien nahte, zog das Stockholmer Boulevardblatt Aftonbladet bereits im Teaser seiner Filmkritik zahlreiche Quervergleiche zu etablierten Hollywood-Größen und einem (modernen) Abenteuer-Klassiker: Eine äußerst blutige Episode der schwedischen Geschichte treffe hier auf Quentin Tarantino, Guy Ritchie und den Kevin-Costner-Hit „Robin Hood: König der Diebe“.

    Aber wer nach diesem Einstieg schon ganz euphorisiert war, der wurde beim Weiterlesen schnell wieder auf den Boden der Tatsachen heruntergeholt – denn die zahlreichen Schwächen des sichtbar ambitionierten Streifens wurden im Artikel selbst auch detailliert aufgearbeitet. Tatsächlich scheint sich der schwedische Filmemacher Mikael Håfström („Escape Plan“) nicht nur in Sachen Stilmitteln und schrägen Charakteren viel von den Vorbildern abgeschaut zu haben. Aber bei einer Laufzeit von zweieinhalb Stunden, die sich gerade in der zweiten Hälfte sehr gestreckt anfühlen, franst die schwedisch-dänische Co-Produktion zusehends aus.

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    Schweden im Jahre 1520: Der dänische König Christian II. (Claes Bang) strebt nach der Unterwerfung des schwedischen Reichs, das vom bereits im Sterben liegenden Sten Sture (Adam Pålsson) verwaltet wird. Als Christians Handlanger um den brutalen Didrik Slagheck (Mikkel Boe Følsgaard) ein Dorf überfallen, werden auch Angehörige von Anne (Sophie Cookson) und ihrer stummen Pflegeschwester Freja Eriksson (Alba August) ermordet.

    Die beiden Frauen schwören Rache und folgen Christians Truppen, die nach einer Vereinbarung mit Sten Stures Witwe Kristina Gyllenstierna (Emily Beecham) auch die letzte schwedische Bastion Stockholm unerwartet reibungslos einnehmen. Allerdings hat Kristina die Hinterhältigkeit der Eroberer unterschätzt: Auf einem Festbankett offenbart sich schließlich der wahrhaft teuflische Plan von Christian II. und dem rachsüchtigen Erzbischof Gustave Trolle (Jakob Oftebro)...

    Splendid Film
    Anne (Sophie Cookson) stellt sich den Invasoren mit Pfeil und Bogen entgegen.

    Quentin Tarantino ließ in „Once Upon A Time... in Hollywood“ die Mitglieder der Manson Family bei ihrem Mordplan an Sharon Tate an der falschen Tür klingeln, und Guy Ritchie schickte in „The Ministry Of Ungentlemanly Warfare“ gerade mal eine Handvoll britische Geheimdienst-Agenten der Operation Postmaster (in Wahrheit waren es viel mehr) in den Kampf gegen das Nazi-Regime: Sprich, die beiden Kult-Regisseure springen in der Regel recht frei mit historischen Fakten um. „Stockholm Bloodbath“ ist hingegen das Bemühen um eine halbwegs seriöse Aufarbeitung der tatsächlichen Geschehnisse anzumerken, bei denen im Jahr 1520 die schwedischen Bankett-Gäste inhaftiert und etwa 50 von ihnen später wegen vermeintlicher Ketzerei im Akkord hingerichtet wurden.

    Genau das ist aber womöglich auch der Grund, warum einen das Historien-Spektakel so seltsam kaltlässt. Die ungleichen Schwestern stellen sich in der ersten Filmhälfte in kurzen, aber übersichtlich gefilmten und durchaus patent choreografierten Scharmützeln den dänischen Invasoren, die ihre Liebsten gemeuchelt haben und deswegen – „Kill Bill“ lässt grüßen – auf ihrer ganz persönlichen Todesliste mit individuell passenden Codenamen gelandet sind.

    Das Dinner-Gemetzel ändert alles

    Nach 80 Minuten kippt mit dem titelgebenden Gelage aber nicht nur die Stimmung, sondern auch der Fokus des Historien-Spektakels. Die Präsenz von Anne und Freja, die Charakterdarstellerin Alba August („Astrid“) so mitreißend-wutschnaubend verkörpert, tritt zunehmend hinter Erklärungen des gewieften Racheplans sowie des historischen Kontexts zurück. Die Erwartung eines epischen Endkampfes wurde zwar bis dahin genährt, aber er bleibt aus – und die Amazonen mutieren eben nicht zu skrupellosen Alleinkämpferinnen, die gleich mal – wie die Braut in „Kill Bill“ – ein ganzes Arsenal martialischer Gesellen plattmachen.

    So wandelt sich die bis dahin schwungvolle Historien-Action innerhalb weniger Minuten zu einem zwar superblutigen, aber gänzlich überraschungsfreien Metzel-Marathon in düsteren Bildern. Immerhin zieht hier Mikkel Boe Følsgaard („Borgen: Gefährliche Seilschaften“) in seiner genüsslich-zelebrierten Rolle als wütender Widerling und Henker Didrik alle Register, etwa wenn er erst (zu) spät und ungläubig bemerkt, dass ihm einige verletzte Finger abfaulen. (Tatsächlich erinnert sein Part entfernt an Alan Rickmans herrlich schmierige Performance als Sheriff von Nottingham in „Robin Hood: König der Diebe“.)

    Splendid Film
    Der dänische König Christian II. (Claes Bang) verfolgt in Wahrheit einen noch viel teuflischeren Plan.

    Davon, wie sehr der Film in diesen Passagen auf der Stelle tritt, versucht Mikael Håfström hin und wieder mit ein paar schmissigen Stilmitteln abzulenken. Mehr als die Vorstellung einzelner Figuren in eingefrorenen Bildern samt ihrer (Code-)Namen (noch eine Anspielung auf „Kill Bill“) geht einem aber die exaltierte Verwendung sich dynamisch verschiebender Splitscreens irgendwann ziemlich auf die Nerven.

    Das heftige Colorgrading, mit dem herbstliche Wälder in regelrechte Schneewüsten verwandelt werden, sorgt ob ihrer Künstlichkeit weniger für eisige Atmosphäre als für ungläubiges Stirnrunzeln. Immerhin können sich die soliden CGI-Effekte und die aufwändigen Kostüme und prunkvollen Interieurs durchaus sehen lassen. Hier scheinen die wahren Ambitionen des betont lässig daherkommenden Historien-Epos zumindest zwischenzeitig durch.

    Fazit: Ein berüchtigtes Stück der skandinavischen Geschichte wird in einem unausgegorenen Mix aus leidlich spannender Historien-Action und ermüdendem Gore-Gemetzel aufgearbeitet. Weniger Laufzeit wäre bei diesem unnötig aufgeblähten Blutbad definitiv mehr gewesen.

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