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    Ein klebriges Abenteuer: Daffy Duck und Schweinchen Dick retten den Planeten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Ein klebriges Abenteuer: Daffy Duck und Schweinchen Dick retten den Planeten

    Es wurde aber auch wirklich höchste Zeit!

    Von Sidney Schering

    Die Looney Tunes sind ein schrilles, essenzielles Stück Filmgeschichte. Aber obwohl Daffy Duck, Bugs Bunny und Konsorten bereits in haufenweise Kurzfilmen, TV-Serien, Comicheften und Videospielen herumwuselten, galt es noch einen letzten Sektor der Popkultur zu erobern. Man mag es kaum glauben, aber bislang mangelte es an einem abendfüllenden Looney-Tunes-Kinotrickfilm! Stattdessen gab es mit „Space Jam“, „Looney Tunes: Back In Action“ und „Space Jam 2“ lediglich drei Mischfilme, in denen die irren Toons auf reale Menschen treffen (mit „Coyote Vs. Acme“ wurde sogar schon ein vierter Film dieser Art fertig produziert, der allerdings als Steuerabschreibung unveröffentlicht in die Tonne gekloppt werden soll). Mit „Ein klebriges Abenteuer: Daffy Duck und Schweinchen Dick retten den Planeten“ ist er nun aber endlich da – ein Original-Kinofilm aus purer Looney-Energie! Regisseur Pete Browngardt liefert damit zwar keine neue Sternstunde im Tunes-Kosmos, wohl aber einen amüsanten, spürbar passionierten Vorgeschmack auf hoffentlich noch viele weitere Looney-Leinwandabenteuer!

    Als Findelkinder werden Daffy Duck (im Original Eric Bauza / in der deutschen Synchronfassung Gerald Schaale) und Schweinchen Dick (Eric Bauza / Santiago Ziesmer) vom hünenhaften Farmer Jim aufgelesen, der sie liebevoll großzieht. Jahre später bittet er die Chaoten eindringlich, auch nach seinem Abschied füreinander zu sorgen – sowie für ihr gemeinsames Heim. Aber ohne Jim verkommt das Haus trotzdem schnell zum baufälligen Schandfleck. Und dann zerstört auch noch ein UFO das Dach. Dringend muss Geld für die Reparatur her! Also heuert das Duo in einer Kaugummifabrik an, wo auch die eigensinnige Geschmacksingenieurin Petunia (Candi Milo / Julia Bautz) arbeitet. Derweil lässt ein pompöses Alien (Peter MacNicol / Tobias Lelle) heimlich die Rezeptur einer brandneuen Kaugummisorte manipulieren – mit geradezu apokalyptisch anmutenden Folgen! Und so ruht das Schicksal der Erde auf den Schultern von Dick, Daffy und Petunia...

    Warner Bros.
    Als Babys sind Dick und Daffy noch soooooo süß …

    Dass die irren Figuren aus dem Hause Warner beinahe 100 Jahre gebraucht haben, um einen abendfüllenden Original-Zeichentrickfilm zu erhalten, erscheint angesichts ihrer immensen Popularität geradezu absurd. Aber im selben Moment ist es auch irgendwie nachvollziehbar: Diese Figuren wurden für kurze, intensive Lachsalvenattacken geschaffen. Ihre Persönlichkeiten schreien deshalb nicht danach, eine zusammenhängende Spielfilmhandlung zu tragen.

    Und leider haben der Drehbuchautor Kevin Costello und das restliche, 15-köpfige Story-Team für diese Herausforderung auch keine Patentlösung parat: Die Geschichte landet irgendwo zwischen episodenhafter Komödie mit Alibi-Handlung und unfokussierter, wenngleich zusammenhängender Sci-Fi-Persiflage. Das führt zu Leerlauf, wenn sich Dick, Daffy und Petunia zu weit von der Kernhandlung entfernen, oder zu Hektik, wenn der zentrale Plot abrupt vorangetrieben wird, um die nächste Zwischenetappe zu erreichen.

    Tolle Animationen!

    Ausgewogener ist die Balance zwischen Tohuwabohu nach alter Looney-Tunes-Schule und einem gesitteteren Figurenentwurf, der auch mal dramatischere Momente gestattet: Daffy ist ein völliger Wildfang, dessen Lösung für fast jedes Problem lautet, wild mit seinem überdimensionierten Holzhammer um sich zu schlagen. Schweinchen Dick wiederum erweist sich als neurotisches Nervenwrack, das von Daffys unbändiger Energie zwar überfordert wird, jedoch seinen Frust viel zu lange in sich hineinfrisst. Diese Dynamik wird aber nicht auf Rivalität gebürstet, sondern als ungleiche, teils dysfunktionale, letztlich aber vor allem charmant-sympathische Freundschaft gezeichnet. Aufgrund des holprigen Erzählflusses erreichen die kurzlebigen Zerwürfnisse und mit Eifer abgerungenen Aussöhnungen zwischen Dick und Daffy zwar nicht ihr volles emotionales Potenzial. Trotzdem ist ihr Miteinander reizvoll, manchmal sogar fast schon rührend.

    Dazu trägt auch die hervorragende Figurenanimation bei: Insbesondere Daffys hyperaktive, mitunter hysterische Gesichtsausdrücke und Verrenkungen sind großartig! Ein weiteres Highlight sind die übertrieben theatralen Gesten des ungeduldigen, großkotzigen Aliens, das sich selbstgefällig von einer Pose in die nächste wirft. Aber auch die Schweinchen sind gewitzt animiert. In dieser Hinsicht tut das Trick-Team von „Ein klebriges Abenteuer“ also alles, um dem legendären Zeichner und Regisseur Bob Clampett gerecht zu werden, dem auch mit einem der vielen Easter Eggs noch einmal ganz persönlich Tribut gezollt wird.

    Warner Bros.
    … aber im Erwachsenenalter stürzen sie ihre Umgebung vor allem immer wieder ins pure Chaos.

    Was den Humor angeht, macht sich die surreale, atemlose Manie des Looney-Tunes-Genies in „Ein klebriges Abenteuer“ zwar nur sporadisch bemerkbar. Dafür setzen die Verantwortlichen auf eine eklektische und dennoch harmonische Mischung aus punktgenau platzierten, süffisanten Illusionsbrüchen, zügigen Slapstick-Montagen sowie kauzigem Dialogwitz. Hinzu kommen Filmanspielungen, die sich nie aufdrängen, sondern sich nahtlos-skurril in das bunte Cartoon-Geschehen fügen. Die Referenzen reichen dabei vom 1990er-Bombast der Marke Michael Bay bis zurück zu Charlie Chaplins „Moderne Zeiten“, dessen Dick-und-Daffy-Abwandlung in einer bildhübsch gestalteten, pfiffigen Art-déco-Fantasie kulminiert. Hauptsächlich standen aber Sci-Fi-Klassiker der 1950er-Jahre wie „Kampf der Welten“, „Blob – Schrecken ohne Namen“ oder „Die Dämonischen“ Pate, was sich auch in der Bildästhetik widerspiegelt:

    Obwohl „Ein klebriges Abenteuer“ in der Jetztzeit spielt (so versucht Daffy etwa, als Influencer Geld zu verdienen), verströmt der Film 1950er-Vibes, inklusive American-Diner-Romantik und einer bizarren Bubblegum-Obsession. Browngardt beweist dabei ein gutes Gespür dafür, wann die nostalgischen Hintergründe eher minimalistisch ausfallen sollten, um die Figurenanimation strahlen zu lassen, und wann es markante Szenerien benötigt, um der Filmwelt ihre Leinwandreife zu verleihen. Die so generische wie gedrosselte Musik des Komponisten Joshua Moshier kann da allerdings nicht mithalten. Schade, denn diese Sci-Fi-Persiflage hätte mehr klanglichen Biss vertragen können – zumal auffällige, wilde Musik bei den Looney Tunes seit jeher ein Teil des Markenversprechens ist. Da muss der nächste Film dringend nachlegen – nur dauert es bis dahin hoffentlich nicht wieder fast 100 Jahre.

    Fazit: (Viel zu) Lange hat es gedauert, aber jetzt haben Daffy Duck und Schweinchen Dick endlich ihren eigenen, abendfüllenden Kinofilm. In „Ein klebriges Abenteuer“ agieren sie zwar nicht ganz so ungezügelt wie in einigen ihrer Kurzfilm-Cartoons, aber eine spritzige Sci-Fi-Persiflage ist trotzdem dabei herausgekommen.

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