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    Beautiful Wedding
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Beautiful Wedding

    Die Parodie ist besser als die Originale

    Von Kamil Moll

    In Roger Kumbles „Beautiful Disaster“ (2020) entspann sich eine Liebesgeschichte zwischen zwei allmählich in die Jahre kommenden Teenagern, als stamme die Story aus einem Lehrbuch für Young-Adult-Stoffe: Abby (Virginia Gardner), eine mittellose Studentin im ersten Semester, lernt auf einer Party Travis (Dylan Sprouse) kennen, der sich als Amateurboxer mit illegalen Fights über Wasser hält. Die Beziehung zwischen der eher vergeistigten Schönen und dem eher ungehobelten Draufgänger verkompliziert sich alsbald durch einen kaum überblickbaren Plot, der Abby dazu zwingt, die vermeintlichen Spielschulden ihres Vaters bei Pokerspielen in Las Vegas zu begleichen, und in der Folge Travis, das dabei gewonnene und im Zuge eines Trickbetrugs wieder verlorene Geld bei einem Boxkampf noch mal reinzuholen. Am Ende von „Beautiful Disaster“ trinken die beiden ein paar Shots zu viel, um dann, so legen es zumindest die während des Abspanns eingeblendeten Polaroids nahe, im hormonellen wie alkoholischen Rausch eine Blitzheirat abzuhalten.

    Obwohl der Roman „Beautiful Disaster“ von Jamie McGuire* als Klassiker des sogenannten New-Adult-Genres gilt und damit aus demselben Dunstkreis wie etwa die „After“-Reihe von Anna Todd stammt, war der Tonfall des Films unverhofft parodistisch und erlaubte sich einen bewusst kruden Umgang mit den gängigen, vorformatierten Erzählschablonen von Jugendfilmen. Die Fortsetzung „Beautiful Wedding“ verliert nun gar endgültig jede Bodenhaftung und seriöse filmische Form: Auf der Flucht vor dem Kleinganoven Benny (Rob Estes), in dessen Schuld Abbys Vater weiterhin zu stehen scheint, setzt sich das Paar in einer luxuriösen Villa in Mexiko ab – einem launig-exotischen Resort, das von dem flamboyanten Dandy Sancho (Steven Bauer, der vier Jahrzehnte nach „Scarface“ noch einmal die Möglichkeit bekommt, einen karikaturistischen Latino-Akzent zu erproben) betrieben wird.

    Nach der Hochzeit ist vor dem Kennenlernen: Haben Abby (Virginia Gardner) und Travis (Dylan Sprouse) im Vollsuff wirklich die richtige Entscheidung getroffen? LEONINE
    Nach der Hochzeit ist vor dem Kennenlernen: Haben Abby (Virginia Gardner) und Travis (Dylan Sprouse) im Vollsuff wirklich die richtige Entscheidung getroffen?

    So viel Sonne und Mariachi-Klänge könnten einen probaten Hintergrund für Flitterwochen abgeben, aber bei derart günstigen Voraussetzungen für Romantik und Müßiggang merken die beiden schnell, dass sie sich gegenseitig eigentlich gar nicht richtig kennen. In dem Bemühen, einen volltrunken geschlossenen Ehebund in eine tatsächliche funktionale Beziehung münden zu lassen, beschließen Travis und Abby deshalb, sich einer Form von Reverse Engineering zu bedienen, wie sie in Screwball-Komödien eine lange Tradition besitzt: Mit Freunden holen beide getrennt voneinander ihren Junggesell*innenabschied nach, um dabei nachträglich ihre Liebe auf eine zugespitzte Belastungsprobe zu stellen. Was sich durch das gemeinsame Ausdiskutieren von Problemen und Differenzen nicht lösen lässt, soll stattdessen möglichst durch blutige Hahnenkämpfe und mexikanisches Frauenwrestling bewältigt werden.

    Bis auf grobe inhaltliche Fixpunkte ist es kaum vorstellbar, dass Roger Kumble bei der Adaption der von Jaimie McGuire im Selbstverlag publizierten Romane besonders viel Vorlagentreue walten ließ. Das wird allein schon daran erkennbar, dass die unmittelbar aneinander anschließenden Filme eigentlich die Bände eins und drei der Buchreihe bilden. Insbesondere der überstiegene Irrsinn von „Beautiful Wedding“ zeigt bereits, dass es sich hier eh kaum um ein an Geschichten orientiertes Kino handelt, sondern um eines, das mehr Wert auf freigeistigen Tonfall und satirische Übertreibung legt. Eine wundervoll wilde Posse, wie es im gegenwärtigen Komödiengenre kaum eine vergleichbare gibt: In wie vielen zeitgenössischen Komödien taucht sonst schon ein animierter jubilierender Penis auf?

    Comeback Dank Wattpad

    Nur unschwer erkannt man darin sofort die Handschrift des Regisseurs, der in den späten 1990er-Jahren mit „Eiskalte Engel“ eine neue Tonalität in den amerikanischen Teenagerfilm brachte: clever und sarkastisch, obszön und metareferenziell. Ein Talent wie Roger Kumble blieb jedoch stets auch abhängig von den Freiheiten, die ihm der Mainstream erlaubte, und so verbrachte er nach zwei Kinokomödien („Super süß und super sexy“ und „Just Friends – No Sex“) die kommenden Jahre mit Auftragsarbeiten für unzählige Fernsehserien und kleinen, kaum beachteten Billigprojekten für Kino und Streaming.

    Erst die kommerzielle Welle an Verfilmungen von für das Fanfiction-Portal Wattpad geschriebenen Fortsetzungsromanen brachte ihn Anfang der 2020er-Jahre wieder in Berührung mit dem Genre, das seinen Erfolg begründet hatte: In seinem lustvoll-verschmitzten Beitrag zur „After“-Filmreihe („After Truth“ von 2020) lässt sich schon vieles von dem erspüren, was nun in „Beautiful Wedding“ nur allzu offen liegt, dass nämlich der Spaß, den Teenager*innen in den abgegriffensten Filmerzählungen haben können, erst recht multipliziert wird, wenn die Figuren selbst in den Scherz eingeweiht sind.

    Die Mexiko-Eskapaden des Flitterwochen-Paares bleiben nicht ohne Folgen! LEONINE
    Die Mexiko-Eskapaden des Flitterwochen-Paares bleiben nicht ohne Folgen!

    Damit bringt Roger Kumble ein spielerisches Selbstbewusstsein in das Genre, wie es zum Beispiel im Horrorfilmbereich seit dem „Scream“-Franchise längst etabliert ist. Der Film ist dabei eine Feier des anlasslos Vulgären. Im Bereich der Young-Adult-Produktionen leuchtet „Beautiful Wedding“ schon deshalb, weil der Film seinen Freiraum komplett auslotet – selbst wenn dabei längst nicht jede, gerne möglichst weit unter der Gürtellinie angesiedelte Pointe zündet. Sollte sich Roger Kumble allerdings für eine weitere Fortsetzung der Buchreihe entscheiden, könnte ihn dies auch vor ein Problem stellen: Übersteigern lässt sich der hoch ironische Bildersturm in Zukunft wohl nur noch schwerlich, und für eine Rückkehr zu einem getragenen, Teenager-Nöte ernst nehmenden Tonfall hat er mit dem Zoten-Gewitter aus „Beautiful Wedding“ wohl auch längst zu viele Brücken hinter sich abgebrannt.

    Fazit: Mit „Beautiful Wedding“ kehrt Roger Kumble wieder zurück zum ironisch-metareferenziellen Tonfall seines ikonischen Meisterwerkes „Eiskalte Engel“. Beispiellos vulgär und freigeistig gelingt ihm so ein ebenso krudes wie genüssliches Spiel mit den Erzählkonventionen von zeitgenössischen Young-Adult-Romanzen.

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